„Moritz van Dülmen will kein Stadtmuseum im Humboldt-Forum“

12.07.2015    Berliner Morgenpost

Van Dülmen wird den ersten Stock des Stadtschlosses mit Berliner Geschichte bespielen. Das gleicht einer Schwangerschaft, sagt er.

Von Gabriela Walde/Matthias Wulff

Anfang März überraschte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) mit seinen neuen Plänen für das Schloss. Er rückte von dem Plan ab, eine Ausstellung „Welt der Sprachen“ in das Humboldt-Forum unterzubringen. Stattdessen soll die 1. Etage genutzt werden, um mit „Welt.Stadt.Berlin“ die Wechselwirkungen zwischen Berlin und Weltgeschichte darzustellen. Beauftragt mit der Aufgabe wurde Moritz van Dülmen von der landeseigenen Kulturprojekte Berlin GmbH. Er verantwortet die „Berlin Art Week“ und organisierte „Zerstörte Vielfalt 1933“ wie auch die „Lichtgrenze“, die 25-Jahrfeier des Mauerfalls. Nun gibt Moritz van Dülmen erstmals einen ausführlichen Einblick, was Berlin im Humboldt-Forum plant.

Berliner Morgenpost: Sie sollen die Ausstellung „Welt.Stadt.Berlin“ im ersten Stock des Humboldt-Forums konzipieren. Ursprünglich sollte ein Teil der Landeszentralbibliothek einziehen. Reicht denn die Zeit?

Moritz van Dülmen: 2019 wird das Humboldt-Forum eröffnen, das ist noch ein bisschen hin. Wir sind erst seit wenigen Tagen mit dem Senatsbeschluss beauftragt worden, die Berliner Flächen zu bespielen. Ähnlich wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihre Sammlungen nehmen, um Ausstellungen fürs Humboldt-Forum zu entwickeln, nehmen wir die Berliner Geschichte im Geiste von Humboldt als Ausgangspunkt für unsere Überlegungen.

Manfred Rettig, Bauherr des Schlosses, warnt doch stetig davor, dass es ja keine Änderungen mehr geben dürfte.

Wir gehen anders heran als beispielsweise die Museen in Dahlem, die ja mit großem logistischem Aufwand umziehen müssen. Wir nehmen die Räume, wie sie sind, werden dafür angepasst entsprechende Konzeptionen entwickeln. Dann haben wir drei Jahre Produktionszeit, das dürfte ausreichen.

Welche Aufgaben stehen als erste an?

Der erste Schritt ist es, sich mit den diversen Erwartungshaltungen auseinanderzusetzen. Die einen sagen, gute Idee, aber die Wissenschaftsgeschichte müsse eine größere Aufmerksamkeit erhalten, weil die Humboldt-Universität weniger Platz hat. Andere sagen wiederum, Berliner Geschichte sei an diesem Ort wichtig, aber in Abgrenzung z.B. zum Deutschen Historischen Museum. Es gibt also verschiedene Wünsche und Erwartungshaltungen. Und es gibt klar definierte bauliche und räumliche Möglichkeiten. Interessant ist es, mit den Mitnutzern im Schloss zu sehen: Was könnte diese erste Etage leisten?

Ist es richtig, dass Sie zur Eröffnung eine Sonderausstellung vorbereiten, die dann in eine Dauerausstellung übergeht?

Das ist richtig, wir machen die erste Ausstellung auf den Berliner Flächen. Wie temporär das ist, wird noch geklärt. Wir müssen nicht zwangsläufig ein Konzept machen, das als Dauerausstellung die nächsten 20 Jahre tragfähig ist. Ob diese zwei, fünf Jahre oder länger bleibt oder aber Teile in eine Dauerausstellung übergehen, das sind Punkte, die zu klären sind. Unsere Frage ist auch, was wird die Gründungsintendanz aus den Konzepten von Martin Heller machen? Was passiert mit dem Erdgeschoss? Wie gehen wir mit den Sonderausstellungsflächen um? Und was für eine Programmatik wird das Haus insgesamt haben? Was will die Intendanz eigentlich machen? Wir sind ja nicht im luftleeren Raum, wir sehen uns als integralen Bestandteil des Gesamtprojekts Humboldt Forum.

Die Kulturprojekte sind dem Land Berlin gegenüber verpflichtet, Neil MacGregor gegenüber dem Bund. Sie müssen also dafür sorgen, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller glücklich ist.

Herr Müller wird vor allem daran interessiert sein, dass das Humboldt-Forum ein Erfolg für Berlin wird. Deshalb war der Regierende, als die Intendanz vorgestellt wurde, ja mit dabei. Wir haben jetzt eine Intendanz fürs gesamte Humboldt-Forum, Berlin ist ein Partner und die Einrichtungen des Bundes sind die anderen wichtigen Player. Erfolg aber werden wir nur zusammen haben.

Haben Sie auch ihre eigenen Vorstellungen, was ins Schloss kommen sollte?

Wir sind ja nicht angetreten mit einem festen Konzept für das Humboldt-Forum. Sicherlich haben wir durch unsere anderen Projekte Erfahrungen, was Herangehensweise, Vermittlung und Publikumsorientierung betrifft. Wir freuen uns, dass wir einen Beitrag leisten, der zu diesem Ort passt. Die Herausforderung ist es, für den Bustouristen und Fachbesucher gleichermaßen adäquate Zugänge zur Berliner Geschichte zu vermitteln.

Wird das Humboldt-Forum die aufgeppte Version des Berliner Stadtmuseums?

Das Stadtmuseum macht das Stadtmuseum. Es ist nicht die Aufgabe des Humboldt-Forums, die Geschichte der Stadt chronologisch zu erzählen. Wir fragen uns, welche Facetten an der Berliner Geschichte zur Verständigung im Humboldt-Forum helfen. Es geht um die Wechselbeziehungen zwischen Berliner und globaler Geschichte.

Was ist daran verkehrt, im Humboldt-Forum, ein gut gemachtes Stadtmuseum zu haben?

Nichts, aber die Aufgabenstellung ist eine andere und wir haben bereits ein Stadtmuseum. Wir haben z. B. keine Sammlungen. Im idealen Fall wird es eine Ergänzung zu dem, was das Stadtmuseum unter neuer Leitung erarbeiten und präsentieren wird.

Wann erfährt man konkret, was Sie planen?

Geben wir unserem Baby die Zeit, die es braucht. Neun Monate, wie bei einer guten Schwangerschaft. Das ist seriös.

Wie wollen Sie Touristen und Fachpublikum unter einen Hut bringen?

Wir müssen genau diesen Spagat leisten, auch um unser Publikum dort abzuholen, wo es ist. Das heißt aber nicht, dass dabei thematisch nicht in die Tiefe gegangen wird. Wir haben gezeigt, dass wir das können – zum Beispiel beim Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“. Da haben wir ein schwieriges Thema so in den öffentlichen Raum gebracht, dass es ein breites Publikum angesprochen und beschäftigt hat.

In den ersten zwei Jahren nach Eröffnung bekommen Sie das Schloss voll, egal, was Sie zeigen. Der echte Test folgt danach.

Der Prozess geht doch erst los. Es gab zwei Vorgänge, die neue Dynamik in das Gesamtprojekt gebracht haben: Die Berufung Neil MacGregors und die Entscheidung, Berliner Geschichte im Humboldt Forum zu zeigen. Jetzt ist der Anspruch und der Druck da, das Ganze aus einem Guss zu entwickeln. Und wenn das gelingt, mach ich mir um die Folgejahre keine Sorgen.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 12.07.2015

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