Warum der Schlossbau bisher erfolgreich ist!

von Dipl.-Ing. Manfred Rettig, Vorstand und Sprecher der Stiftung Berliner Schloss – Humboldt Forum

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Nach dem Wettbewerb für das Berliner Schloss – Humboldt Forum wurde ich im Jahr 2009 gebeten, den Aufbau der Eigentümerstiftung zu organisieren, danach die Stiftung Berliner Schloss – Humboldt Forum zu leiten und das Berliner Schloss wieder aufzubauen.

Folgende wesentliche Rahmenbedingungen lagen zu diesem Zeitpunkt für die Baumaßnahme vor:

  • Das Wettbewerbsergebnis, Entwurf von Architekt Franco Stella
  • Eine Baukostenschätzung von 2007 über 552 Mio. €
  • Der politisch vorgegebene Fertigstellungstermin 2014

Für einen geregelten und soliden Bauablauf fehlten folgende zwingend erforderliche Grundlagen:

  • Die Überprüfung der Grundrisse mit den funktionalen Anforderungen für einen nutzungsfähigen Betrieb des Gebäudes.
  • Die Einschätzung des Flächenbedarfs für die technischen Gewerke wie z.B. für die Klima- und Lüftungsanlagen ein Brandschutzkonzept.
  • Eine Vereinbarung mit der Bodendenkmalpflege über den Umgang mit den Bodendenkmälern.
  • Eine auch wissenschaftlich anerkannte Vorgabe für die Rekonstruktion der Schlossfassaden.
  • Eine Kostenschätzung des tatsächlich zu realisierenden Gebäudes.
  • Sowie eine Vielzahl notwendiger Einzelmaßnahmen wie z.B. ein Risikomanagement, Claimmanagement, Datenvernetzung, usw.

Baupolitik und Bauphysik in Einklang bringen

Für mich war 2009 sehr klar zu erkennen, dass diese Baumaßnahme in den bis dahin vorgegebenen Rahmenbedingungen zu einem nicht steuerbaren katastrophalen Ergebnis führen würde. „Baupolitik und Bauphysik“ standen – wie leider so oft bei großen nationalen Baumaßnahmen – nicht im Einklang. Die Kostenvorgabe war nicht mit dem Wettbewerbsergebnis abgeglichen und die Terminvorgabe war völlig unrealistisch.

Nach den Bundestagswahlen 2009, habe ich während der Koalitionsverhandlungen Politiker auf die erheblichen Risiken beim Schlossbau hingewiesen, mit dem Ergebnis, dass ein Fertigstellungstermin in der Koalitionsvereinbarung nicht festgeschrieben wurde. Zur großen Enttäuschung vieler Spender gab Anfang 2010 die Bundeskanzlerin nach einer Klausurtagung des Bundeskabinetts bekannt, dass der Baubeginn des Berliner
Schlosses – Humboldt Forum bis auf Weiteres verschoben wird.

Die Projektverschiebung nahm ich als Chance wahr, die Planung auf einen realisierungsfähigen Stand zu bringen. Oberstes Ziel war es, baubegleitende Planung zu vermeiden. Im Ergebnis wurden realistische indexbereinigte Kosten ermittelt und ein realistischer Zeitplan aufgestellt.

Vorgezogene Baumaßnahmen

Der anstehende Baubeginn der U-Bahnlinie 5 ohne die Auflast des Berliner Schlosses hätte dazu geführt, dass später eine Art unterirdischer Brückenbau mit erheblichen Mehrkosten für das Berliner Schloss notwendig geworden wäre. Um dies zu vermeiden, konnte ich meine Empfehlung durchsetzen, mit den sogenannten vorgezogenen Baumaßnahmen zu beginnen. Damit war „das Stopp der Kanzlerin“ aufgehoben und der Durchbruch für die Realisierung des Berliner Schlosses erreicht.

Das Bodenrisiko bei der Gründung liegt in der Regel beim Bauherrn und nicht bei den ausführenden Firmen. Dieses Risiko ist besonders hoch, wenn man im Bereich der Museumsinsel in Berlin-Mitte baut. Trotz vieler Bodensondierungen durch die Bodengutachter gab es auch bei der Gründung des Berliner Schlosses überraschende Kohlefunde, die technische Veränderungen bei der Gründung erforderlich machten. Für das Bauprojekt hatte dies insgesamt jedoch nur marginale Auswirkungen. Meine Vorgabe, den Rohbau von der Gründung zu trennen, verhinderte, dass wie bei einem Dominoeffekt, Bauzeitverlängerungskosten von Folgegewerken entstehen konnten. Damit war ein hohes Kostenrisiko vermieden worden und eine weitere Kostensicherheit gegeben.

