24.04.2024 – Berliner Zeitung
Der Schriftsteller Friedrich Dieckmann war Mitglied der Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“. Er präzisiert die Darstellung der Stiftung Humboldt-Forum in einem Punkt.
Friedrich Dieckmann
Mit schweren Vorwürfen hat der Architekt Philipp Oswalt in einem Interview mit der Berliner Zeitung die Stiftung Humboldt-Forum konfrontiert und ihr vorgeworfen, Nebelkerzen zu zünden und zu lügen. Oswalt, seit jeher Gegner des neu gebauten Berliner Stadtschlosses, kritisiert in seinem neuen Buch „Bauen am nationalen Haus“ die Intransparenz hinsichtlich der Spender. Daraufhin wehrten sich Hartmut Dorgerloh, der Präsident der Stiftung Humboldt-Forum, und der Stadtschloss-Architekt Franco Stella und widersprachen in der Berliner Zeitung vehement, Oswalts Behauptung, rechte Spender hätten Einfluss auf die Rekonstruktion der historischen Fassade des Stadtschlosses genommen. Nun meldet sich der Schriftsteller Friedrich Dieckmann zu Wort. Er war Mitglied der im Jahr 2000 eingesetzten Internationalen Expertenkommission „Historische Mitte Berlin“, die im Auftrag der Bundesregierung und des Berliner Senats Empfehlungen für die Nutzung und Gestaltung des Berliner Schossplatzes entwickelte.
Der Beitrag von Hartmut Dorgerloh und Franco Stella über das bauliche Konzept des Humboldt-Forums bedarf an einer Stelle der Präzisierung. Die Autoren schreiben im Blick auf die Wiederherstellung der Kuppel von 1856 über dem Westportal des Gebäudes, dass diese Kuppel „sich bereits die von Philipp Oswalt erwähnte Expertenkommission explizit vorstellen konnte“. In den Empfehlungen der vom Bundesbauministerium und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Jahre 2001 einberufenen Kommission war die Kuppel nicht enthalten. In der „Begründung und Erläuterung der Empfehlungen“ im detaillierten Abschlussbericht der Kommission, die eine Vorlage für die Bundestagsentscheidung zu erarbeiten hatte, wird dieses Fehlen mit dem Zusatz erläutert: „… was hier möglich und tunlich ist, muss die Arbeit am architektonischen Entwurf klären.“
Das geschah in dem 2008 siegreichen Entwurf von Franco Stella, dem auf Antrag und mit den Stimmen der Regierungskoalition aus CDU und FDP am 11. Dezember 2007 ein Beschluss des Deutschen Bundestags vorangegangen war; dieser schrieb „die Festlegung zur Errichtung einer Kuppel im Bereich des ehemaligen Hauptportals als Vorgabe des Bauherrn“ fest. Franco Stella ebenso wie die jeweils mit einem dritten Preis bedachten Architekten Hans Kollhoff und Christoph Mäckler entschieden sich in ihren Wettbewerbsbeiträgen für die Rekonstruktion der historischen Kuppel von August Stüler; der mit einem Sonderpreis bedachte Entwurf von Johannes Kuehn zeigte stattdessen einen ausgedehnten gläsernen Aufsatz.
Der mit einem weiteren dritten Preis bedachte Entwurf von Ecchelli e Campagnola für sein Teil präsentierte eine abstrahierend-vereinfachte Version der Stüler-Kuppel. Der nun vollendete Schlüter-Eosander-Stella-Bau macht deutlich, dass es keine mit Stadtbild und Westfassade verträgliche Alternative zu der Kuppel von August Stüler geben konnte. Dass deren Erneuerung mit derselben gleichsam denkmalpflegerischen Treue erfolgen musste wie bei den Fassaden von Schlüter und Eosander, ergab sich aus Stellas Gesamtkonzept mit seinem klaren Kontrast wiedererstandener alter und zeitgenössisch neuer Partien des Bauwerks. Die Stüler-Kuppel durch Entfernung bestimmter Teile zu zensieren, schloss dieses Konzept definitiv aus.
Eosanders Kuppel war als Triumph-Bau der preußischen Monarchie gedacht
Dass Stülers seit 1846 im Bau befindliche Kuppel aus der Auseinandersetzung mit einem nicht realisierten Entwurf des Schlüter-Nachfolgers Eosander aus der Zeit um 1710 hervorgegangen war, hat vor einiger Zeit der Potsdamer Architekturhistoriker Peter Stephan aufgewiesen.
Eosanders auf zwei Säulengeschosse gesetzte Kuppel mit einer von Frauenfiguren getragenen Königskrone als Laterne war als Triumph-Bau der jungen preußischen Monarchie gedacht, Stülers von Friedrich Wilhelm IV. inspirierte Kapellenkuppel folgte anderen Vorgaben. Durch acht am Sockel wachhabende Prophetengestaltenunterstellten sie das Königtum gleichsam göttlicher Dreinrede; diese Sockelfiguren trugen die Namen wortgewaltiger Warner gegenüber der Abirrung weltlicher Macht von göttlichen Geboten.
Es war das alte Israel, dem die Mahnungen wie die Verheißungen dieser Jesaja und Jeremias, Hosea und Ezechiel gegolten hatten; nur der von einem Walfisch ausgespuckte Jona hatte seinen Zorn gegen das assyrische Ninive gerichtet. Man muss der den Kuppelbau vervollständigenden Erneuerung dieser Figuren keinen aktuellen Sinn unterlegen, aber dass jede politische Herrschaft, die sich der Zukunft versichern will, warnende Stimmen nicht ausschlagen sollte, kann, wer will, aus dem Prophetenkranz herauslesen.
In der Unterzeile war zuvor von Korrektur die Rede, tatsächlich handelt es sich um eine Präzisierung.
Quelle: Berliner Zeitung, 24.04.2023