Es sind Frässpuren eines Roboters! Er ist der schnellste, ausdauerndste und genaueste Bildhauer!

Bei der Herstellung der Schlossfassaden und ihres skulpturalen Schmucks wird das Kunstwerk aus dem Stein „befreit“. Nicht selten bleiben von einem 10-Tonnen-Rohsteinblock nach der Fertigstellung der Skulptur nur noch 5 Tonnen übrig, das andere Material wird weggeschlagen. Die menschliche Arbeitskraft eines Bildhauers wird hierfür eigentlich unproduktiv eingesetzt, weil man ja nicht mehr sieht, was weggeschlagen wurde. Diese Arbeit übernimmt nun der computergesteuerte Roboter.

Das künstlerisch perfekt dem Original nachempfundene, von einer Fachkommission als authentisch abgenommene 1:1 Modell wird dreidimensional eingescannt. Dieser Scan wird von dem Computerprogramm interpretiert, das dann den Roboter steuert, millimetergenau der Vorlage entsprechend. Der Roboter entfernt fast 97 % des überschüssigen Steins. Er schlägt nicht, sondern er fräst mit Spezialwerkzeugen die Figur aus dem Stein heraus, gekühlt von einem permanenten Schwall von Wasser. Bei seiner Arbeit kommen verschiedene Werkzeuge zum Einsatz, mit denen er sich, ebenfalls programmgesteuert, selbst bedient. Theoretisch könnte er 24 Stunden im Dienst sein. Die Fräsmethode ist steinschonender als der Meißelschlag, weil mit ihr schlagbedingte Haarrisse im Stein gar nicht erst entstehen können. Damit wird die Lebensdauer des Steins entscheidend verlängert. Der Bildhauer „beseitigt“ jetzt nur noch knapp 3 % des Materials – und gibt dem Stück die entscheidende künstlerische Note. Durch diese Rationalisierung wird die Kapazität eines Bildhauers verdreißigfacht. Damit können alle Kapazitätssorgen beseitigt werden. Es gibt genug qualifizierte Bildhauer!

So entsteht ein Gesimsprofil. Eine vom Laserstrahl gesteuerte Säge sägt
Stege in den Stein. Diese werden danach weggebrochen und das Profil von
Hand weiter ausgearbeitet.

Die Architekturzeichnung des Bukranionfensters mit den Fugen für den späteren Steinschnitt.

Der Roboter fräst die Verdachung des Bukranionfensters.

Das Bukranionfenster, dreidimensional in den Computer eingescannt.

Fräsen einer anderen Fensterverdachung

Fräsen eines korinthischen Kapitells

Der vorgefertigte Körper eines Kapitells, bereit zur Weiterverarbeitung

Die Dynamik des Roboters: Steinschonendes Arbeiten durch Fräsen mit hohen Umdrehungen, statt den Stein zu schlagen

Die Vielfalt der Bildhauerwerkzeuge für den Druckluftmeißel

Aber: Der wichtigste und künstlerisch beste Bildhauer ist nach wie vor der Mensch!

Berliner_Extrablatt_Ausgabe-83_low_Seite_39_Bild_0003Qualifizierte Ausbildung, langjährige Erfahrung, Leidenschaft für den preußischen Barock, gekoppelt mit intensiver Kenntnis darüber, das zeichnet unsere Schlossbildhauer aus! Der Computer erleichtert die Arbeit, weil er das Kunstwerk aus dem Stein maßgenau befreit, in viel kürzerer Zeit als ein Mensch es je könnte. Aber er weiß nichts von der Kunst des Barocks, er hat kein Augenmaß. Der Bildhauer ist und bleibt deswegen unentbehrlich. Mit modernen Druckluftwerkzeugen, fein dosierbar, bearbeitet er den Stein weiter und gibt ihm die individuelle, künstlerische Schönheit, ganz dicht am verlorenen Original.

