Räumfahrzeuge der Polizei, eine Hundertschaft von Polizisten mit Helmen, Schutzschildern und Schlagstöcken. Das gehört am Taksim-Platz in Istanbul fast schon zum Alltag. Um für Demonstranten gerüstet zu sein, nimmt die Polizei täglich ihre Bereitschaftsposition direkt neben dem Eingang zur Taksim Cumhuriyet Sanat Galerisi ein. Genau in dieser städtischen Galerie war im Januar die Wanderausstellung über das Berliner Schloss – Humboldtforum zu sehen – nach verschiedenen Stationen in den Hauptstädten Europas.
Bevor das Humboldtforum im Jahr 2019 eröffnet und in Berlin zum zentralen Ort für den Dialog der Kulturen der Welt wird, soll diese Ausstellung das größte Kulturprojekt der Bundesrepublik Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts international bekannt machen. Überraschend ist jedes Mal das große Publikumsinteresse im Ausland an dem Projekt.
Der Ausstellungsort in Istanbul am Taksim Platz ist besonders bemerkenswert. Auslöser für die Demonstrationen in Istanbul war die geplante Rekonstruktion einer osmanischen Kaserne am Taksim-Platz, die als Einkaufszentrum genutzt werden soll.
Im Vorfeld der Ausstellung wurden Gespräche mit dem türkischen Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu in Berlin sowie mit dem verantwortlichen Kultursenator von Istanbul Ali Altintas (stellvertretender Generalsekretär der Großstadtverwaltung Istanbul) geführt. Diese Gespräche zeigten eine große Aufgeschlossenheit und das hohe Interesse der türkischen Politik, frühzeitig am Humboldtforum als Dialogort der Kulturen mitzuwirken.
Die Ausstellung über das Humboldtforum zeigt aber auch, wie wichtig der intensive gesellschaftliche Dialog vor einer abschließenden Entscheidung über ein so großes Projekt ist. In Deutschland waren dazu über 20 Jahre nötig, bis schließlich mit großer Mehrheit ein fraktionsübergreifender Beschluss durch den Deutschen Bundestag für die Rekonstruktion des Berliner Schlosses als Humboldtforum getroffen wurde. Im Vordergrund standen dabei die politische wie geschichtliche Bedeutung der städtebaulich-architektonischen Rekonstruktion des Berliner Schlosses und dessen inhaltliche Transformation in ein Kulturzentrum. Die dabei gesammelten Erfahrungen sind sowohl für die türkischen Politiker wie auch für die türkische Kulturszene von großem Interesse. Erfreulich war daher die entsprechende politische Unterstützung für die Ausstellung an diesem Ort.
Bei der Ausstellungseröffnung informierten sich ranghohe türkische Vertreter aus Politik und Verwaltung über den Umgang mit der Öffentlichkeit in Deutschland bei der Umsetzung eines solch bedeutenden Kulturbauprojektes in Verbindung mit der Rekonstruktion eines historischen Gebäudes – denn das verbindet beide Projekte: Auch am Taksim-Platz geht es um die Rekonstruktion einer historischen Kaserne aus osmanischer Zeit, in die allerdings keine kulturelle sondern eine kommerzielle Nutzung einziehen soll.
Dass in Deutschland ein solches Projekt zunächst mehr als 20 Jahre in der öffentlichen Diskussion stand, wurde von der türkischen Seite mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Die heutige Türkei entwickelt sich in einem rasanten Tempo, so dass langwierige Planungsvorläufe wie beim Berliner Schloss dort kaum vorstellbar sind. Nach den Erfahrungen am Taksim-Platz und den durch das geplante Rekonstruktionsprojekt bewirkten Demonstrationen dürfte es hier aber zu Veränderungen kommen. Auch insofern kommt die Ausstellung über das Berliner Schloss – Humboldtforum zu einem günstigen Zeitpunkt. Professor Franco Stella, Architekt für das Berliner Schloss Humboldtforum, nahm an der Ausstellungseröffnung in Istanbul teil. Er wurde gefragt, ob er sich vorstellen könne, die Planung der Rekonstruktion der osmanischen Kaserne auf dem Taksim-Platz als Kaufhaus auszuführen. Er sagte, nach seiner Auffassung müsse es das Ziel sein, eine passende Verbindung zwischen der teilweisen Rekonstruktion einer alten Form, die für die Identität eines Ortes wichtig war und ist, und einer modernen, zivilgesellschaftlich interessanten Nutzung des Gebäudes zu finden. Diese Frage für den Taksim-Platz zu diskutieren, das wäre sehr interessant und zeige die Parallelen zum Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldtforum.