Denkmalschutz und Rekonstruktion

Gemeinsam mit dem Bodendenkmalpfleger konnten wir im Bereich der Archäologie einen Konsens herstellen. Mein Vorschlag, einen begehbaren Archäologischen Keller unter der im Erdgeschoss vorgesehenen Ausstellung über die „Geschichte des Ortes“ zu schaffen, fand Eingang in die weitere Planung. Kostenträchtige Auflagen der Bodendenkmalpflege waren mit dieser optimalen Lösung nicht mehr nötig.

Die anfängliche Kritik an der Rekonstruktion des Berliner Schlosses veranlasste mich, Anfang 2010 ein international besetztes Expertentreffen zu organisieren. Im Ergebnis stellten diese Experten 10 Thesen für eine qualitativ hochwertige Rekonstruktion des Berliner Schlosses auf. Diese von anerkannten Wissenschaftlern aufgestellten 10 Thesen sind die Grundlage für unser Bauprojekt. Aufgrund des Spendenstandes und der vom Förderverein überlassenen bereits hergestellten Modelle konnte ich in einem ersten Schritt die Einrichtung unserer Schlossbauhütte realisieren, die heute unter der Leitung von Bertold Just ganz wesentlich zur Qualitätssicherung der zu rekonstruierenden Fassaden beiträgt.

Technische Gewerke

Von Beginn an problematisch ist wie bei so vielen Baumaßnahmen der Planungs- und Ausführungsbereich der technischen Gewerke. Entgegen meinen Empfehlungen konnte sich das ausführende Bundesamt nicht dazu durchringen, das erste beauftragte technische Planungsbüro weiter zu beauftragen. Mein damaliger Vorschlag, das Büro durch andere Büros zu verstärken, wurde nicht aufgegriffen. Das daraufhin nach einem Vergabeverfahren neu eingestellte wurde inzwischen ebenfalls ausgewechselt. Jeder Wechsel hat zur Folge, dass das neue Büro zunächst die Mängel des vorherigen Büros zu prüfen hat und zu zeitlichen Verzügen und zu Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen führt. Das Risiko im Bereich Technik wurde von uns zeitlich wie auch kostenmäßig frühzeitig berücksichtigt, mit der Folge, dass bis heute nach wie vor der Kosten-und Terminrahmen eingehalten werden kann.

Änderungswünsche von Nutzern und Politikern

Störungen oder Veränderungen im technischen Bereich sind unbedingt zu vermeiden. Hier sehe ich für die Zukunft das größte Risiko für das Projekt. Änderungswünsche wie zuletzt vom Land Berlin vorgetragen können, wenn sie Einfluss auf die technischen Gewerke haben, das Projekt massiv gefährden. Auch ist es nicht auszuschließen, dass von der Gründungsintendanz und der späteren Intendanz Änderungswünsche eingefordert werden. Dies gilt es während der Bauzeit unbedingt zu verhindern. Die Grundstruktur des Humboldt Forums ist sehr multifunktional gebaut. Jeder Nutzer muss diese Rahmenbedingungen für sich akzeptieren.

Gesellschaftliche Akzeptanz

Durch das große Engagement des Fördervereins Berliner Schloss e.V. mit seinem Geschäftsführer Wilhelm von Boddien, seinen Mitarbeitern und den vielen ehrenamtlich Tätigen entwickelt sich das Spendenaufkommen für die Fassaden sehr positiv. So werden wir auch im Jahr 2015 die bisherigen Arbeiten ausschließlich aus Spenden finanzieren. Ich danke allen, die sich mit ihrem bürgerschaftlichen Engagement oder mit ihrer Spende in dieses Projekt einbringen. Die Politik steht ganz besonders für Sie in der Verantwortung, alles dazu beizutragen, um das Projekt auch zukünftig zum Erfolg zu führen. Das Berliner Schloss – Humboldt Forum wird ein Vorzeigeobjekt der Bauund Ingenieurkunst und damit ein herausragender Ort für den Dialog der Kulturen im Geiste der Gebrüder Humboldt.

4 Kommentare zu “Warum der Schlossbau bisher erfolgreich ist!

  1. Ein solches Vorgehen ist bei Grossprojekten, gerade in Berlin, nicht typisch. Glückwunsch zu der Entscheidung und Berufung des Herrn Rettig.

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