Kreuzberger
schrieb am 1. April 2010
um
22:58
Herr Hartmann, ich muß ihnen leider insofern widersprechen, als ich den Wiederaufbau der Domkuppel als eine Rekonstruktionsmaßnahme ansehe und eben nicht als eine aus welchen Gründen auch immer zulässige Neuinterpretation des ursprünglichen Baukörpers, wie sie uns in ähnlicher Form mit der \"Wiedererrichtung\" des Stadtschlosses bevorsteht.
Was Sie hier verteidigen, ist eigentlich ein genereller Freibrief zur Geschichtsverfälschung, wenn Sie der breiten Masse der Besucher unterstellen, ohnehin kein Interesse an Authentizität zu haben und sich mit einer fragwürdigen, aber wohl gefälligen Fotogenität zufrieden zu geben.
Der gesamte Bereich der Kunst und des Kunsthandwerks unterliegt zu Recht der selbstverständlichen Verpflichtung, Artefakte aller Art zu konservieren, sie nach neuesten Erkenntnissen zu restaurieren oder bei Bedarf in möglichst zurückhaltender Weise zu rekonstruieren.
Stellen Sie sich bitte einmal ein solches Vorgehen wie an der Domkuppel bei Gemälden, Bilderrahmen oder Plastiken vor. Undenkbar!
Daß die breite geschmackliche Nivellierung auf immer tieferem Niveau schon zu Beginn der Industrialisierung einsetzte, ist klar. Dennoch war das Gebrauchsdesign noch lange in enge Korsetts gebunden und alles war noch irgendwie miteinander kompatibel. Bis zum Spätbiedermeier war es sogar recht schwierig, Disharmonien zu erzeugen. Die Fabriken boten einfach noch nicht diese Riesenauswahl an Designmüll, wie sie es heute tun 🙂
S.Hartmann
schrieb am 1. April 2010
um
15:41
@Kreuzberger
Ich bin mit Ihnen d\'accord was den Geschmackssinn und die Verkitschung in der Gesellschaft angeht. Nur ist dies nicht unbedingt ein modernes Phänomen(man denke an die billigen Kopien und Verkitschungen des 19.Jahrhunderts). Nur in seiner Ausprägung hat sich das Phänomen durch die Produktionstechniken gesteigert.
Was den Dom anbelangt halte ich die jetzige Kuppel gelungen, weil Sie in Ihren Formen und Proportionen als Einheit wirkt. Ohne das Hintergrundwissen der Geschichte, welches leider viele Besucher nicht haben, erhällt man den Eindruck es wäre schon immer so. Da die Kuppel ein fast kompletter Wiederaufbau ist, der Jahrzehnte auf sich warten liess, halte ich es für durchaus berechtigt eine abgeänderte Form zu verwenden.
maus
schrieb am 31. März 2010
um
11:32
@Mitte ins Herz
Nun wer den Faden hier unten liest erkennt doch wie Begriffe, die aber leider kaum hinterfragt wurden, “gebetsmühlenartig” immer wieder von neuem auftauchen, allerdings ohne sie weiter ausführen zu können als dahingehend zu sagen: „Das ist schön“.
Während andererseits immer neues Material zum Nachdenken angeführt werden kann, wie bspw. die Arbeiten von Dieter Wieland.
Mit Ihrem Statement hier unten relativieren Sie aber nur scheinbar.
Aber zur Erinnerung, wie der
„Kampf um die größtmögliche Umsetzung einer Annäherung an die wunderschöne alte Formgebung“ aussieht (um Ihre Worte zu gebrauchen), wiederhole ich noch einmal das, was Sie scheinbar keine „Nerven“ gekostet hatte.
Zitat:
„Ich nenne das \"architektonisches Parasitentum\", was die \"Moderne\" heute verbricht. […]“
„…um sich dort dann parasitär (gleich einem Wirtskörper, den sie befallen kann) in den Vordergrund spielen zu können…“
„…sich selbst auferlegtem Dictus, keine Kleinteiligkeit, keine Verspieltheit, keine Zurückhaltung, vor allem aber: Schönheit ist Sünde! ...“
„…peinliches Degenerationsstadium …“
„ … deshalb drängt sie sich in den Vordergrund, wo immer sie vom Glanz vergangener Epochen profitieren kann…“
***
Politische Entscheidungen wurden auch auf Grund von Manipulationen dieser Art getroffen. Verzeihen Sie, aber es gibt viel zu wenig Menschen, die Einspruch erheben, vor allem jene, die es wissen müssten. Auch wenn sich das Projekt im Bau befindet, ist es gut und richtig, solche Äußerungen nicht unkommentiert stehen zu lassen, sonst käme der Leser noch auf den fatalen Gedanken hier allgemeinen Konsens wahrzunehmen.
