„Berliner Gebäude, die wir gerne abreißen und zerstören würden“

15.05.2021 – Berliner Zeitung

Stadtschloss, Hauptbahnhof, Mercedes-Benz-Arena, ICC – das sind die Berliner Bauten, die uns erschüttern. Unsere satirische Kolumne: Abrissbirne Berlin!

Von Jesko zu Donna

Das Berliner Stadtschloss

Ich finde ja die immense Abneigung, die unserer ehemaligen Herrscherfamilie der Hohenzollern derzeit entgegenschlägt, ziemlich einfältig. Zumal ich die Diskussion, ob der damalige Kronprinz in den 30er-Jahren dem Aufstieg des Nationalsozialismus – wie es der nachdenkliche Moderator Jan Böhmermann und einige Historiker böse behaupten – „erheblichen Vorschub geleistet“ habe, für ziemlich abwegig halte.

Ich habe in der Schule und später im Studium viele Abhandlungen zum Dritten Reich gelesen. Da tauchten viele schillernde Gestalten auf. Der Kronprinz allerdings wurde in der einschlägigen Literatur nie namentlich erwähnt. Er war einfach völlig unwichtig. Deswegen finde ich: Man sollte den Wiederaufbau des Stadtschlosses nicht von vornherein aus anti-imperialistischem Gehabe ablehnen. Denn künstlerisch haben die Hohenzollern viel für das damalige Kaff Berlin und seine angrenzenden Schmuddeldörfer wie etwa Cölln getan.

Der Grund, warum ich das Schloss jetzt dennoch abreißen möchte, ist, dass es einfach total schlampig geplant wurde. Fahren Sie mal nachts mit dem Auto oder dem Fahrrad vom Alexanderplatz über Unter den Linden Richtung Brandenburger Tor. Schaut man durch die Barockfenster ins Innere, dann stimmt gar nichts. Die Deckenhöhen passen nicht und aus dem Inneren funkeln grelle LED-Lampen nach draußen. Warum hat man es nicht gemacht wie beim Bernsteinzimmer? Einfach ordentliche Handwerker (die gibt es noch in Polen, aber in Deutschland nicht mehr) beauftragen und alles genau so wiederherstellen, wie es mal war. Das ist doch nicht so schwer. Wir haben schließlich alle ein bisschen Glamour verdient.

Das Schlimmste am Stadtschloss ist aber, dass man das Beste des alten Ensembles (seit 1443 war es die Residenz der Kurfürsten) einfach vergessen hat. Ob aus Faulheit oder Dummheit. Denn an der Ostseite – dort, wo heute am Spreeufer eine schnöde moderne Betonfassade ist – befand sich bis zur Sprengung 1950 der sogenannte Apothekerflügel. Das war der verwinkelt-verbauteste Teil des Schlosses.

Ein wildes, mit Efeu bewachsenes Potpourri von Türmchen und Giebeln diverser spätmittelalterlicher Baustile und Renaissance-Elemente. Dort gab es auch einen kleinen Bootsanleger, von dem aus die königliche Familie fast ungesehen in das Gewusel der Stadt entschwinden konnte. Ich finde es eine Schande, dass man den langweiligen Teil des Schlosses (Wilhelm II. soll es ja gehasst haben) mit LED-Leuchten und riesigen Glastüren (Westseite) wiederaufbaut und uns den schönsten Teil einfach wortlos unterschlägt. So, als hätte es ihn nie gegeben. Diese Sünde ist nicht zu entschuldigen und zeugt von der spießigen Respektlosigkeit des Deutschen Bundestags, der den Bau damals absegnete. Deswegen: Sprengmeister, übernehmen Sie! Danke.

Jesko zu Dohna

 

Quelle: Berliner Zeitung, 15.05.2021; Foto: Gritt Ockert, Förderverein Berliner Schloss e.V.

 

 

6 Kommentare zu “„Berliner Gebäude, die wir gerne abreißen und zerstören würden“

  1. „Berliner Gebäude, die wir gerne abreißen und zerstören würden.
    Unsere satirische Kolumne.“

    In dieser Kolumne stehen neben Unsinn auch ein paar Stücke Wahrheit, wie z.B.

    „……den schönsten Teil einfach wortlos unterschlägt. So, als hätte es ihn nie gegeben. Diese Sünde ist nicht zu entschuldigen und zeugt von der spießigen Respektlosigkeit des Deutschen Bundestags, der den Bau damals absegnete. ……“

    Das ist nicht nur spießig, sondern auch kleinkariert. Bundestag eben!
    Danke CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne, Linke!

    1. Und wenn man jetzt durch die Barockfenster schaut und LED – Lampen sieht, so lässt sich das auf die Dauer ändern: Es liegen genaue Fotos der Innenräume vor, nach denen unsere tüchtigen Handwerker
      die Barock-Räume leicht wieder herstellen können. Sie haben ihre Kunst am Äußeren des Schlosses bereits bewiesen. So geben Sie bitte Ihre Stimme für dieses gewiss lohnende Zukunftsprojekt. Eine Idee liegt schon konkret vor: Die Wiederherstellung der Herkules-Treppe!

