„Verspätungen beim Berliner Schloss – das sind Peanuts“

28.02.2019  WELT

Von Rainer Haubrich

Den Wunschtermin für die Eröffnung des Berliner Schlosses als Humboldt-Forum konnte man nicht halten. Jetzt wird es der 30. November. Kein Grund zur Aufregung – denn wirklich bemerkenswert ist, was bisher alles erreicht wurde.
Wer länger nicht im Zentrum der Hauptstadt unterwegs war, traut seinen Augen nicht: Das Berliner Schloss ist wieder da. Seit dem Sommer sind die Barockfassaden ohne Gerüste zu bewundern. 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und gut fünf Jahre nach der Grundsteinlegung ist die ehemalige Hohenzollernresidenz äußerlich rekonstruiert ins Stadtbild zurückgekehrt – ziemlich genau im Zeit- und Kostenplan. Eine Seltenheit heutzutage.
Und doch konnte man den Wunschtermin für die Eröffnung als Humboldt-Forum nicht halten. Es wäre der 14. September dieses Jahres gewesen, der 250. Geburtstag Alexander von Humboldts – nach ihm und seinem Bruder Wilhelm ist das neue Museums- und Kulturzentrum benannt. Zwar wird es an dem Tag einen Festakt zu Ehren des berühmten preußischen Naturforschers geben, aber für das Publikum öffnet das Gebäude erst am 30. November; und auch dann nur das Erdgeschoss mit einer Sonderausstellung, den Veranstaltungssälen, gastronomischen Einrichtungen und Shops.
Im Frühjahr 2020 will Berlin mit seinen Räumen zur Geschichte der Stadt folgen, im weiteren Jahresverlauf sollen sukzessive die Abteilungen mit der außereuropäischen Kunst aus den Staatlichen Museen eröffnen. Hauptgrund für diese Verzögerungen sind die vielen gut ausgelasteten Baufirmen, die gern einfach mal später anrücken als versprochen. Man kann das bedauern, aber gemessen am bisher Erreichten sind das alles Peanuts.

 

Denn: Was ist den Protagonisten dieses epochalen Wiederaufbauprojektes alles gelungen! Anfangs waren sich ja die versammelten Experten einig, dass die Gestalt des Berliner Schlosses samt Schlüterhof unmöglich rekonstruierbar sei, dass es technisch nicht ginge und handwerklich nicht und dass der Förderverein des Hamburger Kaufmanns Wilhelm von Boddien niemals die 80 Millionen Euro an privaten Spenden für die historischen Fassaden zusammenbekommen werde.

Diese Summe ist längst erreicht, und dass immer noch Spenden nötig sind, liegt allein daran, dass von Boddien das Ziel inzwischen auf 105 Millionen Euro erhöht hat, um noch mehr rekonstruieren zu können als ursprünglich geplant, darunter auch die Kuppel.

Was wirklich zählt, ist, dass das Schloss wieder so unverrückbar dasteht wie in den 300 Jahren vor seinem Abriss. Zusammen mit Schinkels Altem Museum, dem Zeughaus und Knobelsdorffs Staatsoper Unter den Linden ist ein Ensemble von europäischem Rang wieder komplett.

 

Quelle: WELT, 28.02.2019

 

11 Kommentare zu “„Verspätungen beim Berliner Schloss – das sind Peanuts“

  1. Endlich einmal eine Anerkennung für das was hier geleistet wurde. Die Zeit wird erst Jahre später zeigen wie Wertvoll diese Rekonstruktion des Stadtschlosses für Berlin ist. Ich möchte mich hier als Berliner dafür bedanken, dafür das mutige Menschen hier Träume umgesetzt haben und entgegen vieler Kritiker der Berliner Mitte einen verlorenen Schatz wiedergegeben haben. Berlin braucht keine Politiker die sich uneinig und untätig sind, Berlin braucht Menschen die ihre Ärmel hochkrempeln und anpacken.
    Danke allen die dies ermöglicht haben.

  2. Diesen Worten kann man auch als Nichtberliner nur zustimmen. Damit tut sich der Berliner Senat aber sehr schwer. Beispiel: die Aussengestaltung um das Schloss. Meines Wissens hat der Senat noch immer nicht der Versetzung des Neptunbrunnens (früher hieß er Schlossbrunnen) auf den Schlossplatz zugestimmt, obwohl der Bund das Geld dafür bereits bewilligt hat.

  3. Bedaure bis heute, dass nicht der Backsteinbau des dt. Architekten realisiert wurde, der den zweiten Preis gewann! Wäre billiger gewesen und hätte uns diese historisierende Kopie erspart! Im Gegensatz zur Dresdner Frauenkirche war zu wenig Orginalsubstanz vorhanden um die Rekonstruktion zu rechtfertigen! Und ein architektonisches Kleinod war der Kasten nie! Ganz abgesehn von den Reminiszenzen ans unglückselige Preussen! Werde mich wohl mit der Ostfassade trösten müssen! :-))

    1. Ich finde das Gebäude sehr schön und an der Originalstelle sehr passend. Das hängt einerseits vom Verständnis für Architektur und Städtebau als zeitloses Kunstwerk ab, andererseits natürlich ist es persönliche Geschmacksache. Aber eines ist das Bauwerk sicher nicht: mit seinen abwechslungsreichen Schmuckelementen ist es kein „Kasten“ wie leider gerade sehr viele moderne monotone Bauten. Und der Bau ist nicht historisierend. Das wäre eine frei nachempfundene aktuell komponierende Zitierung vergangener Baustile. Es ist also nicht historisierend, sondern ein moderner Museumsbau und in den Fassaden, Portalen und im Schlüterhof eine materiell und stilistisch exakte Rekonstruktion. Auch der Seitenhieb gegen Preußen macht Ihr Urteil gegen dieses Gebäude nicht überzeugender. Mit etwas weniger Geringschätzung und etwas mehr Sachverstand kann man sich an das Humboldt-Forum vielleicht leichter gewöhnen? Nichts für ungut.

