hm
schrieb am 7. September 2009
um
10:45
@MacGeiler
Also erst einmal können Sie davon ausgehen, dass wir ein Stück weit einer Meinung sind. Ein Forum, wenn ich das hier einmal so nennen darf, in dem es nur auf die Wortwahl ankommt, lässt leicht Missverständnisse zu. Genau zu lesen ist deshalb wichtig.
Prinzipiell können wir Bauwerke nicht getrennt von den Menschen und ihrem Verhalten beurteilen, deswegen gibt es auch Zusammenhänge zu deren Verhalten, welches sich u.U. auch durch Innovationen zeigen kann. Ich hatte das Beispiel angeführt, weil rasante Entwicklungen ja auch so etwas wie ein „Barometer“ sind, das Beispiel China kennt zudem jeder, ist präsent.
Ich weiß dass dort in eklatantem Maße kulturell wertvolle Bausubstanz vernichtet wird. Das ist zu bedauern. Allerdings urteilen wir auch hier schon wieder mit unserer west-, und mitteleuropäischen Sichtweise. Die Bewegungen der Menschen dort sind ungeheuer. Sie strömen von sich aus in die Metropolen in Ostchina, die Städte können so schnell gar nicht wachsen, sodass sich informelle Siedlungen mit katastrophalen Lebensverhältnissen wie ein Gürtel um die Zentren legen. Ich möchte hier nicht weiter darauf eingehen. Sicher spielt auch das Selbstverständnis der Chinesen eine Rolle. (Sie werden sich dort fragen, wozu ein Kultbau, wenn ich doch nicht gläubig bin usw.)
Das Wort Betrug hätte ich unten auch in Anführungsstriche setzen können. Aus dem Text kann man aber eigentlich darauf schließen was ich meine. Es kommt auf die kulturhistorische Bedeutung an, was, wie rekonstruiert, oder restauriert wird. Die Vorgehensweise ist so etwas wie ein „Roter Faden“, bei dem ich mich einmal ein kleines Stück darüber oder darunter befinde.
Die Thematik ist ähnlich wie beim Berliner Schloss, die Symbolfrage stellt sich allerdings in der Regel nicht. Ihr Eindruck dass ich alles verfallen lassen wollte steht sogar konträr zu meiner Intension.
Ich komme übrigens aus der Denkmalpflege, interessiere mich für Geschichte. (allerdings nicht aus „Geschichtsmagazinen“, und auch nicht aus „Geschichts-Doku-Shows“ des Fernsehens, mit ihren Schaustellern. Hierin steckt übrigens der gleiche Sachverhalt. Tatsache kontra Rekonstruktion)
Warum man mit Rekonstruktion in der Denkmalpflege vorsichtig ist, ist der Tatsache geschuldet, dass u.U. Geschichtsverfälschung betrieben werden kann, bzw. ist es ja nicht Aufgabe zu täuschen, es wird sich auch genau überlegt, was nur konserviert wird, und was restauriert. Nicht selten wird deshalb versucht Rekonstruktion kenntlich zu machen, um Originalsubstanz von neuen Zutaten unterscheiden zu können, und somit dem Betrachter, aber auch dem Wissenschaftler zu zeigen was eben nicht sein kann.
(Bitte keine Gegenbeispiele suchen, was den Unterschied ausmachen kann ist nicht immer gleich, und auch stark vom Objekt abhängig.) Diese Suche nach einem Weg ist eben wie eine „Schlangenlinie“ um diesen Roten Faden. Die Wiedererrichtung des Schlosses hingegen, um es bildlich zu machen, ist wie eine Parallele zu diesem Faden, allerdings mit einem gewaltigen Abstand, egal ob oben oder unten, hat mit Denkmalpflege also absolut nichts zu tun.
Wir brauchen uns auch nicht über Differenz von Burg und Stadtschloss unterhalten. Das Berliner Schloss hatte nicht die Aufgabe Rücksicht auf Besucherströme zu nehmen, bzw. auf Passanten zu reagieren. Es war nur für eine „Elite“ vorgesehen, die dort unter sich blieb.
Bitte sagen Sie nicht: „Ihr“ Architekten. Die Bausünden der 60er und 70er Jahre sind unverkennbar, werden aber von der Masse, wenn überhaupt, erst heute angeprangert.
Was sollten aber diese Architekten tun, wenn in diesem Land in der Regel 2 Autos pro Familie angeschafft wurden? Hat man die 80er und 90er schon vergessen, und heute?
Die Themen im Bekanntenkreis, das erkennen Sie sicher selbst, waren doch nicht etwa die Gebäude der Innenstadt, die Möglichkeit, die in kleinräumigen Strukturen steckten (Raum für soziale Kontakte), und schon gar nicht was diese Strukturen uns erzählen konnten.
