„Vergnügt bin ich, weil es jetzt endlich soweit ist“

Beitrag aus der Berliner Morgenpost, erschienen am 26. Juli 2021

 

Von Felix Müller

Wilhelm von Boddien gründete vor fast 30 Jahren den Förderverein für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. Nun ist er am Ziel.

Fast drei Jahrzehnte sind vergangen, seit der Unternehmer Wilhelm von Boddien den Förderverein für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses gründete. Unermüdlich sammelte er Spenden für die Rekonstruktion der Fassaden ein und warb für den Bau. Was trieb ihn dabei an?

 

Wilhelm von Boddien am 20. Juli 2021, dem Eröffnungstag vom Humboldt Forum, im Schlüterhof vom Berliner Schloss

Herr von Boddien, ohne Sie würde es das rekonstruierte Berliner Schloss gar nicht geben. Wie fühlen Sie sich angesichts der Eröffnung?

Wilhelm von Boddien Aufgeregt bin ich seit 30 Jahren, seit wir angefangen haben. Das war ja eine Achterbahnfahrt! Vergnügt bin ich, weil es jetzt endlich soweit ist. Und hochzufrieden bin ich, weil es uns gelungen ist, so viele Spender für die Rekonstruktion der Fassaden zu finden, dass wir das Ziel erreicht haben. Wir haben die geforderten 105 Millionen Euro abgeliefert. Vorher hieß es immer: Das schafft ihr nie, am Ende wird der Steuerzahler darauf sitzen bleiben. So ist es nicht gekommen.

Wie erklären Sie sich den Erfolg?

Wir haben das in der Wirtschaft verbotene Schneeballsystem genutzt. Beim Spendensammeln darf man das. Schon der erste Spender weiß, dass er sein Geld los ist. Wenn ihm das Spenden aber Freude macht, dann bitten wir ihn, dass er seine Freunde fragt, an die wir ja gar nicht rankommen. Und für unsere Spender gibt es eine individuelle Ehrung im Schloss: Wir heben sie an verschiedenen Stellen im Schloss hervor, sichtbar für Jedermann, ab 50 Euro. Zusätzlich erhielten sie einen Dankesbrief, die steuerlich absetzbare Spendenbescheinigung und eine Schmuckurkunde.

Was hat Sie motiviert, so lange Zeit für dieses Schloss zu kämpfen?

Es ist für mich nie ein Symbol preußischen Hegemonialstrebens gewesen. Als wir 1993/94 die Attrappe auf den Schlossplatz gestellt haben, war es mir wichtig, dass die Fassade von einer Französin gemalt wurde. Das war ein wichtiges Signal im Hinblick auf die lange deutsch-französische Feindschaft. Das Schloss hatte für Berlin eine städtebauliche Bedeutung wie die Kathedrale in einer Stadt in Frankreich. Es war der Zentralbau, der größte Bau. Berlin wäre eine mittelmärkische Stadt wie Neuruppin geblieben, wenn die Hohenzollern nicht gekommen wären. Der große Architekturkritiker Michael Mönninger hat 1994 geschrieben, es sei die Tragik der Berliner Mitte, dass sie nie mehr um ihrer selbst willen aufgesucht, sondern nur noch durchquert werde auf dem Weg zu anderen Zielen – er sprach von der Mitte als einem leeren Windkanal. Die historischen Gebäude hatten mit dem Abriss des Schlosses ihre Würde verloren. Das Zeughaus war ja nie ein alleinstehendes Palais wie ein kleines Schloss auf dem Lande, sondern ein Residenzbau, der seine Kraft aus der Architektur des Schlosses bezog. Man sprach mit Blick auf die Mitte Berlins von einem architektonischen Gesamtkunstwerk, vom Schloss bis zum Gendarmenmarkt. Wir haben dieses Haus wiederaufgebaut, um die Stadt zu heilen.

Trotzdem gab es viel Kritik an der Rekonstruktion der barocken Fassaden.

Ich gebe ihnen ein Beispiel, das vielleicht ein bisschen hinkt, aber auch etwas verdeutlicht. In Amsterdam ist vor 35 Jahren das berühmte Gemälde von Rembrandt, die „Nachtwache“, von einem Attentäter mit Säure bespritzt worden. Dabei haben sich die vier Zentralfiguren in Suppe aufgelöst und waren rausgewaschen. Im Städtebau heißt es nun so gern: Man soll nicht wiederholen, was weg ist, sondern demokratisch Neues bauen. Mir kommt das so vor, als hätte man vor 35 Jahren Picasso gebeten, die vier fehlenden Figuren der „Nachtwache“ in seinem Stil in das Bild einzufügen. Das tat man aber nicht, und so sieht das Bild ohne Brüche heute wieder so aus wie früher. Warum will die Moderne mit Ihre Bauten die Stadt unbedingt langweiliger machen? Wovor hat sie Angst?