      1. Über Geschmack lässt sich gekanntlich trefflich streiten! Über den Begriff historisierend auch! Vielleicht verstehen sie ja meinen Seitenhieb auf Preussen besser wenn sie den Kommentar von Gottlieb und meine Antwort drauf gelesen haben! Nix für Ungut!

  4. Herrn Prätorius ist voll zuzustimmen. Eine so gelungene Rekonstruktion eines so gewaltigen, so schönen und so ehrwürdigen Bauwerks wird man schwerlich anderswo finden. Wer demnächst die Linden hinaufgeht, wird den erhabenen Eindruck des Zentrums unserer Hauptstadt wieder genießen können wie zu Kaisers Zeiten. Und das hat unsere heutige bürgerliche Gesellschaft hingekriegt, trotz aller Widerstände, v. a. aus rotgrüner Richtung. Jetzt können linke Schloßgegner nur noch das Umfeld verunstalten, und sie sind schon eifrig dabei. Aber alles, was jetzt in den Sand gesetzt wird, kann auch wieder verändert werden, es werden bessere Zeiten kommen. Verehrter Herr Lenz, was ist an Preußen unglückselig, außer daß es durch linke Geschichtsideologen und andere Interessierte in Verruf gekommen ist?

    1. Vielleicht ist an Preussen unselig, dass der preussische König und dt. Kaiser den 1. Weltkrieg anzettelte? Meinen Sie Preussen wurde nach dem zweiten Weltkrieg aus Ignoranz und Rache der Sieger vom Erdboden getilgt? Der preussische Militarismus und der daraus resultietende Kadavergehorsam der dt. Soldaten machte diese beiden Kriege erst so blutig wie sie waren! Ihr Geschichtsverstaendnis lässt zu wünschen übrig und ihre Gesinnung erhellt sich aus ihrer Wortwahl!

      1. Verehrter Herr Lenz,
        Ihre Geschichtskenntnisse stammen offenbar von den von mir erwähnten Geschichtsideolagen und anderen Interessierten. Deutschland hat weder den Ersten Weltkrieg angezettelt, wie Sie sich auszudrücken belieben, noch eignen sich die Siegermächte von 1918 oder 1945 als Zeugen objektiver Geschichtserkenntnis. Das genau sind die Interessierten, deren klischeehafte Vorstellungen von Preußen ziemlich genau denen der Geschichtsideologen entsprechen. Für Sie möglicherweise interessant: Nach 1918 war man sich im kommunistischen Lager einig, daß der Krieg ein imperialistischer Krieg gewesen sei, bei dem die Schuldfrage obsolet sei. Nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion ging das kommunistische Lager dazu über, die Hauptschuld am Kriege Deutschland aufzubürden. Ferner: 1918 schrie man in der angelsächsischen Welt: „Hang the Kaiser!“. 1940 versuchte Churchill eben jenen Kaiser, diesen üblen „Kriegsverbrecher“, auf die Seite der Alliierten zu ziehen. So ändern sich historische Einschätzungen entsprechend den politischen Zeitläuften. Sie sind einfach nicht auf dem laufenden. Von fehlenden Geschichtskenntnissen sollten Sie besser nicht reden.

  5. Liebe Diskussionspartner,
    vielleicht versuchen wir mal, unsere Debatte etwas schlichter anzupacken, ohne dieses alte/neue Gebäude mit den Schuldzuweisungen und dem ganzen Ballast der unseligen Kriege des 20. Jahrhunderts zu vergiften.
    Friedrich III/I. erkannte im kleinen Brandenburg von 1690, dass er nach den schrecklichen Erfahrungen des 30jährigen Krieges in Preußen den Status König haben musste, um in den Auseinandersetzungen der mächtigen und landgierigen Großmächte um ihn herum (Schweden, Frankreich, Russland, Polen-Litauen, Habsburg) wenigstens mitreden zu dürfen. Dazu brauchte er ein dementsprechendes Schloss. Deshalb wurde das Schloss 1701/1714 gebaut. Bauherr und Architekt hatten mit der Geschichte des 1. Und 2. Weltkrieges und mit Militarismus nichts zu tun.
    Also nehmen wir doch das alte und das neue Berliner Schloss einfach als das, was es war und wieder sein kann: eine von Architekten, Kunsthistorikern, Bildhauern und Steinmetzen kunstvoll und abwechslungsvoll zusammengefügte Anhäufung von Steinen, Putz, Glas, Figuren und griechisch-römischen Anspielungen als Komplettierung der schönen Museumsinsel. Lassen wir ideologisch begründete Einseitigkeiten aus dem Spiel! Im Erscheinungsbild ist der Baukörper ein hochrangiges zeitloses Kunstwerk im Stile des preußischen Barocks. Ich finde es wunderbar, aber es muss nicht unbedingt jedem gefallen.

    1. Lesen Sie mal „Die Schlafwandler“ von Christopher Clark, vielleicht legen Sie dann die „Fritz-Fischer-Scheuklappen“ ab.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert