Stahlverstärkte Holz-Portalfenster für das Berliner Schloss

15.01.2018

Von Felix Bildau

Beim Neubau des Berliner Schlosses wird der überwiegende Teil der Fassade nach dem Vorbild der historischen Barockfassade rekonstruiert. Deren Holzfenster tragen maßgeblich zum Gesamteindruck bei. Planung, Bau und Montage der Portalfenster übernahm die Berliner Bildau & Bussmann GmbH.

 

Die Planung und Herstellung der Portalfenster für das Berliner Schloss gilt als eines der derzeit technisch anspruchsvollsten Projekte im Holzfensterbau in ganz Europa. Der Auftrag für die Holzfenster wurde vom Bauherrn in zwei Losen vergeben. Zunächst wurden die in der Abmessung und Gestaltung relativ baugleichen Fenster der umlaufenden Fassade beauftragt und anschließend die in Form und Art sehr unterschiedlichen Fenster der dem Baukörper vorgesetzten sieben Portalfassaden.

Kastenfenster: außen historisch, innen modern

Die auf historische Holz- und Holz-Alu-Fenster spezia­lisierte Unternehmensgruppe Bildau & Bussmann erhielt im Februar 2016 den Auftrag zur Planung und Fertigung der Fenster für die sieben Portalfassaden über den Hauptauftragnehmer Implenia (vormals Bilfinger Fassadentechnik). Es handelt sich hierbei um insgesamt 110 Elemente, die jeweils aus einem Außenfenster und einem Innenfenster bestehen, die über einen breiten, umlaufenden Rahmen zu einem Kastendoppelfenster verbunden sind.

Die gesamte Fensterkonstruktion ist in einer Stahlzarge verankert, die wiederum mit dem Baukörper verbunden ist. Das Außenfenster dient zur Umsetzung der ästhetischen Ansprüche an die historische Fassade und das Innenfenster zur Erlangung aller klimatischen und sicherheitsrelevanten Anforderungen für einen modernen Museumsbau.

 

Nicht sichtbare Stahlverstärkungen

Die Fenster sind mit sechs verschiedenen Profilsystemen ausgeführt, da es im historischen Verlauf beim ursprünglichen Schlossbau, der sich über mehrere Jahrzehnte hinzog, durch unterschiedliche Baumeister verschiedene Konstruktions- und Profilvarianten gab.

Glücklicherweise wurden die historischen Fenster vor dem Krieg akribisch durch Fotos und Zeichnungen dokumentiert, so dass die Architekten beim Entwurf der historischen Rekonstruktion der Fassade auf umfangreiches Material zurückgreifen konnten.

Neben der historischen Gestaltung stellen die Abmessungen von bis zu 9 m Höhe und 5 m Breite und damit über 45 m2 Fläche pro Fenster eine außerordentlich Anforderung dar. Um die enormen Windlasten, die auf derartig große Fensterflächen einwirken, aufzufangen, sind die Fenster mit zahlreichen Stahlverstärkungen ausgestattet, die zur Wahrung der historischen Optik bei den Außenfenster unsichtbar im Holz eingelassen sind. Sämtliche Riegel, Pfosten und Sprossen wurden durch nicht sichtbare Stahlverstärkungen zur Aufnahme hoher Druck- und Soglasten vorbereitet. Bei den funktionalen Innenfenster durften die Stahlverstärkungen auch teilweise sichtbar montiert werden, wobei sie sich in der optischen Formgebung den Holzprofilen soweit anpassen sollten, dass sie für den Betrachter kaum wahrnehmbar sind. Insgesamt wurde pro Fenster zum Teil über 1 t Stahl verbaut.

Gleitende Lager

Alle Stahlverstärkungen sind „schwimmend“ gelagert, um das unterschiedliche thermisch bedingte Dehnverhalten der Materialien Holz und Stahl zu kompensieren und eine Geräuschbildung sowie Brüche und Risse bei Temperaturschwankungen zu unterbinden.

