„Es barockt in Berlin“

15.07.2016  Deutschlandradio Kultur

Von Christiane Habermalz und Claudia van Laak

In drei Jahren soll das Humboldtforum im neuen Berliner Stadtschloss eröffnet werden: Die Barockfassade des Gebäudes wächst, drinnen gleicht das Gebäude aber noch einem gigantischen Betonlabyrinth. Auch beim Ausstellungskonzept sind noch viele Fragen offen.

12. Juni 2016: Tag der offenen Baustelle im Humboldtforum. Die Berliner strömen in ihr künftiges Schloss, zu Luftballons, Würstchen und Waffeln. Im Eingangsbereich wird die Zuchtrose „Berliner Stadtschloss“ zum Kauf angeboten.

Doch von innen ist das Gebäude vor allem eins: ein gigantisches Betonlabyrinth über vier Etagen. Der Geruch nach feuchtem Zement liegt in der Luft. Ein erstes Schlossgefühl kommt erst auf, wenn man durch die Fenster in die Innenhöfe schaut. Dort an den Fassaden kann man sehen, wie der Barock langsam die Betonwände hochwächst. Peu à peu werden Fensterstürze, Säulchen und Figurenschmuck an die Wände geklebt – von unten nach oben.

„Es ist einfach sehr schön, wie weit das Ganze schon gediehen ist, und wie gut es vorangeht. Und ich bin begeistert, dass dieses Schloss nun wirklich ersteht!“

Gabriele Schulz gehört dem Hamburger Freundeskreis im Förderverein Berliner Schloss an. Noch immer fehlt Spendengeld für die historische Rekonstruktion, doch der Förderverein ist erfinderisch. Gipskopien von Putten und Adlern liegen ausgebreitet wie in einer Warenhalle. Wer mehr als 30 Euro für die historische Fassade spendet, der bekommt eine „wunderbare Schloss-Tüte“ mit „einmaligen Schlossandenken“ geschenkt.

Platz für „Wünsch-dir-was“

Darin: Das Fragment eines Original Schloss-Ziegels, ein Stück Fußboden aus dem Schlosskeller, ein Span Holz aus dem Schloss-Fundament und ein Stück der Plane von der Schloss-Attrappe aus dem Jahr 1993. Der Hamburger Freundeskreis sammelt seit 2009 für die Wiederherstellung der überlebensgroßen Statue der Flora im ehemaligen Schlüterhof: die antike Göttin der Blüte. Man wollte eben etwas Eigenes haben, erklärt Roderich Müller-Grundmann aus Hamburg-Blankenese.

„Von daher haben wir uns in Hamburg einfach entschlossen, im kleinen Kreis, wir nehmen uns einfach irgendetwas, was sich mit Händen greifen lässt, was anschaulich genug ist, das nehmen wir als unser Spendenziel. Und dabei ist herausgekommen, aus dem umfangreichen Figurenprogramm des Berliner Schlosses: die Flora. Weil uns die Flora einfach mit ihrem historischen Vorbild der Flora Farnese derart überzeugt hat, dass wir uns gesagt haben, eine solche Schönheit, die möchten wir auch in Berlin auf dem Portal fünf stehen haben.“

Die Flora, die im Schlüterhof stand, bis das Schloss 1950 gesprengt wurde, war zwar nicht die Flora Farnese, sondern eine eher plumpe wilhelminische Figur aus dem 19. Jahrhundert. Doch die wollte man nicht zurück haben, wählte stattdessen eine Flora aus dem Nationalmuseum in Neapel als Vorbild.

Die Hamburger Barockfreunde unternahmen sogar eine eigene Bildungsreise nach Italien, um „ihre“ Flora Farnese dort zu besichtigen. Die lange Baugeschichte des Schlosses bietet durchaus Raum für ein bisschen „Wünsch-dir-was“. 250.000 Euro kostet die Replik, die der Bildhauer Kai Rötger aus Sandstein hauen wird. Aber Schönheit hat eben ihren Preis, findet Müller-Grundmann, und das mit der Originaltreue sieht er eher pragmatisch.