***
Zitat (2108):
„Dort in Spanien, in Toledo
Sprengte man den Alcasar
Aufgebaut ist er als Credo:
Spanien, neu und wunderbar!“
De Alcazar Taucht auch hier als Beispiel auf: http://berliner-schloss.de/de/Rekonstruktionen.htm
***
Vielleicht hat der Leser aber einmal nachgesehen, zu welchem „medienwirksamen Zweck“ der Wideraufbau (im Jahre 1940!) genutzt wurde.
S.4-7: http://www.awro.wiso.uni-erlangen.de/artikel/brinkmann01.pdf
von dieser Seite: http://www.awro.wiso.uni-erlangen.de/
Interessant ist die propagandistische Verwertung, auch im Deutschland der 30er und 40er Jahre. http://de.wikipedia.org/wiki/Belagerung_des_Alc%C3%A1zars_von_Toledo
http://de.wikipedia.org/wiki/Erinnerungskultur
http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichtspolitik
***
Was lassen Sie den Leser über „Alcazar“ und „das Parasitentum der Moderne“ hinaus weiterhin wissen, was zum „Kampf um die größtmögliche Umsetzung einer Annäherung an die wunderschöne alte Formgebung“ beitragen mag?
Grüße
MitteinsHerz
schrieb am 31. März 2010
um
9:42
...Ok, man möge mir den u.a. vermeintlich platitüdenhaft wirkenden Zynismus nachsehen. Die hier eeewig von Neuem aufgenomenene Grundsatzdiskussion \"Wiederaufbau Stadtschloss oder moderne Architektur inmitten geballten Klassizismus\" an dieser exponierten Stelle fasst mich persönlich, nach Monaten nervenschleifenden Hin-und Her´s, nunmehr ein wenig an, muss ich konstatieren. Auch bitte ich um Nachsicht in der Ungehörigkeit, ohne Gruß aus dem Beitrag gegangen zu sein, denn auch bei allem Ärger, ein Grundverständnis von Höflichkeit sollte, gerade in diesem illustren Kreise gewahrt bleiben.
Nichtsdestotrotz bleibt die INTENTION meiner Aussage die GLEICHE: Der Fakt des Wiederaufbaus eines Stadtschloss-\"artigen\" Gebäudes (in welcher letztendlich abgesicherten Form auch immer) ist und bleibt eine politisch beschlossene und unabänderliche Sache. Allein der Kampf um die größtmögliche Umsetzung einer Annäherung an die wunderschöne alte Formgebung scheint ein Langwieriger zu werden. Da KANN man in meinen Augen nicht, zumindest nicht AN DIESER STELLE, immer wieder in eine gebetsmühlenartige Diskussionen um das grundsätzliche Für und Wider von Geschmacksausrichtungen zurückfallen. Das kostet unsäglich, und vor Allem unnötig, Zeit und Nerven, die an DIESER Stelle eben für die nächsten wichtigen Schritte einer konstruktiven Projektförderung in der Sache ansich aufgewendet werden sollten.
Mit freundlichem Gruß
MitteinsHerz
Kreuzberger
schrieb am 31. März 2010
um
0:42
Herr Hartmann, ich kann mich erinnern, daß Sie die kitschig-geschmäcklerische 60er-Jahre-Bekrönung der Domkuppel einmal als \"schön\" und angemessen verteidigt haben.
Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, daß man in solchen Fällen nicht gegenargumentieren kann, ohne die ästhetische Sozialisation seines Gegenübers komplett in Frage zu stellen, weswegen ich die Sache auf sich beruhen ließ.
Inzwischen bin ich aber der Meinung, daß man gerade solch krasse Fälle fahrlässiger und unüberlegter Entwertung historischer Bausubstanz anprangern muß, wo immer sie einem begegnet.
Man trifft sie auf Schritt und Tritt und wenn es nur hässliche Baumarkt-Beschläge an aufwendig getischlerten Gründerzeit-Türen sind. Unsere Gesellschaft ist ästhetisch dermaßen entsensibilisiert und von unserer marktmächtigen Kitschindustrie so gehirngewaschen, daß Feinabstimmungen in Form, Farbe, Stil und Material für die Gestaltung des öffentlichen Raums längst routinierten Bürokraten überlassen werden können, deren Designhorizont über Ikea, Obi und Domäne nicht hinausgeht.
