„Götter ziehen um – Skulpturen von Andreas Schlüter wechseln in Berlin den Standort“

11.02.2019 Berliner Zeitung

Von Gerhard Lehrke

Sie sind drei Meter hoch, 1,5 Tonnen schwer und doch sehr empfindlich: Vier Kolossal-Statuen wurden am Montag aus dem Bode-Museum zu ihren alten Standort, dem Berliner Schloss, zurückgeschafft. Und das sehr behutsam. Die vier Statuen wurden in Plastikfolie verpackt. Stehend wurden sie mit einem Gabelstapler auf einen Tieflader gehoben und dann die wenigen hundert Meter vom Bode-Museum zum Schloss gefahren.

Skulpturen befanden sich früher im Schlüterhof des Berliner Schlosses

Die Hünen aus sächsischem Sandstein waren kurz vor der Sprengung des alten Schlosses 1950 demontiert worden. Im Gegensatz zu vielen hundert anderen Skulpturen und Fassadenelementen wurden sie aber nicht zerstört, sondern ins Bode-Museum gebracht. Dort standen sie zuletzt unter der Kuppel gleich hinter dem Eingang.

Ein wenig ramponiert sehen sie dennoch aus, obwohl sie schon mehrmals restauriert worden sind. Zeus, dem Herren der olympischen Götter, fehlt der rechte Arm, in dem er vermutlich als Erkennungszeichen ein Blitzbündel gehalten hatte. Einer Frauenfigur, die wahrscheinlich eine der neun antiken Musen darstellt, geht es ähnlich.

Auch ihr fehlt der Arm, der ihr Attribut – eine Flöte, eine Schreibtafel oder eine Theatermaske – hielt, so dass niemand mehr weiß, welche Kunst sie repräsentieren soll. Eine andere Figur stellt den sagenhaften Jäger Meleager dar, der einen Keiler unter den Arm geklemmt hat. Die verloren gegangene Schnauze des Keilers wurde aus Zinn nachmodelliert. Nur der Halbgott Herakles, die Keule geschultert, ist noch weitgehend intakt.

Die vier Figuren standen einst am Risaliten im Schlüterhof des Schlosses, zusammen mit vier weiteren Statuen: Apollo, Antinous, der Götterbote Hermes und eine weitere Frauenfigur. Diese vier befinden sich noch in der Schlossbauhütte in Spandau und werden später ins Forum gebracht.

Andreas Schlüter schuf die Figuren nach antiken Vorbildern

Die acht Originalstandbilder werden jetzt als Leihgabe des Bode-Museums in einem Skulpturensaal an der Spreeseite des Humboldt-Forum aufgestellt werden. Sie sollen nicht mehr Regen, Wind und Luftverschmutzung ausgesetzt werden, die sie fast schwarz werden lassen haben.

An ihrer Stelle werden acht Kopien auf den Risaliten gestellt, ebenfalls aus sächsischem Sandstein gemeißelt und fast fertiggestellt. Allerdings werde auch ihnen das Schicksal blühen, schwarz zu werden, sagte Alfred Hagemann, Leiter der „Geschichte des Orts“ im Humboldt-Forum.

Geschaffen wurden die Kolosse in den Jahren 1704 bis 1706 von der Werkstatt des Architekten und Bildhauers Andreas Schlüter (1659-1714). Hans-Ulrich Kessler, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bode-Museum und Schlüter-Kenner, bewertet dessen Leistung: „Er hat antike Vorbilder zwar zitiert, aber nicht blind kopiert.“

Andreas Schlütter wurde 1699 zum Schlossbaudirektor ernannt

Der gebürtige Danziger Schlüter war 1694 vom brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten Friedrich III. zum Hofbildhauer und 1699 dann zum Schlossbaudirektor ernannt worden. Der Kurfürst ließ ihn das vorhandene Renaissance-Schloss erweitern und barock umgestalten. Wollte Friedrich doch sein Renommee im europäischen Machtgefüge steigern, um einen bedeutenderen Titel als Kurfürst zu erlangen, was ihm 1701 auch gelang. Er wurde als Friedrich I. König in Preußen. Die steinerne Gegenwart von Göttern und Halbgöttern sollte den Schlossherren Friedrich aufwerten, konkurrierte dieser Barockfürst doch mit den Herrschern in Paris oder Wien.

Schlüter brachte die Arbeit für den neuen König kein Glück. Der Bau eines 96 Meter hohen Turms für die nahe gelegene königliche Münze scheiterte, es gab einen tödlichen Unfall, und der Turm, schon 60 Meter hoch gemauert, musste wegen des sumpfigen Untergrunds abgerissen werden. Schlüter sah sich Intrigen seines Konkurrenten Johann Friedrich Eosander von Göthe ausgesetzt und wurde 1707 als Schlossbaumeister entlassen, blieb aber zunächst Hofbildhauer.

Andreas Schlüters bekanntestes Werk: Reiterstandbild des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm

Schlüters bekanntestes Werk in Berlin ist das Reiterstandbild von Friedrichs Vater, dem Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der einst auf der Rathausbrücke stand, die damals Lange Brücke hieß. Jetzt steht das monumentale Werk im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg. Eine Kopie ist unter der Kuppel des Bode-Museums auf dem Original-Sockel ausgestellt. Berühmt sind auch die steinernen Gesichter sterbender Krieger am Zeughaus, dem Waffenarsenal der Brandenburger, an dem Schlüter mitgebaut hatte.

Andreas Schlüter starb in St. Petersburg, nachdem er in die Dienste des Zaren getreten war.

 

Quelle: BerlinerZeitung, 11.02.2019

 

 

5 Kommentare zu “„Götter ziehen um – Skulpturen von Andreas Schlüter wechseln in Berlin den Standort“

  1. Scheinbar ist man im Schlüterhof in den letzten Monaten recht weit voran gekommen zu sein. Schön wäre es ja, wenn wir das auch wieder per Webcam verfolgen könnten.
    Lg

  2. Ich seh mir auch jeden Tag per Webcam die Fortschritte am Schloss an, obwohl ja zur Zeit, der Jahreszeit geschultert nicht viel Veränderung zu erkennen ist, bis auf dem Rückbau der Infobox.
    Ja ich vermisse auch die Bilder vom Schlüterhof, den wohl schönsten Bereich den einst jener geniale Schlüter erschaffen hat.

  3. Das Schlossumfeld muss wohl noch auf seinen endgültigen Ausbau einige Zeit warten. Aber dann gehört selbstverständlich der Große Kurfürst zurück von seinem Interimsplatz im Ehrenhof des Charlottenburger Schlosses an die Rathausbrücke, wenigstens in die Nähe seines alten Platzes. In den Ehrenhof des Charlottenburger Schlosses gehört kein Reiterstandbild. Dieser Interimsplatz ist historisch und stilistisch krottenfalsch! Selbstverständlich gehören auch die Rossebändiger von Jürgensburg aus ihrem Exil in Berlins Peripherie im Kleistpark zurück auf ihre angestammten Plätze vor Portal IV. Ebenso selbstverständlich gehört der neobarocke Neptunbrunnen von Begas von dem leeren und modern zu bebauenden Rathausplatz zurück vor Portal II im Blickfeld der Breiten Straße. Der Schlossbau gehört eingebettet in das historisch und künstlerisch stimmige Umfeld.

    1. Leider sind das alles Wünsche und Träume! Mich wundert jedoch, dass man früher für den Bau der Wippe etwa eineinhalb Jahre veranschlagte, nun aber scheinbar etwa 5 Jahre dafür berechnet.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert