„Das Berliner Schloss bekommt fünf Tonnen schwere Engelskleider“

28.04.2016   Berliner Zeitung

Von Ulrich Paul

Schloss-Baustelle, Donnerstag, 10.30 Uhr: Am Haken eines Krans schwebt ein gut fünf Tonnen schweres Sandstein-Element langsam an die Fassade heran. Arbeiter in gelben Westen stehen auf dem Baugerüst und dirigieren den Stein in die richtige Position. Nur ein paar Meter sind es noch bis zum vorgesehenen Platz in 30 Meter Höhe.

Steinbildhauer Andreas Hoferick steht auf der Aussichtsterrasse der Humboldt-Box und verfolgt das Manöver aus wenigen Metern Entfernung. „Das ist eine tolle Sache“, sagt er. Das Sandstein-Element ist eines von 16 Teilen der „Großen Wappenkartusche“, einer der bedeutendsten Sandsteinskulpturen, die einst die Fassade des Schlosses an der Lustgartenseite schmückte. Nun kehrt sie als rekonstruiertes Kunstwerk an die Fassade zurück. 88 Tonnen ist die Skulptur schwer.

Roboter halfen mit

Hoferick hat mit vier Kollegen das Modell erarbeitet – „anderthalb Jahre lang“, sagt er. Erst fertigten die Steinbildhauer anhand von historischen Fotos ein kleines Modell, ein sogenanntes Bozetto. Danach entstand nach einer Vergrößerung zunächst ein Modell aus Ton in der Originalgröße von etwa sieben Meter Höhe und 2,40 Meter Tiefe. Daraus entstand ein Gipsmodell. „Ganz traditionell“ haben sie gearbeitet, sagt Hoferick. „Mit Händen und Kopf, Zollstock und Gips.“

Auf Basis des Gipsmodells fertigte die Firma Sven Schubert aus Dresden die Sandsteinkopie der „Großen Wappenkartusche“ an. Roboter halfen dabei, aber „das meiste war Handarbeit“, sagt Firmen-Inhaber Sven Schubert. Er steht am Donnerstag ebenfalls auf der Aussichtsterrasse der Humboldt-Box. Schuberts Unternehmen ist auf Rekonstruktionen spezialisiert, es wirkte bereits beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche mit.

Während Schubert berichtet, wie der Sandstein aus der Sächsischen Schweiz geholt wurde, gerät die Befestigung des Elements kurz ins Stocken. Das fünf Tonnen schwere Teil passt offenbar nicht ganz in die vorgesehene Öffnung. Die Arbeiter auf dem Gerüst müssen noch mal ein Stück abschleifen. Staub wirbelt auf. Für Schubert kein Grund zur Aufregung. „Es ist normal, dass angearbeitet werden muss“, sagt er. Nur für einen kurzen Moment wird das Andock-Manöver unterbrochen. Dann geht die Millimeterarbeit weiter.

Das Stein-Element, das am Haken des Krans hängt, zeigt unter anderem die Falten eines Kleides, das zu einem von zwei Engeln des Fassaden-Kunstwerks gehört. Auf der Großen Wappenkartusche sind drei Kinderengel zu sehen, die zwei Engeln dabei helfen, das Wappenschild des Königs Friedrich I. (FR) an der Fassade zu befestigen. Bei den Engeln handelt es sich um Famen, das sind Engel, die die Gottheit des Ruhmes darstellen. Solche Darstellungen mythisch bedeutsamer Handlungen sind prägend für das Barock. Durch Blattgirlanden und Ornamentik sollten Architektur und Bild zu einer Einheit verschmelzen. Die Große Wappenkartusche bildet den Übergang von der einst von Andreas Schlüter gestalteten Fassade zum Abschnitt, der von seinem Nachfolger Eosander von Göthe entworfen wurde.

Applaus zum Schluss

An der Nord-, West- und Südseite des Schlosses wird die Barockfassade rekonstruiert. An der Ostseite entsteht eine Fassade in moderner Architektur. Der Förderverein Berliner Schloss will 80 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Barock-Fassaden sowie 25 Millionen Euro für Extras wie die vollständige Rekonstruktion der Kuppel aus Spenden aufbringen. Geld- und Sachspenden im Wert von 57 Millionen Euro gingen bisher ein. „Wir sind auf gutem Weg“, sagt Johannes Wien, Vorstandssprecher der Stiftung Humboldt-Forum im Berliner Schloss, die den Bau managt. 2019 soll das Projekt, das als Museum und Bühne für kulturelle Veranstaltungen dienen soll, fertig sein.

Nach gut einer Stunde ist eine wichtige Etappe geschafft. Das fünf Tonnen schwere Sandstein-Element ist an seinem Platz angekommen. Applaus brandet auf. „Fein gemacht!“, ruft ein Zuschauer.

Bis Mitte der nächsten Woche werden die restlichen Teile eingesetzt – zu besichtigen von der Terrasse der Humboldt-Box (Eintritt frei).

 

Quelle: Berliner Zeitung, 28.04.2016

 

 

 

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