„Kein Künstler baut die Flora Farnese nach oder schafft sie nach, sondern er baut einfach die allegorische Figur der Flora, und es ist am Ende immer sein Werk. Und so geht es auch unserer neuen Berliner Flora. Es ist nicht die Farnese, es ist die allegorische Figur der Flora, und es ist die Rötgersche Flora!“

Bei anderen Baustellenbesuchern hält sich die Schlossbegeisterung eher in Grenzen.

„Oh puh, ist nicht mein Fall. Also, so wie es jetzt gemacht ist, ist schon ok. Aber ich halte da nicht viel davon. Ist viel zu teuer. Also ich hätte den Palast stehenlassen und schön begrünt, das wär meine Idee gewesen.“

Was im Schloss zu sehen sein wird, ist noch teilweise unklar

Das Schloss wächst, aber die Meinungen zum Humboldtforum gehen noch immer auseinander. Was genau hier hinter der Barockfassade entsteht, ist vielen der zahlreichen Gäste nicht wirklich klar. Und manche Programmpunkte, die den Besuchern einen Eindruck vom künftigen Inhalt vermitteln sollen, sorgen eher zusätzlich für Verwirrung.

In einem „Speakers-Corner“ in der ersten Etage halten Fachleute der Dahlemer Museen vor spärlichen Zuhörern kaum beachtete Dauervorträge über einzelne ethnologische Objekte. Eine Soundinstallation mit einem Gewirr aus Stimmen will auf den künftigen Berliner Beitrag zum Humboldtforum einstimmen. Titel: „Hashtag Welt in Berlin“.

„Verstehst du was?“, fragt eine Mutter ihre Tochter, und meint vielleicht die Akustik. – „Nö.“ Die meisten Besucher zieht es ohnehin aufs Dach. Die Aussicht ist grandios, die Sonne spiegelt sich auf den Kuppeldächern, unten der Dom, der Lustgarten und die Museumsinsel. Wo man jetzt noch viele Betonstufen laufen muss, wird man später auf Rolltreppen zu einem Dachcafé hochfahren können.

Das Humboldtforum, so steht es in den Prospekten, werde ein „einzigartiges Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung mit internationaler Ausstrahlung – ein Ort, an dem sich Museen, Bibliothek, Universität und verschiedene Veranstaltungsbereiche zu einem Treffpunkt von Menschen aus aller Welt verbinden“. Ob das funktioniert?

„Ich halte es für möglich. Ob das nun absolut sinnvoll ist, aber es wird so viel Mist gebaut, überall und wieder abgerissen, da kann man ja auch so ein Schloss mal hinbauen.“

„Ich hoffe, dass es auch genutzt wird als Begegnungsstätte und dass Austausch stattfindet und nicht nur für einen Menschen wie früher, sondern dass es eben fürs Volk zugänglich ist. Und nicht zu teuer.“

„Dass die Stadt wieder eine Mitte kriegt, darauf freue ich mich, sagen wir mal so.“

590 Millionen Euro Baukosten

Das Humboldtforum ist das ambitionierteste Kulturprojekt der Bundesrepublik – und momentan auch das teuerste. Für 590 Millionen Euro wird das ehemalige Hohenzollernschloss in der historischen Mitte Berlins wiedererbaut.

Hinein soll nicht weniger als ein Weltkulturmuseum. Kein anderer Ort dafür sei besser geeignet als Berlin, mit seinen herausragenden Sammlungen aus aller Welt und der Tradition der Gebrüder Humboldt, erklärte Gründungsintendant Neil MacGregor bei seinem ersten Auftritt in Berlin.

„Es gibt ja in der ganzen Welt vielleicht nur fünf Sammlungen, wo man die ganze Geschichte der Menschheit erforschen und erzählen kann: Petersburg, New York, Paris, London und Berlin. Aber: Nur in Berlin, und nur im Schloss Humboldtforum gibt es jetzt die Gelegenheit, diese Geschichte neu zu erzählen – und neu zu erforschen. Hier sollen die Objekte, die aus aller Welt kommen einer Besuchergruppe, die aus aller Welt stammen, ausgestellt werden. Und das mit Hilfe internationaler Kollegen.“

Ab 2019 sollen hier die außereuropäischen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst gezeigt werden, die bislang in Dahlem eher einen Dornröschenschlaf führten. Im Humboldtforum in der Mitte der Stadt, so Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, könnten sie „in einen Dialog treten mit der europäischen Kultur auf der Museumsinsel“.