Man kann Schönheit durchaus definieren. Nicht exakt, aber in einem gewissen Rahmen. Zuerst muß man aber lernen zu sehen.
\"Die gemordete Stadt\" ist aktueller denn je!
FreiburgerJurist
schrieb am 30. März 2010
um
16:25
@ S.Hartmann
Die Wahrscheinlichkeit der subjektiven Schönheit eines Bauswerks nimmt nur leider seit 1900 exponentiell ab. Es mag sein, dass es Beispiele für schöne Moderne gibt, aber ich glaube, dass es dagegen hunderte Gegenbeispiele der klassischen Architektur gibt.
@ Maus
Und noch ein Tipp: Werten Sie unser subjektives Empfinden für Schönheit bitte nicht als Dummheit. Mit ihren intellektuellen (leider nicht intelligenten) Ausschweifungen machen Sie kein Stück Boden bei jemandem gut, der einmal die Geschichte, die Schönheit und Eleganz des Berliner Stadtschlosses erfasst hat.
@MitteinsHerz
Danke für Ihren zynischen Beitrag, der leider aus ideologischen Gründen nicht von allen hier so gewürdigt werden kann. In der Sache haben Sie Recht und deshalb versucht man Sie über bestimmte Wörter zu widerlegen, was aber nicht gelingen wird.
S.Hartmann
schrieb am 30. März 2010
um
12:17
@ MitteinsHerz
nun melde ich mich auch mal wieder. Diesmal zurück im \"schönen Paris\". Dem schönen Paris, mit der stinkenden Metro, den schimmelnden dunklen Häusern, deren Fassade zwar ornamental glänzt aber für viele Wohnungen im Inneren schlechte Bedingungen liefert.
So genug kritisiert, da ich ja doch ganz gern hier lebe.
Packen Sie mal Ihre beiden Zitate:
\"die \"Maus\" ist wieder ihrem puristischen beengtem Loch entkrochen\"
und
\"1. Barock, Klassizismus, Wilhelminisch, Jugendstil, Stuckatur, Sandstein, Blattgold, Putten, Säulen, Schwünge, Resalite, Symetrie usw. = SCHÖÖÖN!!!\"
zusammen.
Dabei sollte Ihnen auffallen das auch Sie einen sehr beengten Begriff von Schönheit haben. Es ist doch nicht vom Material oder Stil abhängig ob etwas schön ist, sondern in seiner Komposition und qualitativen Umsetzung.
Ich habe einfachste urtümlichste Hütten in Afrika gesehen, bis zu hochmodernen Bürohäusern und ich finde in jeder Kategorie schöne Beispiele.
Daher ist das Argument Schönheit in Bezug auf dieses Projekt einfach fehl am Platz.
Das Schloss war schön- ein Neubau könnte schön sein.
maus
schrieb am 30. März 2010
um
9:17
@Mitte ins Herz
Hier ist ein öffentlicher Ort, und besonders Sie lassen sich, und dass ist Ihren Beiträgen mehrheitlich zu entnehmen, auf ein gewisses „Schlammschlachtniveau“ herunter. Wenn es Ihnen nicht möglich ist mehr beitragen zu können als jenes, was der Leser hier unten bemerken kann, tut mir das Leid.
***
Was Ihnen allen gemeinsam anzumerken ist, dass Sie recht schnell in persönliche Diffamierungen verfallen, nun das passiert mitunter, wenn keine Argumente vorhanden sind …
Ich schreibe hier nicht aus Prinzip, eigentlich ist es die Zeit nicht wert, aber man äußert sich öffentlich.
Worte wie „architektonisches Parasitentum“, „Verbrechen“, „Wirtskörper“, und weitere Plattitüden sind, Sie möchten entschuldigen, ziemlich dümmlich.
Eigentlich wiederholen Sie Ihre eigenen subjektiven Meinungen, können diese aber weiter nicht untermauern. Solange Sie sich nicht mit Lektüre auseinandersetzen, oder vielleicht einmal auf Reisen gehen, einmal mit Menschen sprechen usw., oder über sich selbst nachdenken, werden Sie aus sich Ihrer festgefahrenen Position nicht herausbewegen können, weil Sie diese nicht von außen sehen können.
Grüße
MitteinsHerz
schrieb am 30. März 2010
um
7:22
Herr, wirf Hirn vom Himmel, die \"Maus\" ist wieder ihrem puristischen beengtem Loch entkrochen!
