„Es wird. Aber nicht gleich“

07.10.2020   Der Tagesspiegel

Das Werden und das Experiment: Das Humboldt Forum eröffnet ab 17. Dezember etappenweise. Der reguläre Betrieb beginnt Ostern 2021.

Von Rüdiger Schaper

„Es wird gleich beginnen, es wird gleich begonnen, es beginnt gleich, es beginnt“, heißt es in einem fröhlichen Gedicht Ernst Jandls. Bei Hartmut Dorgerloh hört es sich so an: „Wir werden fertig. Wir machen auf. Wir fangen an. Wir werden Humboldt Forum“, lautet sein Mantra, und der Generalintendant der neuen Institution hinter der Fassade des alten Schlosses betont dabei das Werden, das Experimentelle.

Nun also: Am 17. Dezember um 10 Uhr morgens wird das Gebäude für das Publikum eröffnet, teilweise. Dann soll mit dem Schlüterhof und der Passage „ein neues Stück Berlin“ zugänglich sein.

Im Keller und Erdgeschoss wird dauerhaft die Geschichte des Ortes (der Palast der Republik, das Preußische und was vor dem Schloss war) zu studieren sein, und es wird – bisher nicht bekannt – eine Präsentation über die Brüder von Humboldt geben.

Dorgerloh sprach auf einer Pressekonferenz am Mittwoch von einem „ganzen Jahr voller Eröffnungen“. Tatsächlich handelt es sich um ein soft opening des Humboldt Forums, very soft und nicht zugleich. Am 3. Januar 2021 folgt „Nimm Platz!“, eine Ausstellung für Kinder, sie sind für Dorgerloh „eine besonders wichtige Zielgruppe“.

Drei Kernthemen: Stadt, Kolonialismus, Humboldt

Am 7. Januar eröffnet das Labor der Humboldt Universität und am 16. Januar die schon im Voraus viel diskutierte Präsentation „Berlin global“, eingerichtet von Kulturprojekte Berlin und dem Stadtmuseum. Um diese Zeit soll es die ersten Vorträge und Diskussionen im Humboldt Forum geben.

Dessen drei „Kernthemen“ sind laut Dorgerloh in Zukunft die Stadt und ihre Geschichte, die Humboldt’schen Prinzipien der Vernetzung, gesellschaftlichen Verantwortung und demokratischen Wissensvermittlung und der Riesenkomplex des Kolonialismus und der Kolonialität. Und über alldem schwebt die Pandemie.

Coronabedingt ist es zu Verzögerungen im Bau gekommen, sodass erst an Ostern nächsten Jahres der reguläre Betrieb beginnt. Ab Mai soll die erste Sonderausstellung gezeigt werden: „Schrecklich schön. Elefant, Mensch, Elfenbein“, ein großes Querschnittsthema, bei dem sich Umwelt- und Tierschutz, Sklaverei und Welthandel berühren.

Ein Haus der Kontroversen

Es wird Spätsommer, bis das Ethnologische Museum und das Museum für Asiatische Kunst eröffnen, die Sammlungen über Ozeanien und Afrika folgen Ende 2021.

Man müsse das Haus erst erkunden, sagt Dorgerloh, der die Höhe der Betriebskosten, getragen vom Bund und dem Land Berlin, nicht beziffern mochte. So viel nur: „Das Humboldt Forum wird teuer“, kein Wunder bei 30 000 Quadratmetern Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche.

Dorgerloh ist sich bewusst, dass es ein Haus der Kontroversen ist. Das fängt bei der Frage an, was ein Kreuz auf einer der Welt und all ihren Kulturen gewidmeten Einrichtung verloren hat, und zieht sich weiter in die Sammlungen hinein, deren Provenienz ja nicht Dahlem ist, vielmehr Afrika oder Lateinamerika.

Das Humboldt Forum sucht den direkten Kontakt zu den Herkunftsgesellschaften – auch das ist schwierig in einer Pandemie, da sich der Humboldt-Klassiker „Alles ist Wechselwirkung“ als brutal zutreffend erweist.

 

Quelle: Der Tagesspiegel, 07.10.2020

 

 

3 Kommentare zu “„Es wird. Aber nicht gleich“

  1. Die Vorfreude ist groß, schön das man bald einen Eindruck vom inneren bekommt.

    Das man im Vorfeld an die Kinder gedacht hat ist sehr Lobenswert ,
    gerade in den Museen kommen die Kinder viel zu kurz.
    Kinder wollen Gegenstände erleben, ausprobieren, anfassen, riechen usw.
    Ich habe das mit meinem Enkel schon miterlebt das es für sie schnell langweilig ist.
    Die ganze Familie braucht Bildung und da muss auch an die Kinder gedacht werden, indem auch für sie immer wieder
    Möglichkeiten zum erleben geschaffen werden.

  2. Wie schön, daß Sie es im letzten Absatz doch noch geschafft haben den Begriff „Pandemie“ für etwas unterzubringen was alles ist, nur keine „Pandemie“ und ebensowenig eine „Epidemie“ !

  3. Im Hinblick auf die jüngsten Schmierereien auf der Museumsinsel ist zu befürchten/ erwarten, dass die Fassaden des Schlosses sofort beschmiert werden sobald die Bauzäune gefallen sind. Ich schlage deshalb vor, Gelder ,die ursprünglich für die Fassaden vorgesehen waren stattdessen für Schutzmittelmittel auszugeben, die eine einfache Reinigung ermöglichen.

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