„Hohenzollernschloss: Der Wiederaufbau als Humboldt-Forum ist im Zeit- wie Kostenrahmen und entfaltet die erwartete Faszination“

05.07.2017  Wiesbadener Zeitung

Von Gregor Mayntz

Zwei Sommer Baustelle noch, dann werden mitten in Berlin Barock und Moderne den Sozialismus endgültig besiegt haben.

Beim Wiederaufbau des Hohenzollernschlosses in Form des Humboldt-Forums sind nach Auskunft von Bauvorstand Hans-Dieter Hegner Bau und Kosten weiter im Plan. Ende 2019 soll weiterhin eröffnet werden, nächstes Frühjahr werden die Fassaden geschlossen, kriecht Museumsatmosphäre in den derzeitigen Rohbau. Der Countdown läuft, und jetzt konnten bereits die ersten 30 Meter Barockfassade von Baugerüsten befreit werden. Ein kolossales Projekt beginnt die erwartete Faszination zu verbreiten.

Dreieinhalb Millionen Ziegel hinter Sandsteinelementen

Auch die Fama, die Ruhmesfigur, ist wieder an ihrem alten Platz und in 30 Metern Höhe Teil jenes römischen Triumphbogens, den Johann Friedrich Eosander von Göthe Anfang des 18. Jahrhunderts in das Stadtschloss eingebaut hatte. Die SED-Regierung ließ das Schloss 1950 sprengen, um Platz für sozialistische Aufmärsche und den Palast der Republik zu haben, und ein Fragment der Fama landete in einer Laubenkolonie in einem Berliner Vorort. Ihr komplett rekonstruiertes Pendant auf der rechten Seite des Haupteinganges wird noch die Posaune bekommen, das Original nicht. Denn die Arme fehlen, und das soll so bleiben, um das historische Zeugnis noch mehr hervorzuheben.

Die Mischung aus preußischer Historie und moderner Funktionalität wird Stück für Stück sichtbar. Dreieinhalb Millionen Ziegel verschwinden hinter 22 000 Sandsteinwerkelementen. Die Stiftung hat den Original-Steinbruch Eosanders gemieden und sich für härteres Gestein entschieden. Aber die historische Farbe in dreifachem Borstenauftrag sollte es schon sein: Originalzeugnisse wurden genau untersucht und dann so perfekt wie möglich imitiert. Vom Lustgarten aus ist nun schon zu sehen, wie es in einem spezifisch gelblichen Ockerton im nächsten und übernächsten Jahr überall sein wird.

Und immer mehr der 2828 figürlichen Fassadenbestandteile kommen hinzu. Das ist das Wagnis des Baues gewesen: Der Staat zahlt den Funktionsbau, der private Verein sammelt für die Rekonstruktion des Barocks. Immerhin 750 laufende Meter. „Wir brauchen noch 35 Millionen“, berichtet Stiftungssprecher Johannes Wien – ohne den geringsten Anflug an Nervosität. Schließlich konnten bislang bereits 63 Millionen Euro eingesammelt werden, vor allem in den letzten Jahren. Je mehr realisiert werde, desto mehr Spenden gingen ein. „Das Prinzip Sehen – Anfassen – Unterstützen geht auf“, erläuterte Wien.

Besonders freut die privaten Bauherren, wenn es ganz konkret für einzelne Projekte bestimmte Großspenden gibt, wie etwa jene 140 000 Euro für den schönsten Jüngling der Antike: Antinous ist wie viele andere nach alten Fotografien und 3-D-Scans von erhaltenen Originalteilen wiedergeboren: Drei Meter groß, zwei Tonnen schwer. Im historischen Schlüterhof wird die Kolossalfigur als Dritter von links eine Säule zieren.

Staat zahlt Funktionsbau, der Verein das Barocke

Wo jetzt noch Bauteile vom Kran in die Höhe gehievt werden, sollen 2020 Restaurant und Bistro den Genuss der Fassaden schmackhaft machen. Dann wird die Baustellenatmosphäre abgelöst von Latte Macchiato mit Barock. Die Nord-Süd-Passage bleibt wie der Schlüterhof rund um die Uhr für die Öffentlichkeit zugänglich. Das gehört zum Konzept des Architekten Franco Stella, der Stadt ihre Plätze zurückzugeben.