  2. Das Schloss sollte doch als Museum wiederaufgebaut werden. Ergo „imitiert“ es zwar das Schloss, dass Ulbricht in die Luft jagen ließ, doch sollte es nicht allein als Schloss wirken, sondern als Museumsbau. Daher die glatte Fassade an der Spree. Und vorne soll statt dem berühmten Reiterdenkmal eine Wippe entstehen, die als „Einheitswippe“ gedacht ist, gebaut werden. Schön! Da sind ein paar umstrittene Punkte, doch das Alles wurde zuerst von den Nazis, dann von der DDR und ihrer Führung und nach dem Kollaps erst möglich. Nochmals: Ich habe ein Museum, kein Schloss, in dem ein Monarch wohnt. Und selbst wenn, hätte der Monarch möglicherweise ähnlich oder noch anders gehandelt. Darüber endgültig zu diskutieren, ist müßig. Grund: Hitler entfesselte den Zweiten Weltkrieg, der das Schloss beschädigte. Ulbricht jagte es in die Luft, um einen Paradeplatz zu haben. Honecker ließ den Palast der Republik erbauen und jetzt steht eben wieder dieses Schloss. Wenn mal alles mit der Wippe und mehr fertig ist, kann man immer noch Sch…. dazu sagen. das bleibt jedem unbenommen.

  3. Sehr geehrter Herr zu Dohna,
    Sie hatten scheinbar nicht Gelegenheit, sich mit dem Rekonstruktionsprojekt der Schlossfassaden im Detail zu beschäftigen. Es handelt sich ja hier um den Wiederaufbau der barocken Fassaden, nicht des Schlosses – Herr von Boddien hat dies von Anfang an in seinem Engagement an deutlich gemacht. Auch Ihr Wissen bezüglich des „Dritten Reiches“ hat wohl seine Grenzen. Es ist sehr wohl bekannt, dass der letzte deutsche Kronprinz seinerzeit Adolf Hitler auf seinem Gut empfangen hat – und ihn damit gesellschaftlich akzeptabel machte. Ebenso hat sich Hermine von Reuss mit Goebbels getroffen. Der letzte deutsche Kaiser hat übrigens die Nationalsozialisten strikt abgelehnt.
    Natürlich haben die barocken Fassaden recht wenig mit den Hohenzollern des 19./20. Jahrhunderts zu tun.
    Es geht ja hier um Architektur und Städtebau – NICHT um die Rekonstruktion einer königlichen Residenz.
    Hans H Meisner

  4. „Es ist sehr wohl bekannt, dass der letzte deutsche Kronprinz seinerzeit Adolf Hitler auf seinem Gut empfangen hat … .“ Da haben wir es, das Kontaktverbrechen. Hoffentlich möchte der Beiträger jetzt nicht alle, die mit Adolf Hitler mal in Kontakt gekommen sind, in Acht und Bann tun. Mit Hitler haben viele gesprochen, die ihn z. B. für die Wiederherstellung der Monarchie engagieren wollten, um aus den chaotischen Zuständen der Weimarer Republik herauszukommen. Selbst Vertreter der SPD freundeten sich mit dem Gedanken einer Restauration an, das Zentrum sowieso. Wenn Sie so tun, als hätten die damals Lebenden unter den damaligen schlimmen Bedingungen so handeln müssen, wie Sie es sich mit Ihrem heutigen Wissen vorstellen, dann sind Sie auf dem Holzweg. Auch unsere Vorfahren haben eine faire Beurteilung verdient. Was sagen Sie übrigens zu den vielen ausländischen Besuchern Adolf Hitlers vor und nach der Machtübernahme? Die hätten es doch auch wissen müssen.

  5. Interessante Stellungnahmen für ein Bauprojekt auf der Museumsinsel,dass fälschlicherweise als „ Wiederaufbau Berliner Schloss „ bezeichnet wird. Die Ausschreibung war keineswegs als Schlossneubau anvisiert,sondern als Museum für Kulturen im Herzen Berlins,wo einst das ehemalige Stadtschloss kriegszerstört stand und 1950 mutwillig gesprengt wurde. Da Deutschland keine Monarchie ist,entbehrt jeglicher sentimentale Gedanke,dort wieder ein Schloss mit Apothekergarten u.s.w. aufzubauen. Dafür hätte der damalige Bundestag auch keine Genehmigung erteilt.Der Siegerentwurf von Franco Stella entspricht im wesentlichen seiner kulturellen Vorgabe und der fast fertige Komplex gibt Berlins Mitte einen nahezu ursprünglichen Zustand zurück. Und was die moderne Ostfassade anbelangt,ist gerade sie eine Anlehnung an den Tempel der ägyptischen Pharaonin „ Hatschepsut „ die dem Forum das gewisse Etwas verleiht mit Nutzungsmöglichkeiten,die einem Weltmuseum den nötigen Pfiff geben.

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