Flanieren vom Museum zum Schloss

Flanieren vom Museum zum Schloss

Von Markus Falkner Und Thomas Fülling

Förderverein und ADAC wollen Fußgängerzone in der historischen Mitte – Senat lehnt Pläne kategorisch ab
Berlin – Die Idee ist nicht ohne Charme: Wenn 2014 das Stadtschloss in Berlins historischer Mitte wieder steht, könnten die Berliner und die Besucher der Stadt ungestört von Autos und Abgasen zwischen den Ausstellungen im neuen Humboldt-Forum und den Sammlungen auf der Museumsinsel flanieren. Der Spaziergang würde dann durch eine der schönsten Parkanlagen Berlins führen: den Lustgarten, so wie ihn Karl Friedrich Schinkel und Joseph Lenné nach 1830 anlegen ließen.

Für diese „tolle Vision“ würde der Vorsitzende des ADAC Berlin-Brandenburg, Walter Müller, gern etwas tun, was man von dem Chef eines Autofahrerclubs nicht unbedingt erwartet: Er plädiert dafür, die Karl-Liebknecht-Straße zwischen Liebknechtbrücke und Schlossbrücke für Autos zu sperren. Müllers Vorschlag: Der Ost-West-Verkehr sollte durch einen noch zu bauenden Tunnel unterhalb des Boulevards Unter den Linden geführt werden. Vorbild wäre der Autotunnel unter dem Tiergarten, der „inzwischen aus der Stadt nicht mehr wegzudenken ist“.

Unterstützung für diese Idee erhält der ADAC vom Förderverein Berliner Schloss. Dessen Geschäftsführer Wilhelm von Boddien spricht von der Chance, den Verkehr komplett vom Schlossvorplatz zu verbannen und den Lustgarten ohne störende Autos in alter Schönheit wieder entstehen zu lassen.

Für die Übergangszeit soll der Verkehr nach den Vorstellungen des ADAC und des Fördervereins über die Französische Straße und die Rathausbrücke fließen und von dort über die wiedereröffnete Burgstraße sowie die Spandauer Straße zur Karl-Liebknecht-Straße. Das würde jedoch voraussetzen, dass die Rathausbrücke zur Aufnahme der Verkehrsströme breiter ausfällt als geplant. Boddien und Müller äußerten ihr Unverständnis darüber, dass der Neubau der Rathausbrücke von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits ausgeschrieben wurde. Die Bauvorgaben würden der Zukunft nicht gerecht. Mit einer geplanten Breite von zwölf Metern sei die Brücke für Fußgänger und vier Autospuren viel zu schmal. Auch ihre Ästhetik stehe in keinem Verhältnis zum wieder aufgebauten Schloss und zum benachbarten Nikolaiviertel.

Die Senatsverwaltung lehnt einen Aufschub bei der Ausschreibung ab, wie Sprecherin Manuela Damianakis bekräftigt. Zwar will Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erst im Laufe des ersten Quartals 2009 ihr Verkehrskonzept für das Umfeld des Schlosses präsentieren. Schon jetzt steht aber fest, so Damianakis, dass eine Sperrung der Karl-Liebknecht-Straße auf keinen Fall infrage kommt: „Deshalb gibt es auch keinen Grund, die Planungen für die Rathausbrücke zu ändern.“

Doch nicht nur Boddiens Umleitungslösung stößt auf wenig Gegenliebe in der Verwaltung. Noch deutlicher äußert sich Damianakis zu den Tunnel-Plänen des ADAC. „Das ist nicht finanzierbar, nicht planbar, nicht baubar“, so das Urteil der Senatsverwaltung.

Nach dem Vorschlag des ADAC soll der Tunnel in der Straße des 17. Juni beginnen und in der Karl-Liebknecht-Straße in Höhe der Marienkirche enden. Gebaut werden könnte der Tunnel im unterirdischen Schildvortrieb, parallel zum bereits vorgesehenen Weiterbau der U-Bahn-Linie 5 zwischen Brandenburger Tor und Alexanderplatz. Der ADAC geht dabei von Kosten in Höhe von etwa 300 Millionen Euro aus. Bedingung für die Einhaltung dieser Kostengrenze sei, dass beim Bau des aus zwei Röhren bestehenden U-Bahn-Tunnels bereits alle Vorkehrungen für den Straßentunnel mit insgesamt vier Fahrspuren getroffen werden.

Aus Sicht der BVG ist für Plankorrekturen aber keine Zeit mehr. „Unsere Pläne sind in der letzten Stufe der Bürgerbeteiligung, ab 2010 soll gebaut werden“, so BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Umplanungen seien jetzt nicht mehr machbar oder würden zu erheblichen Zeitverzögerungen beim U-Bahn-Bau führen. „Egal wie gut die Idee ist – sie kommt viel zu spät.“

Die Welt, 14.01.2009