„Schloss-Neubau – So soll Berlin im Humboldt-Forum präsentiert werden“

19.07.2016  Berliner Zeitung

Von wegen Rom der Zeitgeschichte. Dieser Anspruch aus einer frühen Ideenskizze der Senatsverwaltung für den Berlin-Auftritt im Humboldt-Forum hat sich in Nichts aufgelöst. Zum Glück. 

Von Nikolaus Bernau

Das Deckblatt des Konzepts „Berlin und die Welt“, das der Direktor der Stiftung Stadtmuseum Berlin, Paul Spies, am Montag präsentiert hat, zeigt, wie er die für das Jahr 2019 geplante Ausstellung verortet: Berlin ist da ein Pünktchen auf einer Satellitenaufnahme der Erdkugel. Ein mit der Welt verflochtener Ort, der diese gleichzeitig mitgestaltet.

„Der Humboldt’sche Gedanke, dass alles mit allem zusammenhängt, steht im Zentrum“, erklärte Paul Spies im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Das gelte nicht nur für die erste, von Berlin zu bespielende Etage des Schloss-Neubaus. „Das Humboldt-Forum muss aus einem Guss sein, da sind wir mit Neil MacGregor und den Gründungsintendanten einer Meinung“. Sie werden im November ihre Planung vorstellen.

Offensichtlich ist aber schon jetzt, dass der für knapp elf Millionen Euro geplante Berlin-Auftritt in der Belle Etage eine Brücke bilden soll zwischen der Geschichte des Ortes, also des Schlossplatzes, die dem Besucher kostenlos im Erdgeschoss präsentiert werden wird, und der Geschichte der Welt in den oberen Etagen. Die werden vom Ethnologischen Museen und dem Museum für Asiatische Kunst gestaltet. Berlin soll dazischen als Exempel moderner großstadtkultur gezeigt werden, mit Revolutionen, Migration, Mode – „Das sind nicht nur die Entwürfe der Designer, sondern auch die Geschichte der Arbeiter, der Textilien, des Kolonialismus“ – das Vergnügen der Partystadt, Grenzen zwischen Gesellschaften, Staaten und Regionen, die Kriege: „Das wird kein City-Marketing“, sagte Spies. Die Ausstellung werde sich kritisch mit Geschichte und Gegenwart auseinandersetzen: „Der Mikrokosmos Berlin ist nicht nur schön.“

Immer wieder betont er, dass das Museum aus dem Mitmachen der Besucher entstehe. Im Humboldtforum ist dafür fast ein Drittel der Berliner Fläche reserviert, mit einem kleinen Amphitheater für Besuchergruppen, Museumslabors oder Experimentierflächen.

Und was wird aus dem Stadtmuseum und seinem Herzstück, dem Märkischen Museum? Paul Spies ist ja vor allem dessen Direktor. Über Jahrzehnte wurde dies größte kulturhistorische Museum Mitteleuropas von der Berliner Politik mit Stellen- und Geldkürzungen sowie der Wegnahme von Ausstellungsplatz misshandelt. Hier verspricht er den radikalen Wechsel und erhielt dafür im Kulturausschuss und am Abend im Märkischen Museum viel Beifall.

Aus dem Märkischen Museum und dem benachbarten Marinehaus, das als Kulturzentrum mit Ateliers und Veranstaltungsflächen gedacht ist, soll ein städtisches Kraftzentrum werden. Im Sockelgeschoss sollen künftig Sonderausstellungen gezeigt werden. Im Hauptgeschoss entsteht ein knapper, auf Hauptlinien konzentrierter Rundgang durch die Geschichte Berlins. Im Obergeschoss dann sollen dann Spezialthemen aus der 4,5 Millionen Objekte umfassenden Sammlung zu sehen sein – neben den drei in der Inszenierung von 1908 erhaltenen historischen Museumsräumen, der Kapelle mit mittelalterlicher Kunst, dem Waffensaal mit seinen Ritterrüstungen sowie dem fahnenreichen Zunftzimmer.

Schnell stellen sich Fragen. Wo werden die Meisterwerke der Klassischen Moderne wie Munchs Porträt des AEG-Chefs Walter Rathenau zu sehen sein – staatstragend im Schloss oder wie bisher im Stadtmuseum? Wo die Erinnerungsstücke an die Brüder Humboldt oder an Fontane? Was wird aus der grandiosen Theater- oder der Musikapparatesammlung? Wie wird das neue Programm, wird die Digitalisierung auf Dauer von Berlin finanziert? Wird die Ausstellung im Humboldt-Forum nicht der im Märkischen Museum das Wasser abgraben?

Je mehr Spies sich begeisterte, desto deutlicher wurde: Das, was im Humboldt-Forum zu viel zur Verfügung steht, fehlt im Märkischen Museum an jeder Ecke: Platz. Einen Erweiterungsbau, wie er schon 1937 geplant war, fordert Spies aber bisher nicht. Erst einmal soll das jetzige Reformprogramm bei den Berliner Politikern durchgesetzt werden. Die übrigens ohne erkennbare Scham den Saal verließen, als Spies in seinem Vortrag vom Humboldtforum zum Berliner Stadtmuseum kam. Er hat viel Überzeugungsarbeit vor sich.

 

Quelle: Berliner Zeitung, 19.07.2016

 

 

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