Neben der Aufmerksamkeit auf politischer und administrativer Seite fand die Ausstellung auch in der Wirtschafts- und Kulturszene von Istanbul lebhaftes Interesse. So besteht eine Partnerschaft mit der Contemporary Istanbul, deren Hauptsponsorin Suzan Sabanci ist. Architekten und Kulturschaffende, wie zum Beispiel der auch in Deutschland bekannte Künstler Hanifer Yeter, haben sich die Ausstellung angesehen. Sie sehen im Humboldtforum einen idealen kulturellen Zugang nach Berlin, Deutschland und Europa. Schon heute gibt es den Wunsch, langfristig mit dem Humboldtforum zu kooperieren. Unterstrichen wurde dieser Wunsch auch bei einer Podiumsdiskussion in der Hacettepe Universität in Ankara, die sich ebenfalls mit eigenen Beiträgen in das Projekt Humboldtforum einbringen möchte.
In Ankara war die Ausstellung bereits im November des vergangenen Jahres im Cer Modern zu sehen. Über 10.000 Menschen haben dort die Ausstellung besucht. Das Ausstellungshaus wird geleitet von Helun Firat, die ebenfalls langfristig mit dem Humboldtforum kooperieren möchte. Die Kontakte in die Türkei hat Cetin Güzelhan vermittelt, ehemaliger Student von Prof. Horst Bredekamp an der Humboldt-Universität in Berlin und derzeit einer der engagiertesten türkisch-deutschen Kulturvermittler. Die Ausstellungen in Ankara und Istanbul liefen in Kooperation mit dem Förderverein Berliner Schloss e.V.. Dabei muss das ehrenamtliche Engagement von Familie Kämmerer besonders gewürdigt werden.
In Deutschland leben zurzeit über 3 Mio. Menschen türkischer Herkunft. Berlin beheimatet die größte türkische Ansiedlung. Die positive Entwicklung dieser Community, die zum Teil schon in dritter Generation in Berlin lebt, ist deutlich spürbar. Viele deutsch-türkische Uni-Absolventen zeugen davon. Die Türkei selbst entwickelt sich ebenfalls in einem atemberaubenden Tempo, das viele in Deutschland noch nicht wahrgenommen haben. Die aktuellen Diskussionen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in der Türkei, wie sie sich am Beispiel der geplanten Bebauung des Taksim-Platzes gezeigt haben, können uns daher nicht gleichgültig sein. Die Ausstellung über das Humboldtforum am Taksim-Platz zu Beginn des 25. Jubiläums der Städtepartnerschaft von Istanbul und Berlin lädt in mehrfacher Hinsicht ein zum kulturellen Dialog über Formen der politischen und gesellschaftlichen Anteilnahme.
Von Manfred Rettig, Vorstand und Sprecher der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum
Wanderausstellung „Was für ein Schloss!“ in Dresden, Frankfurt und Düsseldorf
Diese große Ausstellung über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Humboldtforum kommt nach Terminen in Hannover, Würzburg, Bremen, Stuttgart, auf dem Kreuzfahrtschiff „Europa“ und der Türkei in Ankara und Istanbul nun nach
- Dresden: vom 27. Juni bis 27. Juli in der Kunsthalle im Lipsiusbau.
- Frankfurt / Main: vom 4. bis 31. August im Römer.
- Düsseldorf: vom 10. bis 30. September in der Empfangshalle von E.ON.
Sie knüpft an den großen Erfolg unserer Ausstellungen an, die wir, unterstützt von der ECE, Hamburg in 35 Einkaufszentren in ganz Deutschland durchführen konnten. Die ständig aktualisierte und weiter überarbeitete Ausstellung findet unter der Regie der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum in enger Zusammenarbeit mit uns statt und wird regional von unseren Freundeskreisen betreut, die für die Besucher da sind.
Wollen Sie dort nicht auch einmal „Schlossluft“ schnuppern und in dem Freundesteam mitarbeiten? Anmeldung bei Udo Steinmetz, Telefon: 040 / 898075-16, Email: udo.steinmetz@berliner-schloss.de