 

 

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Quelle: Deutschlandradio Kultur, 15.07.2016

 

 

 

 

13 Kommentare zu “„Es barockt in Berlin“

  1. Die Erwartungen an MacGregor sind so hochgeredet worden, dass — egal was er präsentiert — viele enttäuscht sein werden. Der erste Eindruck beim Betreten des Schlosses wird für viele Besucher entscheidend sein (ob sie mehr als Café und WC aufsuchen) — und die meisten werden etwas Spektakuläres erwarten — eine riesige Skulptur, das Brummen des Schlossgespenstes oder ähnliches. Vitrinen mit Tonscheren und langatmigen professoralen Erklärungen werden die Leute abschrecken.  Das Volk besteht nicht aus gelehrten Archäologen- Ob „Multiperspektivität“ und „Kontextualisierung“ sich als Lockrufe erweisen ist zu bezweifeln. Gleiches gilt für den Namen Humboldt. Nicht einmal die A. von Humboldt-Stiftung hat bisher an dem Projekt Interesse gezeigt.

    Die von deutschen Historikern immer wieder geäußerte Behauptung, die Ausstellungsobjekte seien koloniales Raubgut, zeigt, dass diese Leute die Museen in Dahlem nicht besucht haben.. Nicht wenige Objekte sind Geschenk, Erwerbung usw. Wie dem auch sei: MacGregor hat als Brite keine Skrupel die von der Akropolis geraubten „Elgin Marbels“ in London lassen zu wollen, noch hatte seine Premierministerin Thatcher koloniale Skrupel, die äußerte :,, We don’t  apologize for anything, we brought them culture“. Mit ewiger Selbstanklage, Schuldindoktrination, antinationaler Feindseligkeit und Selbstzerknirschung, aber auch pharisäerhafter moralischer Überheblichkeit mögen die Kulturpolitiker hierzulande Karriere machen können, doch im Ausland sieht man das längst anders.

    Die heute „Befreier“ genannten WKII-Sieger West und Ost waren nicht gekommen um Auschwitz zu verhindern, sondern, wie sie selbst erklärten, um preußischen Militarismus auszurotten (nach R. von Weizsäcker: ,,ein Missverständnis“). Deshalb deren Anordnung preußische Denkmäler zu vernichten. Teile einiger geretteter Skulpturen kann man jetzt in der Spandauer Zitadelle besichtigen.  Zu den Geköpften gehörten auch die preußischen Humboldts.  Befreier Eisenhower ließ bekanntlich das Kaiser-Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in die Luft sprengen. Kein Wunder, dass die eifrigsten Bilderstürmer jene deutschen Amtsleute waren, die unter diesen Befreiern die Chance rochen Karriere zu machen. Noch nie sind so viele hervorragende Bildwerke (Denkmäler, Skulpturen usw.) aus ideologischer Verblendung vernichtet worden wie kurz nach 1945 — und zwar von den Deutschen selbst. in Ost und West, auch von Demokraten: Das von  Begas  geschaffene Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmal gehört dazu, wie das von dessen Kollegen geschaffene Denkmal Friedrich Wilhelm III. in Köln, das im Krieg getroffen wurde, aber erst unter den Augen des Adenauer-Clans Stück für Stück vernichtet wurde, und jetzt neu errichtet wird. ,,Wirren der Nachkriegshistorie“ heißt es im obigen Artikel.