Früher führte eine Hand den Meißel, die andere den hölzernen Schlegel. Jetzt kann der Bildhauer den Druckluftmeißel mit beiden Händen führen, den Schlag elektronisch regeln und damit noch mehr Feinheiten des Kunstwerks mit der nötigen Zeit und Sorgfalt gestalten. Da die körperliche Kraft und Ausdauer weniger beansprucht werden, öffnet sich der Beruf nun auch zunehmend Frauen.

8 Kommentare zu “Es sind Frässpuren eines Roboters! Er ist der schnellste, ausdauerndste und genaueste Bildhauer!

  1. Vielen Dank für diesen interessanten Artikel. Ich bin begeistert von den technischen Möglichkeiten, die dem Bildhauer heutzutage zur Seite stehen.

  2. Haha! Das sieht aus wie ein Modell eines Gebäudes, das uns die Modernisten als „Architektur“ zu verkaufen suchen… 😉

  3. leider sind die so gefertigten werkstücke trotz endbearbeitung per hand (oder pressluft) in gewisser weise überexakt und lassen die ganzen kleinen, kaum sichtbaren ungenauigkeiten der von hand aus dem bossen geschlagenen werkstücke des barock vermissen. die neu hergestellten steine, insbesondere was flächen oder reine profilarbeiten angeht, werden dadurch in ihrer perfektion oft unangenehm hart und kalt und wirken mehr wie die exakten steinhauerarbeiten etwa des späten 19, jh. kann man sehr schön etwa am braunschweiger schloss oder an der rekonstruierten gotischen rathausfassade in wesel sehen.
    das sieht/spürt aber oft nur der fachmensch…

  4. Grünau! Hätte Schlüter schon den Beton gekannt, würde der Schlossrohbau so ausgesehen haben, wie jetzt. 😉

  5. Ich finde es bezeichnend, wieviel Anteil an diesem Projekt genommen wird, und zwar nicht nur an dem Endergebnis, sondern auch an dem Weg dorthin. Und vor allem finde ich es super, dass durch Artikel wie diesen dem Fachfremden wie mir nahe gebracht wird, welche Mühen man auf sich nimmt, um dem Original so nahe wie möglich zu kommen! Vielleicht würden auch die beteiligten Handwerker (besser: Künstler) lieber jedes Teil komplett von Hand klopfen. Das hätte man aber weder finanzieren können, noch wäre die erforderliche Zeitschiene akzeptabel gewesen.

    Nun kann ich den ug. Einwand nachvollziehen: natürlich fehlt einem neuen Bau, der mit heutigen Präzisionswerkzeugen erstellt wird, Patina und Charme, die nur die Zeit bringen kann. Frost und Wärmeausdehnung lassen Sand vom Sandstein abbröseln, Abgase, Algen und Tauben lassen Naturstein dunkeln, usw. Als der Kölner Dom im vorletzten Jahrhundert vollendet wurde, waren die Bürger vom Anachronismus der Gotik ebenfalls irritiert, und die Tatsache, dass alles hell und neu aussah, machte die Sache nicht besser.
    Wenn man ehrlich ist, sieht auch die Frauenkirche zu „neu“ aus, das kann auch die Verwendung der dunklen Originalteile nicht wirklich verhindern. Die Fresken sind zu leuchtend, die Vergoldungen blinken zu gülden, und die Holzarbeiten sehen fabrikneu aus. Auch entsteht eine Spannung zum Dresdner Schloss und den übrigen barocken Gebäuden. Sie wurden eben schon direkt nach dem Krieg teilergänzt, und Zeit und Abgase haben die Unterschiede gnädig nivelliert.

    Das Schloss wird im Vergleich zu Dom und die anderen umgebenden Gebäude natürlich viel zu neu aussehen. Aber darüber wird man in 20-30 Jahren vermutlich kein Wort mehr verlieren. Ich persönlich würde es albern finden, wenn man künstlich den Eindruck von „alt“ erzeugen wollte. Wünschen wir dem neuen Schloss, dass es friedlich und lange altern darf und nicht ein Schicksal erleidet wie sein Vorgängerbau…

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