@maus:
Um in Ihrer architektonisch, minimalistischen Formensprache zu bleiben:
Für uns hier:
1. Barock, Klassizismus, Wilhelminisch, Jugendstil, Stuckatur, Sandstein, Blattgold, Putten, Säulen, Schwünge, Resalite, Symetrie usw. = SCHÖÖÖN!!!
2. Moderne, Bauhaus, Purismus, Betonklötze, Stahlbeton, riesige Glasfronten, Klotzformen schlechthin usw. = ABGRUNDHÄSSLICH!!!!
...Bumms, Aus - Nikolaus!!!!
Cappice? Angekommen? Auch geistig umgesetzt? Schlussfolgerung für SIE HIER nachvollziehbar???
...Kleiner Tip: FALSCHER ORT FÜR IHRE GEISTIGEN ERGÜSSE!!!!
Ohne Gruß und verbunden mit der Hoffnung auf ein Nimmerwiederlesen.
FreiburgerJurist
schrieb am 29. März 2010
um
13:54
Sehr lustig wieder mal von meinem Lieblingsgegner zu lesen. Aber ich verspüre keine Lust darauf ellenlang zu antworten, da es sich bei Ihnen ja sowieso nicht zu lohnen scheint.
Darum nur ein paar Anmerkungen für die anderen Leser:
1. Ihre Vergleiche mit dem Ausland mögen ja stimmen, nur haben Sie dabei die Zerstörung der deutschen Innenstädte vergessen. In Paris oder London verträgt die Stadt Neubauten hier und da, aber 100 historische Bauten umher fangen dies wieder auf. Auf der grünen Wiese gerne, aber nicht in unseren sowieso geschundenen Stadtkernen (Bitte keine Anmerkungen, dass die Deutschen ja selbst schuld sind, da ich und fast alle anderen Rekonstruktionsbefürworter ganz sicherlich nicht schuldig sind).
2. Das Bauhaus ist eine Katastrophe für die Architekturwelt gewesen. \"Funktionalistät ist Schönheit\"; mein Billy-Regal funktioniert, ist aber noch lange nicht schön. Ein Denkfehler in einem Gedankenkonstrukt einer kleinen Intelektuellengruppe. Kunst entsteht indem man etwas erschafft, nicht dadurch dass man etwas weglässt, denn das kann jeder. Die Moderne ist sehr wohl in der Krise, weil sie jetzt nichts mehr weglassen kann ohne an den Säulen der Funktionalität zu sägen. Meine Vorredner haben sehr wohl recht, dass sich die Moderne nur noch im Kontrast zu historischen Bauten in Stellung bringen kann oder durch ihre reine Größe Eindruck machen will. Ein kleines modernes Sparkassengebäude kann nicht und wird auch nie mit einem historischen mithalten können.
Erst wenn die Architekten sich wieder auf die alten Formsprachen rückbesinnen, die Symmetrie hochhalten, den Goldenen Schnitt als Lehrmeister haben und das Ornament nicht mehr als Feind ansehen, werden sich Neubauten mühelos in unsere Städte einfügen.
maus
schrieb am 29. März 2010
um
12:23
Es hilft über Architektur vorher erst einmal nachzudenken, und etwas zu lesen, oder sich anzuschauen. (nicht nur in Deutschland)
Unabhängig davon gab es einmal eine Sendereihe, mit dem Namen „Topographie“ von Dieter Wieland.
http://www.br-online.de/bayerisches-fernsehen/topographie-DID1188596780/topographie-wieland-architekt-ID661188596778.xml
Wer nun meint, mit reproduzierten Schloßfassaden oder Kuppeln im Sinne des gen. Autors ein „gutes Werk“ zu vollbringen täuscht sich jedoch, und hat eigentlich nicht verstanden worum es geht.
Das Motto eines Kapitels seiner Sendereihe lautete bspw. „Bauen und Bewahren“. Etwas bewahren lassen, hätte sich aber in Berlin, lediglich vor etwa 50 Jahren, bzw. weitere 30 Jahre zuvor, mit entsprechender polit. Weichenstellung …
Die Moderne „gescheitert“? – Alles verändert sich, auf die Moderne werden auch künftig Architekturen aufbauen, ohne die man schon heute nicht mehr auskommt.
Was wissen Sie denn über die Moderne? – Wenn man Ihre Beiträge liest erkennt der Leser leicht, dass Sie eigentlich gar nichts wissen.
