Harald Martenstein: „Schutz der Meinungsfreiheit“ gilt in woken Kreisen also schon als rechter Jargon

Aktueller Beitrag vom 18.07.2022 in der WELT:

 

Von Harald Martenstein

Der „Tagesspiegel“ warnt vor „Rechten und Antidemokraten“ im Umfeld des Berliner Humboldt Forums. Dort würden Wörter benutzt, die „auch in der neurechten Szene populär“ seien. Beispiel: „Schutz der Meinungsfreiheit“. Wenn man dafür angeprangert wird – wo soll das noch hinführen?

 

Bei uns in Berlin haben sie das Stadtschloss wiederaufgebaut, ein Teil dieses Projekts wurde mit Hilfe von Spenden finanziert. Die Spenden hat ein Förderverein beschafft, dessen Geschäftsführer heißt Wilhelm von Boddien.

Das alte Schloss war auf Befehl von Walter Ulbricht gesprengt worden, weil dort Kaiser Wilhelm residierte und das Gebäude nach Ansicht der Kommunisten dessen bösen Geist ausstrahlte und nicht den guten kommunistischen Geist. Kaiser Wilhelm war nämlich ein Reaktionär, bei Kaisern ist dies ja meist der Fall.

Ich habe auch gespendet

Ganz schön fand ich das Schloss aber trotzdem, und ich bin auch sehr dankbar dafür, dass schloss Versaille und Windsor Castle nicht in Deutschland liegen. Insofern waren sie sicher vor dieser Facette des Wahnsinns.

Jetzt besteht laut „Tagesspiegel“ der Verdacht, dass das neue Schloss teilweise „von Rechten und Antidemokraten“ finanziert wurde, mit Hilfe dieser Spenden. Dass Jan Böhmermann oder Ferda Ataman keine Millionen für ein deutsches Schloss spenden würden, war irgendwie zu erwarten. Weil ich auch ein paar Euro für den Schlossbau gespendet habe, wollte ich wissen, woran „Rechte und Antidemokraten“ eigentlich zu erkennen sind. Dankenswerterweise wurde das im „Tagesspiegel“ auch genau erklärt.

Der Förderverein bediene sich in seinem Magazin eines Vokabulars, das „auch in der neurechten Szene populär ist“. Dort gehe es etwa „um den Schutz der Meinungsfreiheit“, und man warne vor „Gesinnungsüberprüfung“, so hießen zwei von mehreren Kriterien. Das also gilt heute, in woken Kreisen, als rechter Jargon.

Und es trifft eindeutig auf mich zu. Ich bin eigentlich schon seit etwa 40 Jahren rechts, nachweislich so lange bin ich für den Schutz der Meinungsfreiheit und gegen Gesinnungsüberprüfungen. Hunderte Kommentare belasten mich. Früher haben die Hippies und Spontis und Libertären natürlich alle irrtümlich gedacht, sie seien Linke. Gut, dass ich’s jetzt besser weiß.

Sprengt das Schloss

Das Humboldt-Forum, die Hausherr*in im Berliner Schloss, will nun die Regeln für Spender überarbeiten lassen. Künftig sollen Spenden von Menschen nicht mehr angenommen werden, deren Äußerungen gegen „soziale, ethische und ökologische Standards verstoßen“.

Leute, die einen SUV fahren oder behaupten, es gebe nur zwei Geschlechter, dürfen in Zukunft nicht mehr für die Caritas spenden, verstehe ich die Intention richtig? Konsequent wäre es natürlich, das neue Schloss jetzt ebenfalls, wie bei Walter Ulbricht, wegen politischer Unreinheit zu sprengen und das Gelände an Jan Böhmermann und die „Neuen deutschen Medienmacher“ zu übergeben, damit sie dort irgendwas Korrektes hinstellen, egal was.

Manchmal habe ich das Gefühl, in einen bösen Traum hineingeraten zu sein. Ist das wirklich die Wirklichkeit? Kann man in Deutschland in einer Tageszeitung angeprangert werden, weil man für Meinungsfreiheit ist und gegen Gesinnungsüberprüfungen? Merkt niemand, wo das hinführt? Muss man das D-Wort hinschreiben? Warum ruft niemand „Stopp“ und spult den Film zurück?

Jeder kommt dran, jeder, der noch einen abweichenden Gedanken wagt. Denken ist generell zum Risiko geworden. Es betrifft auch Richard Schröder, Mitgründer der SPD in der DDR, Vorsitzender des Schloss-Fördervereins. Er hat es gewagt, Anklagen wie „rechtsextrem“ oder „rechtslastig“ als „schwammig“ zu bezeichnen, er will also Belege sehen.

Im „Tagesspiegel“ wird daraus, ganz im Stile des „Neuen Deutschland“: „Richard Schröder erkennt offenbar kein Problem in Spenden Rechtsextremer“, so hört es sich heute an, wenn Messer gewetzt werden.

Wehret den Anfängen? Über die Anfänge sind wir doch lange hinaus.

 

Quelle: WELT, 18.07.2022

 

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2 Kommentare zu “Harald Martenstein: „Schutz der Meinungsfreiheit“ gilt in woken Kreisen also schon als rechter Jargon

  1. Um es ganz einfach zu sagen: Das Schloss wurde nur von rechten Kräften aufgebaut. Und auch die Spenden für den Wiederaufbau kamen ausschließlich von rechten Kräften, denn die lineken Kräfte haben bekanntlich das Schloss abgerissen, und kein Linker kam jemals auf die Idee für das Schloss zu spenden. Folglich ergibt sich entsprechend der linken Idiologie die Tatsache, dass das Schloss rechtes Machwerk ist. Wer aber leg5t die Norm für Rechts oder Links fest? Aus der Sicht der Linken sind alle, die nicht so denken und handeln wie sie, Rechte und damit Staatsfeinde. Das kann uns aber nicht daran hindern weiter für die Fertigstellung des Humboldt Forums Spenden einzuwerben. Ich bin gespannt, wann mir meine erste eigebrachte Spende aus politiscchen Gründen abgelehnt wird.

  2. Ich finde die aggressive Agitation um das Stadtschloss, aus der linken politischen Szene unerträglich, zeigt sie doch, daß es den Agitatoren nur darum geht anders denkenden den Stempel des ewig gestrigen aufzudrücken.Was sich daraus entwickelt hat, haben wir in den Jahren des kalten Krieges erlebt. Ich persönlich bin jedesmal erschüttert über die Argumentation dieser Kreise.
    Ihnen wünsche ich weiterhin eine glückliche Hand, ihre Pläne umzusetzen, verbunden mit der Hoffnung
    des guten Gelingens das Schloss zu dem kulturellen Ort der Begegnung zu entwickeln, den wir uns alle wünschen.

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