Peter Thelen
schrieb am 14. Juli 2004
um
13:50
Liebe Biene Maja: Wieso ist ein Schloss \"Alt\"? Es geht nicht darum, ob etwas \"alt\" oder \"neu\" ist, sondern ob es gut ist. Wieso sind denn so viele junge Leute in Amsterdam? Die Architektur dort ist viel älter als das Schloss, und dennoch hat sich in Amsterdam bereits seit den 60ern eine Jugenszene gebildet, die ihresgleichen sucht. Das \"alte\" Amsterdam, genau wie das \"alte\" Paris oder London sind hochmoderne und junge Städte. Was ist denn mit der ultra-modernen Architektur am Alexanderplatz und in Berlin-Marzahn? Ist das etwa \"was für die Jugend\"? Als ich 22 Jahre alt war (= "jung") bin ich aus diesen BEtonvierteln geflüchtet, weil ich es nicht mehr ertrug, in einer toten Betonwüste zu leben. Du sagst, es wäre \"absurd\", irgendeinen \"alten Geist\" herstellen zu wollen. Aber, ist es nicht viel absurder, Berlin durch "moderne" Architektur zu zerstören, so wie du das forderst? Und das ganze dann der Bevölkerung als "jung" und "avantgardistisch" verkaufen zu wollen? Die ganzen Modernisten, die immer mehr Betonklötze und Glaskästen für unsere zerstören Städte fordern, jegliches Ornament, jegliche Schönheit verbieten wollen, sind alles Rentner. Das Gegenteil von dem, was du sagst, ist wahr: Es sind gerade die jungen Leute, die sich für Altstädte und schöne Architektur interessieren, anstatt für hässliche "moderne" Kästen. Die Modernisten behaupten, die Menschen lebten gerne in diesen Betonsiedlungen. Aber wo ist denn in Wahrheit die Jugend? In Berlin im Prenzlauer Berg + in Kreuzberg (Altbautviertel), Amsterdam hatten wir bereits (Uraltbauviertel, mit Rennaissance-Giebeldächern), und Dresden, wo schöne \"alte\" Architektur und hässliche Betonkastenmoderne am Stärksten aufeinanderprallen,ist wohl der Beste Gegenbeweis für deine seltsame Theorie: Dort hat sich in der Neustadt,ein vollständig erhaltenes Gründerzeitviertel, seit der Wende eine Jugendszene gebildet, die sich mit Amsterdam, London und Paris messen kann, und die es nicht einmal in Westdeutschland gibt, mit Ausnahme von Hamburg und Köln. Ich komme aus dem \"modernen\" Frankfurt am Main, und dort ist: tote Hose. Aber, ist es nicht merkwürdig, dass in den ganzen \"Modernen\" Betonvierteln Dresdens nur Rentner wohnen? Wie erklärst du dir das? Ich vermute, diese leblosen ubnd anonymen, angeblich "modernen" Todeslandschaften sprechen eben eine Sprache, die nicht die Sprache der Jugend ist. Vielleicht verbringst du deinen nächsten Urlaub in Marzahn oder Kassel, wo sich nach deiner Theorie die Jugend trifft. Dort wirst du aber in Wahrheit wenig Jugend finden, denn die geht lieber - so wie ich und alle, die ich kenne - nach Prag, Venedig, Amsterdam, London und Paris, Rom und Florenz. Obwohl dies alles \"alter\" Geist ist. Verlass einmal dein Theoriegebäude und versuche, die Realität zu sehen, anstatt nachzubeten, was irgendwelche \"modernen\" Uni-Profs dir erzählen. Die Jugend interessiert sich mehr für schöne Architektur, als für primitive und brutalistische Bauklotzmoderne; mehr für Rom, Paris und Florenz, als für Kassel, Dortmund und Coventry - mehr für klassische und schöne Architektur, als für primitive und leblose Glaskastenmoderne der Spaßgesellschaft. Viele Grüße, Peter