Rede Dr. Antje Vollmer,  Bundestagsvizepräsidentin, (Bündnis 90 / Die Grünen ) im Deutschen Bundestag am 3.12.2004 (zu Protokoll gegeben)

Abriss Palast der Republik

Sehr geehrte Damen und Herren,

an dieser Stelle  wurde am 4. Juli 2002 mit überrraschender und Aufsehen erregender Klarheit der Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses an ursprünglicher Stätte beschlossen. Dieser Beschluss steht und es ist nichts mehr an ihm zu rütteln! Gerade deswegen kommen mir die immer neuen Parlamentsbeschlüsse, die Sie, liebe Kollegen von der CDU/CSU anstreben, ziemlich kontraproduktiv vor. Und nicht nur das: Mit der wiederholten Bekräftigung längst gefasster Beschlüsse entwerten wir frühere Abstimmungen, anstatt sie aufzuwerten. Das hat etwas von ständig vorgebrachten Liebesbekundungen, bei denen ja auch der Verdacht entstehen kann, dass der Sprecher sich über seine eigenen Zweifel hinwegreden will – so als ob er sich selber nicht so recht traue.

Aber es sollte keine Zweifel an der Richtigkeit der demokratischen Autorität des Bundestagsbeschlusses zum Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses geben! Aus diesem Grund, nicht aus inhaltlichen Gründen, lehne ich den vorliegenden Antrag ab. Bis auf die Forderung eines Einheits- und Freiheitsdenkmals auf dem Sockel des alten Nationaldenkmals – meine Erachtens eine unnötige und illusorische Verkomplizierung des Verfahrens – stimme ich dem Antrag inhaltlich in vielem zu.

Nur ist in der derzeitigen Situation die Bundesregierung der absolut falsche Adressat für die berechtigte Beschwerde, das die Umsatzung des Bundestagsbeschlusses zu langsam voran geht. Wie wir alle wissen, hängt das Verfahren in den Berliner Landesbehörden fest. Das liegt an einer Mischung aus Unfähigkeit und Unwillen: Der Fehler beim rechtsstreitig gewordenen Vergabeverfahren für den Abriss des Palastes der Republik ist nur einer von vielen handwerklichen Fehlern des Berliner Senats. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um sie in den Zusammenhang mit den nostalgischen Äußerungen des Berliner Kultursenators zu stellen, wonach der Palast ein „utopisches Zukunftsmodell“ sei.

Denn dass im  Berliner Senat auch sonst sehr lax mit dem Bundestagsbeschluss umgegangen wird, ließ sich aus Zeitungsmeldungen der letzten Tage über die vom Förderverein Berliner Schloss e.V. beantragte und privat finanzierte Infobox entnehmen: Offenbar zeigt der Berliner Senat hier keinen Kooperationswillen, obwohl im Bundestagsbeschluss 2002 die Notwendigkeit privater Spenden ausdrücklich betont wurde!

Ich verstehe nicht, wie man in Berlin mit bürgerschaftlichem Engagement umgeht, und auch nicht, wie man die touristische Attraktivität einer solchen Informationsstätte ignorieren kann.

Zu den Verzögerungen hat auch der Hauptstadtkulturfonds einiges beigetragen: Mit der Förderung eines Kessels voller bunter Szene-Events im Palast der Republik hat er diesen Bau aufgewertet und praktisch versucht, den Bundestagsbeschluss zu unterhöhlen. Doch der kultige Zeitgeist neigt sich nun zum Glück dem Ende entgegen: Selbst die taz, eine Zeitung, die jener „Szene“ nahe steht, in deren Namen der Hauptstadtkulturfonds und der „Verein Zwischenpalastnutzung“ zu handeln behaupten – stellt fest, dass der Neuigkeits- und Qualitätsstandard bereits sinkt. Ich zitiere die taz vom 11. November 2004:

„In den enormen Ausmaßen des Hauses schrumpfte so manches aufgeplustert angekündigtes Kunstwerk zum Kunstzwerg (…) Die Kunst wirkte jedoch meist wie eine Mücke, die einen Elefanten zu stechen versucht. Am besten funktionierte der Palast als Großraumdisko oder Event-Location. Der Mythos der Ortes hatte sich schon nach kurzer Zeit verbraucht.“ Der Artikel schliesst, in dem er die historische Absurdität dieser Kulturevents beim Namen nennt :“1990 wählte die DDR die D-Mark und Helmut Kohl. Jetzt wollen Westler Honeckers Palast als Symbol der deutschen Hauptstadt erhalten.“

Also können wir uns nun endlich primär um die verwaltungsmäßige Umsetzung des Bundestagsbeschlusses kümmern. Jedoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es noch mal: Dazu brauchen wir nicht ständig neue Abstimmungen, sondern vor allem den Willen der Berliner Landesregierunmg, sich verantwortungsbewußt an den eindeutigen, nun zweieinhalb Jahre zurückliegenden Bundestagsbeschluss zu halten.