Hierfür mussten spezielle Konsolen mit Gleitfunktionen zur Entkoppelung zwischen Fenster und der im Mauerwerk eingelassenen Stahlzargen entwickelt werden. Innerhalb der Holzfenster mussten die Stahlteile zudem gleitend montiert werden, da allein durch die großen Spannweiten der Holzprofile schon innerhalb des Fensters erhebliche thermisch bedingte Spannungen auftreten.

 

Für die Rahmenprofile wurde hochwertigstes europäisches Eichenholz eingesetzt, das in bis zu sechs Lagen mit stehenden Jahresringen verleimt ist. Die Abmessungen der einzelnen Lamellen der Rahmenprofile sind an die optischen und statischen Erfordernisse angepasst. Die Verleimung führten die Fensterbauer partiell mit duroplastischen Leimen aus, um eine weitere Optimierung der Stabilität der Rahmenprofile zu erreichen. Alle Gläser bestehen aus vorgespanntem Sicherheitsglas und sind umlaufend mit den Rahmenprofilen über eine elastische Verklebung dauerhaft verbunden. Das außergewöhnlich hohe Gewicht der Fensterflügel mit teilweise über 200 kg in Kombination mit hohen Flügelbreiten wird durch Sonderbänder aufgefangen, die aus ästhetischen Gründen weitgehend in die Rahmenhölzer eingelassen sind. Alle Eckverbindung der Fensterflügel sind zudem durch jeweils zwei massive Stahlwinkel, die unsichtbar im Glasfalz eingelassen sind, verstärkt.

Aufwendige Planung und Logistik

Den sicherheitstechnischen Anforderungen für einen Museumsbau wird durch eine umfangreiche elektronische Verriegelungsüberwachung aller Flügel der Innenfenster Rechnung getragen. Hinzu kommen Glasbruchmeldesysteme für alle Scheiben der Innenfenster, so dass teilweise pro Fenster mehrere 100 m Kabel verlegt werden mussten.

Alle Komponenten der Fenster von der historischen Profilierung über die Stahlverstärkungen bis hin zu den Sonderformen bei den Beschlagsteilen wurden in einem monatelangen Planungsprozess zwischen dem Architektenteam des Bauherren, der Baufirma Implenia und Bildau & Bussmann entwickelt.

Allein bei Bildau & Bussmann fielen dabei über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren mehr als 10 000 Ingenieursstunden für die Ausführungsplanung, die Fertigungsplanung sowie die Planung der Logistik für Transport und Montage der Elemente an.

Da selbst scheinbar ähnliche Fenster historisch in unterschiedlichen Epochen gefertigt wurden und dem im Zuge der originalgetreuen Rekonstruktion Rechnung getragen werden sollte, musste für nahezu jedes Fenster eine Einzelplanung vorgenommen werden, was den Arbeitsaufwand zusätzlich erheblich steigerte.

 

Fertigung in Handarbeit

Die Fertigung der historischen Außenfenster übernahm ein Team aus 12 Tischlern weitgehend in Handarbeit. Die modernen Innenfenster dagegen konnten auf einer CNC-Anlage in einem weitgehend automati­siertem Fertigungsprozess hergestellt werden. Insgesamt waren bis zu 40 Handwerker an dem Fertigungs­prozess beteiligt, der sich über fast ein Jahr hinzog.

Vor Ort wurden die Elemente durch diverse Autokräne in das Gebäude gehoben und dort mit mobilen Montagekränen bewegt. Ein Team mit zeitweise 10 Monteuren benötigte fast ein Jahr für die den Einbau aller Elemente.

Die Planung und Herstellung der Portalfenster war für Bildau & Bussmann eines der anspruchsvollsten Projekte in der bisherigen Firmengeschichte, so dass es am Ende eine spürbare Erleichterung für alle Beteiligten war, als das Projekt sowohl auf dem vom Bauherrn erwarteten Qualitätsniveau als auch im vereinbarten Zeitrahmen abgeschlossen werden konnte.

 

Textquelle: www.bauhandwerk.de 1/2 2018; Fotos: Jutta Henglein-Bildau

 

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