Wie beurteilen Sie die inhaltliche Konzeption des Humboldt Forums?

Ich sehe darin eine große Chance. Der Chef des Humboldt Forums ist ein Intendant. Er ist dafür da, etwas zu inszenieren. Das Humboldt Forum wird niemals fertig sein. Seine Hauptaufgabe liegt darin, die Strömungen der Welt zu reflektieren: Globalisierung, Migration, Armut und ähnliche Themen mehr. Es soll sich über die Vermittlung der Kulturen der andersartigen, außereuropäischen Welten in der Bevölkerung ein Basisverständnis dafür entwickeln. Wir Deutschen sind Reiseweltmeister – fahren aber überwiegend in Hotelresorts, wo wir auch garantiert die Nürnberger Bratwurst kriegen und unser Bier. Wir glauben, Afrika dann auch noch auf inszenierten Safaris richtig kennenlernen zu können!

Besucher werden nur bei freiem Eintritt dauerhaft ins Humboldt Forum strömen.

Ich bin ein glühender Anhänger dieser Idee. Denn es nützt ja nichts, wenn wir nur die Intellektuellen erreichen, für die das ein Pflichtprogramm ist. Ich war in London im Victoria and Albert Museum, einem der meistbesuchten Museen der Welt. Da gehen die Leute mittags rein, um sich ein Essen zu holen. Dabei entdecken sie etwas, finden das spannend, kommen abends wieder und am Wochenende mit ihren Familien, weil sie nicht jedes Mal pro Person neun Euro abdrücken müssen. Das ist ihnen nämlich zu teuer. In der Humboldt Box mussten wir in den ersten Jahren Eintritt nehmen, und der kostete drei Euro pro Nase. Irgendwann blieben die Besucher weg. Als wir den Eintritt aufgehoben hatten, war die Bude plötzlich wieder rappelvoll.

Wie viel Unterstützung genießt das Schloss bei den Berlinerinnen und Berlinern?

Seit drei Jahren kommt – gezählt nach Köpfen und nicht nach Wert – die Hälfte unserer Spenden aus Berlin. Die Berliner wollen sehen, überzeugt werden, Informationen bekommen. Erst sind sie sehr skeptisch, aber dann helfen sie begeistert mit!

Wie finden Sie das geplante Einheits- und Freiheitsdenkmal, die Wippe?

Da schweigt des Sängers Höflichkeit. Die Wippe soll ja ein Volk in Bewegung symbolisieren. Das aber ist missverständlich. Hätte die Wippe in der DDR gestanden, dann hätten die Bonzen oben gestanden und das Volk unten, weil die Masse natürlich die Waage nach unten drückt. Sie symbolisiert allenfalls die Entscheidungen in Demokratien, die Mehrheitsentscheidungen, aber nicht die Rechte auch von Minderheiten. Die Symbolik ist falsch. Ich hätte sie lieber an einem anderen Ort gesehen. Ich kann verstehen, dass zum Beispiel Wolfgang Thierse sagt: Der Palast ist abgerissen, in dem der Beitritt zum Grundgesetz der Bundesrepublik beschlossen wurde. Also müssen wir das Denkmal in die Nähe dieses Ortes stellen. Das ist das einzige Argument, das mich nachdenklich macht. Alle anderen? Wir haben doch ein einzigartiges Symbol für Trennung und Einheit, das ist das Brandenburger Tor. Noch wird jeder Regierungschef ans Brandenburger Tor gefahren, um zu zeigen, was das für ein bedeutender Ort ist. Ich hätte die Wippe gern auf der Wiese vor dem Reichstag gesehen. Dann hätten sich die Abgeordneten, die sie beschlossen haben, jeden Tag daran erfreuen können. Wir haben ja damals vorgeschlagen, eine Kolonnade zu bauen. Die Wippe wurde immer teurer, und ich habe mit Abgeordneten aus dem Haushaltsausschuss gesprochen, und einer war dann auch für die Kolonnade. Ich habe gesagt: Da bauen Sie eine ganz schlichte Kolonnade, wie sie jetzt bei der James-Simon-Galerie gebaut worden ist. Die kostet deutlich Millionen weniger als die Wippe, sie erhält das Bodenmosaik und gibt dem leeren Denkmalssockel eine Fassung. Aber daraus ist nichts geworden.

Und der Plan des Flussbads?