Wahrlich, es gibt sehr viele schlechte Architektur, wobei Sie das an Beton, und Moderne nur bedingt festmachen können. Fest steht, dass „Kultur“ und „Kunst“ in der breiten Masse unseres Bürgertums scheinbar nicht angekommen sind, wie Sie bspw. an so manchem Sparkassengebäude in der Provinz, und vielen anderem erkennen können.
Glauben Sie die Moderne darauf reduzieren zu können? Lesen Sie doch erst einmal was das Anliegen des Bauhauses eigentlich war, sofern man von nur einem Anliegen überhaupt sprechen kann.
Zu einem breiten Bewusstsein hinsichtlich guter Kunst und Kultur, speziell Baukultur ist es in Deutschland nicht gekommen, dass hat seine Ursachen in den gesellschaftlichen Entwicklungen, und Geschehnissen in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts.
Diese hat man nicht verwunden, sondern nur verdrängt, bis auf den heutigen Tag.
Das Thema „heile Welt“ gab es ja schon einmal.
Auch D. Wieland hat darüber berichtet:
http://video.google.com/videoplay?docid=-7653672457074653046#
Die gezeigten Gebäude sind neu. „Rekonstruktionen“ im Sinne ihrer Erbauer, die vermeintliche Vorstellung von „heiler Welt“, die irgendwo in einer diffusen Vergangenheit liegen soll.
Wohlgemerkt, das „Bürgertum“, der Mittelstand hat es vorgemacht, jene, ja sooft personengleich mit Bürgermeister, Gemeinde- oder Stadtrat. Der gleiche Personenkreis, der das letzte Wort hatte bei Ortsbebauungen und Gestaltungsplanung. Hand in Hand ging/geht das mit Immobilienfirmen, denen es durchaus nicht um gute Gestaltung geht, sondern wieder um den „Geschmack“ der Masse, und damit um garantierte Umsätze.
Berlin, eine Nummer größer, mit Schloßfassaden ist davon nicht weit weg. Tourismus ist doch das Wort was man hier immer anführt.
Was für ein Architekturverständnis glauben Sie, hat man denn ab den 60ern befördert? Welche „Architekten“ hat man denn so bauen lassen? Diese Eigenheime besitzen gewiss nicht das Innenleben des 18./19.Jh., wie auch die Schlossfassaden nur Deko-Elemente bleiben werden.
Ich möchte nur betonen, dass es am Verständnis der Bauherren liegt.
In anderen Regionen Europas ist es übrigens schon weitaus früher gelungen Kleingeistigkeit ablegen.
Grüße
Oli
schrieb am 26. März 2010
um
12:24
@ Kreuzberger:
Ich nenne das \"architektonisches Parasitentum\", was die \"Moderne\" heute verbricht. Die Moderne hat auf ganzer Linie versagt. Sie sucht sich gezielt \"Altertümchen\", Gebäude und architektonische Glanzpunkte der Vergangenheit, um sich dort dann parasitär (gleich einem Wirtskörper, den sie befallen kann) in den Vordergrund spielen zu können. Nur aufgrund der vorhandenen Substanz nimmt man sie wahr. Unsere Architektengilde verkauft uns diese Armseligkeiten dann stets als \"Spannungsfeld zwischen Moderne und Kistorie\" oder ähnlich.
Für mich ist das eine ganz gezielte Vergewaltigung! Hat denn umgekehrt schon einmal jemand daran gedacht, einen dieser protzigen 0-8-15 Betontempel mit einem klassizistischem Anbau zu versehen? Undenkbar!
Es ist im Grunde ganz banal: Die Formensprache der modernen Architektur unterliegt einem sich selbst auferlegtem Dictus, keine Kleinteiligkeit, keine Verspieltheit, keine Zurückhaltung, vor allem aber: Schönheit ist Sünde!
Was also soll man da erwarten? Die können (und wollen) gar nicht anders!
Kreuzberger
schrieb am 24. März 2010
um
22:27
Die Schloßdebatte hat immerhin gezeigt, daß es nicht zum Besten steht mit unserem Kulturverständnis.
Die Moderne hat inzwischen ein ebensolches peinliches Degenerationsstadium erreicht wie die Formensprache der klassischen Antike um 1890.
Und gerade deshalb drängt sie sich in den Vordergrund, wo immer sie vom Glanz vergangener Epochen profitieren kann.
Es ist ein Trauerspiel!
