„Der Museumsinsel droht ein Bus-Chaos“

17.10.2018  Berliner Morgenpost

 

Anrainer wie das Humboldt Forum oder die Staatlichen Museen wehren sich gegen das Verkehrskonzept des Senats.

Von Thomas Fülling

Auf der Bodestraße vor der Alten Nationalgalerie in Mitte ist es wieder mal eng: Dicht nebeneinander stehen Reisebusse aus Antwerpen, Eindhoven, Zagreb und dem polnischen Kollberg. Etwas entfernt ein Bus aus Aachen, der Fahrer lässt den Motor laufen, damit die Klimaanlage in Betrieb bleibt. Durch die Abgaswolken schlängeln sich Radfahrer und Fußgänger.

Für Gudrun Heinsius aus der Geschäftsführung des Berliner Doms ein alltäglicher Zustand. „In Spitzenzeiten stehen mehr als zehn Busse auf einmal direkt vor unserer Tür“, sagte sie. Auch die Feuerwehrzufahrt für das täglich von Tausenden Menschen besuchte Gotteshaus sei regelmäßig zugeparkt.

In Spitzenzeiten kommen 28 Reisebusse pro Stunde

Der Parkplatz-Bedarf ist in der Tat erheblich: Bereits heute besuchen mehr als 21.000 Menschen täglich die Museumsinsel, ein Gutteil reist dabei mit dem Bus an. In Spitzenzeiten sind das bis zu 28 Reisebusse mit mehr als 1100 Insassen, die den Lustgarten und den Schloßplatz ansteuern.

Doch die Ankündigung des Berliner Senats, jetzt damit beginnen zu wollen, auf der Museumsinsel ein zehn Jahre altes Konzept für Reisebusse umzusetzen, sorgt bei den Anrainern alles andere als für Erleichterung. Ganz im Gegenteil. „Dieses Konzept bedeutet keine Verbesserung der schon heute angespannten Situation, sondern wird das Bus-Chaos auf der Spreeinsel nur noch verschlimmern“, warnte am Dienstag die Interessengemeinschaft (IG) Kultur & Bildung Spreeinsel, in der neben dem Berliner Dom auch die Stiftung Humboldt Forum, die Staatlichen Museen zu Berlin, die Zentral- und Landesbibliothek, die European School of Management and Technology (ESMT) und die Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ vertreten sind.

Mit einem gemeinsamen Appell unter der Überschrift „Weltkulturerbe darf nicht zum Busbahnhof werden“ forderten sie die Senatsverwaltung für Bauen eindringlich auf, den Bau geplanter Bus-Halteplätze zu stoppen, bis mit der Senatsverkehrsverwaltung „ein für diesen Weltkulturerbe-Ort angemessenes und in die Zukunft gerichtetes Verkehrskonzept“ abgestimmt ist.

Angesichts der oft chaotischen Zustände auf der Museumsinsel hatte der Senat bereits vor zehn Jahren ein Reisebuskonzept für den Bereich erarbeiten lassen. Die damalige Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kündigte eine Umsetzung ab 2011 an. Kernstück des Konzepts: Reisebusse sollen auf die Museumsinsel nur noch fahren dürfen, um ihre Insassen dort ein- oder aussteigen zu lassen, parken sollen die mehr als 100 Reisebusse am Tag außerhalb der historischen Altstadt. Angekündigt wurde ein elektronisches Leitsystem, das den Busfahrern „Slots“, also Zeitfenster, für die An- und Abfahrt sowie die benötigten Parkplätze zuweist.

Anlieger beklagen fehlende Dialogbereitschaft des Senats

Realisiert wurde von all diesen Ideen bislang allerdings nichts. Weder gibt es geeignete Bus-Parkplätze außerhalb der City noch ein modernes Leitsystem. Angesichts der für Herbst 2019 angekündigten Eröffnung des Humboldt Forums erinnerten sich die Behörden nun offenbar an das alte Konzept. So sollen jetzt auf der Breiten Straße drei Halteplätze für Reisebusse eingerichtet werden. Der Baubeginn ist für Mitte November angekündigt, die Fertigstellung soll im April 2019 sein.

Robert Ehrlich, Rektor der Musikhochschule „Hanns Eisler“, rechnet dann mit bis zu zwölf Bussen, die direkt vor dem Eingang seiner Einrichtung bis zu 1000 Reisende pro Stunde ein- und ausladen. Die Schule habe ihrerseits 500 Studenten, die vielfach mit dem Fahrrad kämen. Der Rektor wies zudem auf fehlende Sanitäreinrichtungen hin. Viele Reisende würden den kürzesten Weg zu einer Toilette wählen – und die befände sich in der Hochschule. „Das wird ein heilloses Durcheinander“, befürchtet er.

Die IG ließ bereits im Vorjahr von der Technischen Universität Berlin ein Alternativkonzept erarbeiten. Die Grundidee: Reisebusse sollen möglichst komplett von der Museumsinsel verbannt werden, wie das in anderen europäischen Großstädten Usus ist. Geeignete Plätze für Busse (und auch für Toiletten) gebe es in der Nähe, etwa an der Karl-Liebknecht-Straße oder an der Straße des 17. Juni. Spätestens wenn der U5-Lückenschluss erfolgt sei, könnten die Besucher von dort gut mit der U-Bahn anreisen, bekäme doch die Museumsinsel dann einen eigenen, großzügig gestalteten Bahnhof.

In einem Gespräch im Juni soll Verkehrsstaatssekretär Holger Kirchner (Grüne) noch eine Prüfung der Vorschläge zugesichert haben, so Hans-Dieter Hegner von der Stiftung Humboldt Forum. Doch ein für September vereinbartes Treffen sei offenbar wegen der Erkrankung Kirchners ersatzlos abgesagt worden. Für Friederike Sey­fried, Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin, geht es dabei um viel: „Der Status Weltkulturerbe kann schnell in Gefahr geraten.“

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 17.10.2018

 

 

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