Fundstück zum Schloßabriß

Zitat:

"Aber fünf Jahre nach dem Krieg ließ Walter Ulbricht das Schloß abreißen, und weil das gar nicht ganz leicht ging – die Mauern waren zum Teil einige Meter stark – rückten Sprengkommandos an, die mit sowjetischem Dynamit in monatelanger Arbeit Flügel für Flügel in die Luft sprengten. Nicht nur in den westlichen Stadtteilen, selbst im sowjetischen Sektor fanden Protestversammlungen statt. Kunsthistoriker aus der ganzen Welt, der siebzigjährige Richard Hamann aus Leipzig als Bannerträger voran, schickten Protestadressen, und sogar im Zentralkomitee der inzwischen "Sozialistische Einheitspartei Deutschlands" benannnten Kommunistischen Partei regte sich Widerspruch.
Auf einer dieser Versammlungen ergriff Kurt Liebknecht, der Neffe von Rosa Luxemburgs Liebknecht, selber ein alter Kommunist, das Wort: "Genossen, ich höre immer, daß die Zwingburg der Junker abgerissen werden müsse. Aber ich habe noch nie einen Junker mit einer Maurerkelle oder einem Hobel gesehen. Genossen, ihr wollt das Werk deutscher Arbeiter zerstören. Das ist unser Schloß, nicht das Schloß der Hohenzollern".
Aber es half nicht. Ulbricht wußte nichts von der Geschichte des Schlosses und begriff nichts von seiner Bedeutung, und er scherte sich auch nicht darum. Manche seiner ehemaligen Kampfgefährten, vor allem Wilhelm Zaisser und Rudolf Herrnstadt, beide Mitglied des Politbüros, die er später wegen einer angeblichen Parteirevolte stürzte, behaupteten sogar, daß er daß Schloß als Symbol des alten Deutschland immer schon gehaßt habe."

Quelle: Wolf Jobst Siedler, "Abschied von Preußen", Siedler Verlag, 2000, S.125-126 (copyright-Hinweis: Verwendung der Quelle im Sinne eines wissenschaftlichen Zitates ohne jeglichen kommerziellen Hintergrund)

"Das ist unser Schloß, nicht das Schloß der Hohenzollern."

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Dreikant

7 Kommentare zu “Fundstück zum Schloßabriß

  1. Bei der Visualisierung der "Arbeiten" des Sprengkommandos in der Ruine des Berliner Stadtschlosses drängen sich mir förmlich die Bilder der "Arbeiten" des SS-Sprengkommandos in den Resten des ausgebrannten Warschauer Stadtschlosses gegen Ende des 2. Weltkrieges auf.

    Derselbe Ungeist, den wir hoffentlich gegenwärtig überwunden haben.

    Dreikant (leicht off topic)

  2. Schade, das niemand auf meinen Beitrag geantwortet hat. Eigentlich wollte ich damit eine Brücke zu den Leuten schlagen, die aus ideologischen Gründen gegen das Schloß sind. Aber offensichtlich sind die Gräben da zu tief. Und alles ist schon gesagt.

    Honecker soll übrigens den Abriß des Schlosses bereut haben. Im restaurierten Schloß hätte er eben ausländische Staatsoberhäupter wesentlich würdiger empfangen und beeindrucken können, als in dem im lächerlichen Prolo-Look gehaltenen PdR (das architektonische Äquivalent zum Opel Manta).

  3. Ich bin nach wie vor für das Humboldtforum mit den Schloßfassaden, dem Schlüterhof und der Kuppel. Natürlich auch für die mögliche Wiederherstellung der Ostfassade!

    Meine Meinung hat sich durch Ihren Beitrag also nicht geändert;-)

  4. @ Dreikant

    Verehrter Dreikant, einen Unterschied gab es schon zwischen der Sprengung des Berliner- und des Warschauer Schlosses. In Warschau wurde fremde Kultur zerstört, was noch verwerflicher ist, als wenn man die eigene meint zerstören zu müssen.

    Da ich der Anglizismen nicht immer mächtig (sein möchte) bin, was bedeutet denn "off topic"?

  5. @Füxlein, was die Zerstörung des Warschauer Schlosses angeht, muß ich Ihnen Recht geben, da ging es darum, polnische Kultur zu zerstören, nachdem man im Dritten Reich den Polen Kultur überhaupt absprach.

    Was die Anglizismen anbetrifft, so sind diese im Internet (schon wieder einer) leider nicht immer zu vermeiden: "off topic" bedeutet im Netz international soviel wie "vom Forumsthema abweichend", was manchmal ein Forum beleben kann, aber bei einem Zuviel ein Forum bis zur Unkenntlichkeit zumüllen kann.

  6. @Richard, da sind wir ja einer Meinung.

    Ich habe den Text eigentlich hier zitiert, um zu zeigen, daß der Schloßabriß nicht von den "Kommunisten" oder vom Zentralkommitee der SED zu verantworten ist, sondern auf die Entscheidung einer einzigen Person – Ulbricht – zurückzuführen ist, und daß selbst führende Kommunisten gegen den Abriß waren (als geistige Anregung für Leute, die aus rein politischen Gründen gegen das Schloß sind).

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