Hegner ist sich sicher, dass der Blick dann nicht nur auf die längst fertige Kuppel, sondern auch auf die wiederhergestellte Laterne samt goldenem Kreuz fallen wird. Da beides derzeit noch fehlt, hatten Kreuz-Gegner ihre Chance gewittert und eine neue Debatte provoziert. Die Berliner Stiftung Zukunft warnte davor, dass ein Kreuz als christliches Symbol den im Humboldtforum vorgesehen Dialog der Kulturen und Religionen gefährde.

Daraufhin sprach sich auch der linke Kultursenator Klaus Lederer entschieden gegen das Kreuz aus, geißelte es als Zeichen von „Gottesgnadentum“, „anachronistisch“ und „eindimensional“. Es gehöre nicht aufs Humboldtforum, das vom Osten gesehen sogar von außen nichts mit einem Schloss zu tun habe. Doch die Befürworter nehmen das Kreuz als Symbol für die Verankerung des christlichen Abendlandes und als Zeichen für Vergebung und Nächstenliebe.

Der Bauvorstand betrachtet den aktuellen Streit völlig pragmatisch: Kuppel mit Laterne und Kreuz seien Teil des Wettbewerbs, Teil der Baugenehmigung und Teil des Spendenkonzeptes gewesen. Insofern sei dieser Streit bereits vor 2010 entschieden gewesen. Punkt. Jedenfalls habe der Stiftungsbeirat keinen Grund gesehen, auf den neuen Streit einzugehen, geschweige denn die längst getroffenen und bestätigten Entscheidungen zu revidieren, erklärt Hegner.

Im Kleinen revidiert die Stiftung indes gerne – wenn sie damit wieder näher ans Original herankommt. So stellte sie bei den Allegorien der vier Jahreszeiten, welche in der Lustgartenfassade die Balkone tragen, einen schmerzhaften Fehler fest. Die nach der Schlosssprengung ins benachbarte Staatsratsgebäude eingebaute Winterfigur hatte über Jahrzehnte den Arm verdreht. Die Rekonstruktion im Schloss stemmt die Besucher nun wieder in natürlicher Pose.

Die ursprünglich eingeplanten Baukosten von 595 Millionen Euro sollen laut Stiftung eingehalten werden. Zwar zeichnet sich ab, dass Gründungsintendant Neil McGregor im Innern zusätzliche Wünsche hat, die auch die Innenausbauten betreffen. Diese möglicherweise 26 Millionen Euro kostenden Veränderungen sollen aber aus dem laufenden Etat der Bundeskulturbeauftragten kommen und nicht dem Baukonto auferlegt werden.

Zwischenzeitlich etwas ins Rutschen kam der Bauzeitplan, als die Auftragsvergabe für die Sicherheitstechnik von unterlegenen Konkurrenten gerichtlich gestoppt worden war. „Wir haben dann mit Leerrohren weiter gebaut, in die wir jetzt die Kabel ziehen können“, berichtet Hegner, verweist auf ein „Aufholkonzept“ und bleibt dabei: „Ende 2019 sind wir wie geplant fertig.“

Ein Berliner Großprojekt, das im Zeitrahmen bleibt?

Nach fünfmaligem Verschieben der BER-Eröffnung könnten die Besucher dann auch über den neuen Großflughafen anreisen. Dessen Inbetriebnahme war erstmals für 2007 geplant. Erst ein Jahr später gewann Franco Stella den Schlossbau-Wettbewerb, 2013 legte er den Grundstein. Da sollte der BER seit einem Jahr fertig sein. Nimmt er tatsächlich 2018 seinen Flugbetrieb auf, hat das Humboldtforum bereits mit dem Aufbau der Ausstellungen begonnen. Und so rühmen sich die Bauherren schon jetzt damit, das einzige Großprojekt in Deutschland zu bauen, das weder den Kosten- noch den Zeitrahmen sprengt. Einzigartig ist es sowieso.

 

 

Quelle: Wiesbadener Zeitung, 05.07.2017

 

 

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