Paul
schrieb am 24. März 2010
um
10:58
Wenn das Schloss steht,
werd ich vielleicht endlich
meinen immer noch latent vorhandenen
Ärger über den Abriss durch Ulbricht
und Co. begraben können.Warten wir auf 2016.
waldmann
schrieb am 8. März 2010
um
9:39
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2009/04/2009-04-22-stadtschlossstiftung.html
\"Die Schlosskuppel wird sogar originalgetreu wieder aufgebaut.\"
So steht es noch auf der Regierungshomepage. Na ja,abwarten und Tee trinken.
Reinhard Rupsch
schrieb am 7. März 2010
um
12:06
Stadtschloss nicht \"statt Schloss\"
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Dort in Spanien, in Toledo
Sprengte man den Alcasar
Aufgebaut ist er als Credo:
Spanien, neu und wunderbar!
Moskaus Kreml wurde zweifach
Aus der Asche aufgebaut
Wär´ die Stadt denn noch die Gleiche
Würd´ auf Glas und Stahl geschaut?
Selbst Venedig sah mit Schrecken
Seinen Campanie stürzen
Wär´ der Marcusplatz der selbe
Würde Stahlbeton ihn würzen?
Wenn Berlin statt all´ der Blöcke
Rastermaß und Spiegelgas
Neubarocke Pracht vorzöge
Böt´ die Mitte viel mehr Spaß!
Laßt uns Neues schön gestalten
Hehr im Werk, verspielt im Stuck
Helft Berlin den Charme erhalten
Schenkt der Hauptstadt DIESEN Schmuck!
Zusammenfassung:
Wachtelbrust statt Currywust
Reinhard Rupsch, 2002
waldmann
schrieb am 7. März 2010
um
11:20
Zitat: \"Es wäre schlichtweg ein Witz, bei ca. 500 Mio. die paar Millionen einsparen zu wollen. Es ist ein Jahrhundertbauwerk, das sollte man bedenken. Das Schloß ohne historische Kuppel ist Unsinn.\"
Das stimmt, aber in Berlin baut man ja auch (wegen eines albernen Fußballturniers) einen verkürzten Hauptbahnhof.
FreiburgerJurist
schrieb am 4. März 2010
um
13:31
Ich hatte schon in einem älteren Kommentar gesagt, dass der Förderverein nach Errichtung des Schlosses in einen neuen Verein überführt werden sollte. Dieser \"neue\" Verein setzt sich für die Rekonstruktion aller Teile des Schlosses ein, die ohne Eingriff in die bestehende Bausubstanz möglich wären. So könnte man den Apothekerflügel, die Innenräume, die Schlossterassen, die Attikaskulpturen und die Laternen neben der Schlosskuppel wiedergewinnen. Ich hoffe Herr Boddien liest dies, denn ich halte ihn für den geeigneten Geschäftsführer für diesen Nachfolgeverein, da er die nötige Motivation und die Kontakte zur Politik mitbringt. Dies ist aber noch nicht aktuell, da wir jetzt wirklich alles daran setzen müssen, dass wir so viel Schloss wie möglich bekommen.
berlinfreund
schrieb am 4. März 2010
um
6:02
Wir sollten uns auf die verbleibenden \"Schlachtfelder\" konzentrieren. Der Riesen-Schuhkasten auf der Spreeseite ist die Kröte, die wir schlucken müssen, da ist nichts mehr zu ändern. Seht es doch endlich ein.Das Wünschbare ist nicht immer das Machbare, oder wir verlieren alles.
Alle Kraft sollte hingegen auf die Verwirklichung der historischen Kuppel gelegt werden, denn die will Bauminister Ramsauer (ein Ur-Bayer in Preußen!) ja auch noch streichen. Hier gibt es parteiübergreifend Verbündete. Darauf alle Kraft konzentrieren. Es wäre schlichtweg ein Witz, bei ca. 500 Mio. die paar Millionen einsparen zu wollen. Es ist ein Jahrhundertbauwerk, das sollte man bedenken. Das Schloß ohne historische Kuppel ist Unsinn. Das sieht sogar Wowereit, der Tagesspiegel und der RBB ein.
Kreuzberger
schrieb am 3. März 2010
um
23:20
Solange die idiotische Planung, historische Fassaden zu errichten und diese durch stillose modernistische Zugaben gleich wieder zu entwerten, nicht vom Tisch ist, wird sich auch die Spendenbereitschaft in bescheidenen Grenzen halten.
Idiotie ist ein noch zu harmloser Ausdruck für das, was sich hier als vorläufiger Höhepunkt, besser gesagt Persiflage unserer Architekturgeschichte abzeichnet.