Das Thema hingegen war Ski-Urlaub, Reisemöglichkeiten ohne Stau, der Arbeitsweg mittels Auto, und wo finde ich bitte einen Parkplatz, zu dem ich nicht so weit laufen muss, und wo kann ich einkaufen, wo ich alles gleich in den Kofferraum bekomme. Ich glaube das wäre ehrlicher.
Was folgte daraus? Natürlich der Druck auf die Politik! Sofern kein kommerzielles Interesse zusätzlich zu denkmalpflegerischen Fragen kommt, werden Sie bis heute selten Mehrheiten für Kultur bekommen. (siehe Dresden, Waldschlösschenbrücke)
Das Förderte über Jahrzehnte hinweg, bis heute, in der Masse, Architekten oder mehr noch Bauingenieure, welche diese Erwartungen an die autogerechte Stadt oder das Dorf erfüllten, auf Kosten des Kommunikationsraumes, sprich Plätze, oder Straßen, welche für das Gespräch, für den Fußgänger immer unattraktiver wurden.
Beim Beispiel Rothenburg ob der Tauber, kommt natürlich auch der kommerzielle Aspekt hinzu, man hat die Einnahmemöglichkeiten erkannt. Aber auch das arbeitet dem kulturellen Aspekt ein Stück weit entgegen, da „Mittelalter“ nur vorgegaukelt wird, eine Art „Schaustadt“ für Touristen.
Die Menschen möchten keinesfalls wie im Mittelalter leben. Wenn sich diese zu Rothenburg bspw. äußern, wiederholen sie eigentlich nur die Zeilen der Werbegemeinschaften (in welchen Hotelbesitzer, und Gastronomen vertreten sind), die ein Bild von einer „mittelalterlichen“ Stadt den Menschen erst suggerieren.
Was aber den Menschen unterbewusst eigentlich gefällt ist der Maßstab dieser Städte. Den allerdings, könnte man auch mit zeitgemäßer Architektur erreichen.
Deshalb war das meinerseits kein Plädoyer dafür, nicht zeitgemäß zu bauen. Was Sie, wie so viele vermengen ist, und was die Schlossbefürworter immer wieder wiederholen, war, dass als einzige Antwort auf „hässliche“ moderne Architektur nur „schönes“ „altes“ Barock sein kann.
„Schönes altes Berlin“ wird nie wieder erreicht werden, höchstens „schönes neues Berlin“.
Lassen wir „Verschwörung“ beiseite, die brauchen wir auch nicht bemühen, selbst wenn Sie sich nicht mit Geschichte auseinandersetzen wollen, und es von Anfang an um nicht mehr ging als Oberfläche, innen wie außen, das Zeichen bleibt, und wer sich für mehr interessiert, der stellt Fragen.
Was aber noch schlimmer ist, wer sich nicht dafür interessiert, zieht die oberflächliche Schlussfolgerung, das was sich einmal zugetragen hat, Entwicklungen die sich einmal vollzogen hatten, und was für Konsequenzen sich am Ende daraus ergaben, dass kann so schlimm nicht gewesen sein, man baut ja heute sogar, im Gedenken daran alles wieder hin. Diese Unkenntnis können Sie beobachten, Sie brauchen nur die entsprechenden Foren aufsuchen.
Es ist übrigens bezeichnend, dass die Schlossbefürworter (wie bspw. Ihr Vorgänger hier) die Gegner der Scham ihrer Kultur bezichtigen, was natürlich Unsinn ist.
Das Bauhaus war nicht prinzipiell gegen das Ornament, in viele Richtungen wurde dort experimentiert, von vielen Künstlern. Auch in den Ideen Le Corbusiers steckt Ästhetik, der Baukörper selbst bildet den Bestandteil.
Es gibt zudem etwas Fundamentales, was uns von allen Epochen zuvor unterscheidet, und das ist die Industrialisierung.
Das Ornament industriell gefertigt zu wiederholen wurde bereits versucht, und ist auch heute noch möglich, mit allen Folgen für das Stadtbild. Die große Zeit des Handwerks ist allerdings vorbei, davon könnte ich ein Lied singen. Individualanfertigungen bezahlt niemand so, dass man davon leben könnte, jedenfalls nur die wenigsten.
Hinsichtlich der Römer sprach ich auch von Architektur, erkunden Sie weiterhin das, was hinter den Fassaden liegt.
Wenn Sie sich umschauen, können „die“ Architekten eben nicht das machen was sie wollen. Oben habe ich geschildert w e r Einfluss auf die Architektur hatte und hat. Denken Sie doch einmal an den Wettbewerb zum Schloss.
Wir sind am Ende wieder beim Thema: “Was kann ich mir vorstellen, was, daraus folgend, gibt mir „Sicherheit“, was macht mir Angst.
Viele Grüße