    Um ,,am authentische Ort eine erneuerte Synthese des Schlosses mit seinem skulpturalen Umfeld“ zu erreichen, sollte man zumindest das originäre ,,architektonische Ensemble“ zur Kenntnis nehmen. Neben Neptunbrunnen und Rossebändigern sind die von den Siegern den Preußen zugerechneten Oranier-Prinzen im Gespräch wieder errichtet zu werden — offensichtlich weil sie keine Deutschen sind. Viel bedeutsamer für die Identität des Ortes und des Ensembles ist jedoch des Kaiser-Wilhelm-Denkmal, steht dieses doch für die deutsche Einigung und den Einheitsstaat, in dem wir heute leben — egal was dazwischen lag. Will man in Berlin die Kaiserzeit, die eine der besten Epochen in der deutschen Geschichte war, aus  dieser Geschichte streichen?

    sieht man ddas

  2. Erstmal sollte die Fassade plus Kuppel finanziert und in trockenen Tüchern sein. Dann sollte man versuchen die Portalfiguren im nachhinein wieder herbei zu schaffen. Dann ist da noch das Schlossumfeld, Neptunbrunnen, Rossbändiger, Oranienfürsten etc, all das ist wesentlich wichtiger als die Innenräume. Außerdem ist es ein Museum und kein schloss, es ist ein Neubau keine altbausanierung!

  3. Ach Quatsch, Leute wollen Geschichte und Kultur sehen/erleben und keine Betonwuste! Denkst du das nicht andere deutsche Städte/Gebäude nicht vollständig rekonstruiert waren nach dem Krieg?

  4. Marcel Oertel Das ist nicht ganz korrekt. Kleiner Tipp bei sicherlich vorhandenem Interesse: Informieren Sie sich mal bei Guido Hinterkeuser und seiner Literatur. Dort ist explizit ausgeführt, welche Innenraumeinrichtungen die Bombenangriffe und die Sprengung sowie die vorherige Auslagerung überlebt haben.
    Da ist weitaus mehr erhalten geblieben, als man sich ohne diese Ergebnisse vorstellen konnte. Hatte ich im Vorfeld auch nicht erwartet. Das gebe ich zu.
    Ansonsten stimme ich den Aussagen zum Umfeld (Schlossterrassen etc.) zu.
    Auch angesichts eines Neubaus wäre es meines Erachtens sinnig, wenn bestimmte Räumlichkeiten mal rekonstruiert werden könnten.
    Im Dresdner Schloss sind ganz Decken und Wände weggebrochen. Dennoch rekonstruiert man bis 2019 die Paradekammern (Audienzgemach, Schlafzimmer und 3 oder 4 weitere Räume im angrenzenden Bereich) im 2. Stock, Westflügel (zum Theaterplatz hin).
    Sicherlich: Das ist alles eine Langfrist-Perspektive in Berlin. Ergo ist der zusätzliche Bauschmuck an der Kuppel, die Laterne (Kreuz ist ja schon finanziert) und andere Architekturelemente sowie das Umfeld dringlicher.

  5. Der Scheiss Ulbricht hat alles was den Krieg ueberstanden hat, voellig platt gemacht weil er glaubte dass ein SOZIALISTISCHEN STADT BRAUCHT KEINEN SCHLOSS…

  6. Ist das Raumkonzept nicht auch so angelegt worden, dass es im nachhinein sogar möglich machen soll bestimmte Räume zu rekonstruieren? Ich hätte grundsätzlich nichts dagegen, aber Kritiker dürfen auch keine allzu große Fläche erhalten. Wichtiger sind mir aber derzeit die oben genannten Punkte.

  7. It is taking shape. Put on some historical details to make it look like the Palace. You will have a masterpiece rebuilt for the future. Berlin restored.

  8. Wenn erst alle drei rekonstruierten Fassaden fertig sind wird man erst erkennen wie hässlich und deplatziert die vierte Fassade wirkt.

  9. Hallo, An der Seite befanden sich die Bediensteten-Räume. Diese Seite sah nicht besonders schön aus, wie auch der alte Mitteltrakt zwischen den zwei Höfen. Deshalb sagen manche: Vorne hui, hinten pfui. Das neue Schloss wird besser aussehen als das alte — deshalb Spenden!, damit das erreicht wird, und die Politiker unter Zugzwang geraten das Umfeld diesem anzugleichen.

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