„Zehn Millionen Euro für den falschen Zweck“

16.11.2015   Berliner Zeitung

Kommentar zu Investitionen in Berlin

Von Nikolaus Bernau

In Berlin wird in alles Mögliche investiert. Wie etwa in Bauprojekte, Stiftungen und den Bundeskulturetat. Unser Autor Nikolaus Bernau ärgert sich, dass über zehn Millionen Euro für den falschen Zweck ausgegeben werden.

Die Bürger dürfen sich über eine Steigerung des Bundeskulturetats um gut vier Prozent freuen. Staatsministerin Monika Grütters verfügt im nächsten Jahr über 1,41 Milliarden Euro: 150 Millionen Euro mehr als bislang. Die Filmförderung darf sich freuen; die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten soll ihren dramatischen Restaurierungsstau auflösen und so weiter. Auch dem Restaurant auf dem Dach des Berliner Schlossnachbaus können wir applaudieren und ebenso der Entgiftung von Objekten des Ethnologischen Museums, die ins Humboldt-Forum unterhalb dieses Restaurants einziehen sollen.

Beides sind zwar versteckte Baukostensteigerungen dieses Riesenprojekts, dienen aber auch der Nation und ihrer kulturellen Selbstvergewisserung. Ganz im Unterschied zum Etat-Posten Neptunbrunnen. Seit 1969 steht dieser Brunnen als ästhetisches Zentrum der weiträumigen Gartenanlagen zwischen Fernsehturm und Spree vor dem Roten Rathaus. Dennoch will der Bundestag nun seine Restaurierung und Rückverlagerung hin zum Schlossplatz mit zehn Millionen Euro finanzieren.

Der Bund greift damit massiv in die Planungshoheit des Landes Berlin ein. Weder Senat noch Abgeordnetenhaus haben nämlich bisher entschieden, wie sie mit dem Neptunbrunnen umgehen wollen. Sicher ist nur: Dieses neubarocke Kunstwerk ist kein nationales Symbol. Der einzige Grund für den Bund, die aktuelle Stadtverzierung zu fördern, liegt im Einfluss der Berliner Schloss- und Altstadtnachbaulobby bei Monika Grütters. Fördert der Bund etwa ähnliche Projekte in München oder Darmstadt?
Zehn Millionen Euro sind viel Geld.

Wenn der Bund der Stadt Berlin noch mehr Gutes tun will als bislang, könnte er den Etat für die Restaurierung und den Ausbau des Märkischen Museums verdoppeln. Dessen Sammlungen repräsentieren schließlich die Kulturgeschichte ganz Nordostdeutschlands und nicht nur die der Hauptstadt. Dringend müsste auch der skandalös niedrige Ankaufsetat der Berliner Staatsbibliothek aufgestockt werden.

Zudem klagen alle deutschen Museen, Bibliotheken und Archive darüber, dass ihre Sammlungen verrotten, weil viel zu wenig Geld für deren Erhalt vorhanden ist. Hier brächten zehn Millionen Euro wirklich Effekt. Den Neptunbrunnen mithilfe von Bundesgeld umzulagern, wäre indes blanke Verschwendung. Schon aus Selbstachtung sollten Senat und Abgeordnetenhaus darauf bestehen, dass das viele Geld einem sinnvollen Zweck zukommt.

 

Quelle: Berliner Zeitung, 16.11. 2015

 

 

4 Kommentare zu “„Zehn Millionen Euro für den falschen Zweck“

  1. Warum diese
    Polemik Herr Bernau?
    Lassen wir mal
    Ihre ironischen Zitate über die vielen Förderungen
    des Bundes und auch Ihre Vorschläge beiseite, dass er sich plötzlich in Landesbibliotheken
    und Landesmuseen engagieren sollte.
    Gelesen habe ich,
    dass der Bund 10 Mio. € für das Schlossumfeld bereitstellt. Das ist wohl nicht
    zweckgebunden nur für den Brunnen – und auch wenn er damit die Entscheidung für
    die Umsetzung von Neptun erleichtern will, ist das legitim, da die Gestaltung
    dieses zentralen und repräsentativen Platzes der Hauptstadt mit Recht im Bundesinteresse
    liegt. Damit hat der Bund also keinen unzulässigen Druck ausgeübt. Umgekehrt
    haben diejenigen, die ohne Einbeziehung der Bevölkerung die Breite Straße mit
    Rohrsystemen unter den Brunnenstandort verlegt haben, eine einseitige, nicht
    hinnehmbare Vorentscheidung getroffen. Die Senatsverwaltung für
    Stadtentwicklung wird die Ergebnisse der offenen Diskussion der Bevölkerung
    abwarten. Aber alles spricht dafür, dass auf die Fläche des Humboldt-Forums und
    des Marx-Engelsforums angesichts der bestehenden Randbe­bauung eine moderne neue
    Bebauung kommt. Darin wäre der Neptunbrunnen sicher ein stilistischer Fremdkörper. Die dringend
    notwendige Sanierung des Brunnens zwingt ohnehin zu einem Teilabbau. Also
    hängen sie Ihre eigentlich gezielte Polemik gegen die „Berliner Schloss- und
    Altstadtnachbaulobby“bitte etwas tiefer.

  2. Arn Praetorius  Ergänzung: natürlich heißt der Satz: …dass auf die Fläche des Rathaus-Forums und des Marx-Engelsforums angesichts der bestehenden Randbe­bauung eine moderne neue Bebauung kommt.

  3. Der Schlussbrunnen wurde für den Schlossplatz geschaffen und akzentuiert den Platz an der Einmündung der Breiten Straße. In seiner neobarocken Formensprache ordnet er sich der barocken Gestalt der Schlossfassaden Schlüters und Eosanders unter. Der heutige Standort ist unabhängig von seiner zukünftigen Gestalt völlig deplatziert. Er steht völlig verloren in einem gestaltlosen Raum herum wie ein zufällig abgestelltes Möbelstück, das von der Umzugsfirma vergessen wurde. Die Gebäude, die mehr oder weniger in der Nähe sind (Rotes Rathaus, Marienkirche, Fernsehturm) beißen sich mit dem Brunnen, dass es einem förmlich wehtut. Warum soll man nicht einen Brunnen, wenn er eh schon wegen Restaurierungsbedarf abgebaut werden muss, auf den Platz und in den Bezug setzen, für den er einst geschaffen wurde. Eine solche Diskussion müsste man in keinem anderen Land führen. Übrigens, die Schinkelsche Granitschale kehrte erst in den 90er Jahren vor das Alte Museum zurück. Wenn es nach dem Autoren ginge, hätte man die vielleicht auch auf die Abstellfläche am Roten Rathaus gestellt? Genug Platz wäre ja da.

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