Münchner Schlossfreunde haben nach den „Tagen der offenen Baustelle“ von Berliner Schloss/Humboldt Forum in Berlin die Gelegenheit genutzt, in der Spandauer Schlossbauhütte zum ersten Mal die Bozzetti der Kardinaltugenden „Mäßigung“ und „Weisheit“ zu besichtigen.
Zur Erinnerung: Im Jahre 2013 hatte der Münchner Freundeskreis die drei allegorischen Skulpturen (Mäßigung, Gerechtigkeit, Weisheit) am Eosander-Portal als Spendenziel ausgewählt. Der Freundeskreis hatte sich für diese drei Tugenden entschieden, um Spenden nicht nur für formale, materielle Schmuckelemente in der Fassade einzubringen, sondern darüber hinaus auch immaterielle Werte und Normen anzusprechen, die in unserer Gesellschaft immer wieder angemahnt werden.
Herr Bertold Just, Leiter der Schlossbauhütte, führte die Gruppe zunächst durch Räume, in denen die 1:1-Modelle verschiedenster Schmuck- und Fassadenelemente sowie einige Originalfragmente gelagert waren. Unter den Spolien konnte der Kopf der Mäßigung entdeckt werden und zur großen Überraschung, auch noch der ihres Schulterbereichs.
Nach aufschlussreichen Gesprächen mit den anwesenden Bildhauern in der großen Werkshalle wuchs die Spannung auf die erste Begrüßung bzw. den ersten Blick auf unsere beiden Tugendfiguren. Mit großer Freude und Neugier wurden die Skulpturen von allen Seiten in Augenschein genommen. Die ca. 1,10 m großen Gips- bzw. Tonfiguren dienen als Vorlage für die 3,30 m großen Kolossalfiguren, die demnächst im 1:1-Gipsmodell gefertigt werden.
Die Münchener Gäste studierten auch die wenigen vorhandenen fotografischen Dokumente, die als Vorlagen für die Rekonstruktion der Figuren dienten und ins Dreidimensionale übersetzt werden mußten. Der Bildhauer der „Weisheit“, Herr Wünsch, stellte sich dankenswerterweise allen Fragen und kritischen Anmerkungen geduldig zur Verfügung.
Beeindruckt von dem künstlerischen und handwerklichen Können der Bildhauer auf höchstem Niveau im Rahmen der Rekonstruktion von großen Skulpturen und stolz, die Kosten der beiden Kolossalfiguren von ca. 490 000 € schon durch Spendengelder bezahlt zu haben, stellten sich die Mitglieder des Münchner Freundeskreises um ihre Figuren, um die erste Besichtigung auch fotografisch zu dokumentieren.
Die Tugendfiguren der „Gerechtigkeit“ und „Tapferkeit“ werden von Künstlern in Sachsen modelliert und sollen auch später in der Schlossbauhütte weiter bearbeitet werden. Exkursionen mit Besichtigungsterminen für den allegorischen Figurenzyklus in der Schlossbauhütte Berlin sind geplant.
Veranstaltungshinweis: Herr Prof. Lindemann gehört als Kunsthistoriker der Expertenkommission der Stiftung Humboldt Forum an, die die laufenden Arbeiten zur Rekonstruktion der Fassadenelemente überprüft und beurteilt.
In seinem Vortrag „Die Fassade lesen lernen“ am 28. September im Münchner Zentralinstitut der Kunstgeschichte (19 Uhr, Katharina-von-Bora Str. 10) wird er auch detailliert auf die Tugendkolossalfiguren im Eosander Portal eingehen.
Text und Fotos: Karin von Spaun