Davon halte ich nichts. Wir haben in Hamburg am Rathaus die Kleine Alster, so nennt sich das. Da gibt es eine wunderbare Freitreppe mit einer Barlach-Stele, und auf diesen Treppenstufen an der Kleinen Alster sitzen die Leute und essen ihr Eis und amüsieren sich. Mich hat dieser industrieähnliche Spreekanal mit seinen steilen Wänden nie so glücklich gemacht, und jetzt baut Berlin neben dem Sockel des Denkmals eine Freitreppe ein. Wenn die einigermaßen großzügig ist und auch daran gedacht wird, dass die Stufen Sitzgelegenheiten bieten sollten, dann wird das ein beliebter Aufenthaltsort für alle Leute, die da herumgehen. Ansonsten ist der Plan des Flussbades einfach albern. Wir haben in Berlin so viele Schwimmgelegenheiten, wenn die Berliner planschen wollen, können sie es überall. Man muss nicht 80 Millionen ausgeben, um den Fluss an dieser Stelle zu sanieren, damit auch nie wieder bei Gewittergüssen Schmutzwasser eindringen kann.

 

Zur Person:

Wilhelm von Boddien kam 1942 in Stargard in Pommern zur Welt, wohin seine Hamburger Familie evakuiert worden war. Nach dem Krieg legte er sein Abitur an der Sachsenwaldschule in Reinbek bei Hamburg ab. In Bargteheide trat er in die Landmaschinenfirma seines verstorbenen Vaters ein, die er von 1978 bis zur Insolvenz im Jahr 2004 allein leitete. Schon als Gymnasiast hatte Boddien Besuche im geteilten Berlin absolviert und dort eine Faszination für die Baukunst Preußens entwickelt – und vor allem für das Berliner Schloss, das 1950 auf Initiative des SED-Generalsekretärs Walter Ulbricht in die Luft gesprengt worden war. 1992 gründete er den „Förderverein Berliner Schloss e.V.“, der bis 2020 insgesamt 105 Millionen Euro Spendengeld für die Rekonstruktion der Fassaden einwerben konnte.

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Textquelle: Berliner Morgenpost, 26.07.2021

Foto: Förderverein Berliner Schloss e.V.

 

3 Kommentare zu “„Vergnügt bin ich, weil es jetzt endlich soweit ist“

    1. Warum nur kann sich in Berlin (Ausnahme:der Schlosswiederaufbau) nicht öfter der unaufgeregte gesunde Menschenverstand durchsetzen, wie ihn Herr von Boddien hier so sympathisch artikuliert? Ganz herzlichen Dank an Herrn von Boddien für seinen wunderbaren unermüdlichen Einsatz für die Heilung der Berliner Stadtmitte! Vielleicht erlebe ich es noch, dass sich auch die unmittelbare Umgebung des Berliner Schlosses freundlicher und würdevoller gestaltet…

  1. HUMBOLDT FORUM-GELUNGENE BEGEGNUNGSSTÄTTE
    Auch ich hatte mich ursprünglich, wie sicherlich viele meiner Mitbürger, über den Standort und die Form des künftigen Freiheits- und Einheitsdenkmals sehr gewundert. Doch nach tieferen Informationen (einst Nationaldenkmal, jetzt Freiheits- und Einheitsdenkmal) kann ich diesen gewählten Standort mit Beschluss und bereits erfolgtem Baubeginn verstehen. Ursprünglich stand nahezu an gleicher Stelle das von Kaiser Wilhelm II. in Auftrag gegebene Nationaldenkmal. Durch die Umbilden des 2. Weltkrieges, verbunden mit der Beseitigung der Schlossruine nebst Nationaldenkmal durch die SED-Machthaber nach 1945, wurden neue Bedingungen geschaffen. Jetzt, mit der sehr gelungenen Nachschöpfung des Berliner Schlossbildes ergibt sich ein neuer demokratischer Zusammenhang mit Symbolkraft an gleicher Stelle neu ein Freiheits- und Einheitsdenkmal entstehen zu lassen. Über die Form, Größe und deren umfangreicher Mechanik kann man unterschiedlicher Meinung sein, vielleicht wäre weniger mehr!?
    Ich würde es auch begrüßen, wenn neben dem Freiheits- und Einheitsdenkmal an der Spreemauer eine breitangelegte Freitreppe entstehen würde. Mit Booten könnten dort die interessierten Menschen anlegen, über die Freitreppe laufend, am neuen Denkmal vorbei, stünden dann die Menschen vor dem imposanten Eosander-Portal des Schlosses. Alles ist in Bewegung, vielleicht schaffen die Verantwortlichen diese passende neue Verbindung!?

    Besonderen Dank gilt Herrn Wilhelm von Boddien vom Förderverein, aber auch den Verantwortlichen, den Architekten, den Bauschaffenden, den Kulturschaffenden.
    Mit dem Humboldt Forum – der Nachschöpfung des Berliner Schlossbildes mit Denkmal, dem Berliner Dom, dem Alten Museum, dem Kronprinzenpalais, den anderen historischen Gebäuden und noch künftig Hinzukommendes sehen wir Bürger und noch viele Menschen aus der gesamten Welt ein herrliches architektonisches Ensemble in der Metropole Berlin.

    Mit freundlichen Grüßen, Dietmar Philipp

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