Wirklich nur „Schloss oder Nicht-Schloss“?

Ja, ich bin einer von denen, die immer noch nörgeln. Ein Schlossgegner. Wobei ich „Schloss“ sogar in Anführungszeichen setzen würde. Und „Humboldt-Forum“ am liebsten auch. Aber Achtung: Mein „Nein“ zur Schloss- bzw. Fassadenrekonstruktion ist bitte noch lange kein „Ja“ zu irgendeinem nichtssagenden, modernistisch-kalten Monumentalprotz aus Stahl, Glas und Granit! Ich liebe barocke Architektur! Ich bin – auf eine eher naive Weise – zutiefst fasziniert von allem, was alt ist und vor dem Verfall gerettet werden muss. Wenn ich durch Berlin gehe, baue ich im Geiste ganze Stadtviertel wieder auf. Das meine ich ernst.

Warum ich trotzdem gegen das „Schloss“ bin? Alle meine Vorbehalte reduzieren sich auf einen Grund: Ich weiß, dass der Wunsch nach einer Rekonstruktion in der Regel blitzschnell von reiner Sentimentalität dominiert wird und dabei der Sinn für ein vernünftiges Verhältnis von Aufwand und Nutzen immer völlig den Bach runter geht! Das, glaube ich, ist in diesem Fall passiert. Auf ganz breiter Front.

Nicht vergessen: Ich bin nicht gegen das „Schloss“, weil ich etwas gegen Schlösser habe oder gegen Barock oder gegen die Hohenzollern oder überhaupt gegen Preußen! Auf der anderen Seite sind ja auch nicht alle Befürworter gleich an der Wiedererrichtung der Monarchie interessiert. Und ich halte es nicht für nötig, die sinnvolle Auseinandersetzung über den Einsatz von über einer halber Milliarde Euro als ideologischen Krieg zu führen. Das hilft nichts. Auf der anderen Seite wäre es natürlich aber auch grundfalsch, nicht für das einzutreten, was man für richtig hält.

Halten wir fest: Nach dem nun beschlossenen Kompromiss kriegt wahrscheinlich keiner, weder der „Schloss“-Freund, noch der „Schloss“-Gegner, das, was er eigentlich wollte. Denn es wird weder ein Schloss geben, noch ein konsequent zeitgenössisches Gebäude.

Was man sonst hätte machen sollen? Keine Ahnung! Aber ist denn wirklich nichts anderes vorstellbar als „Schloss oder Nicht-Schloss“? Selbstverständlich müsste man von einem modernen Gebäude im Herzen Berlins erwarten, dass es für den Vorgängerbau (das Stadtschloss!) ein würdiger Nachfolger ist, dass es mit dem heutigen architektonischen Ensemble korrespondiert. Dafür sind unzählige Möglichkeiten denkbar. Man müsste sie nur zulassen! Aber an erster Stelle muss trotzdem die Festschreibung der eigentlichen Bauaufgabe stehen! Es muss eine Zweckbestimmung da sein, die über „drei alte Fassaden drumherum“ hinausgeht. Das macht man besser früher als später. Sonst kommt aus lauter Hilflosigkeit nämlich doch genau der Murks heraus, den nicht nur die „Schloss“-Freunde gerne verhindern würden. In diesem unglücklichen Fall wäre das Jahrhundertbauwerk auf dem Schlossplatz einfach nur teuer. Ach ja, und peinlich. Lässt sich das vermeiden?

8 Kommentare zu “Wirklich nur „Schloss oder Nicht-Schloss“?

  1. Weder Nur-Schloß noch Nicht-Schloß wird es geben, vielmehr läßt die nun angesteuerte Lösung beides zu. Ein wirkliches Schloß mit mindestens drei Flügeln und ein moderner Einbau inmitten. Wenn sich genügend Leute in Politik und Öffentlichkeit dafür einsetzen, könnte es etwas werden. Hier gilt es den Förderverein zu unterstützen, damit er zäh und verbissen darum kämpft. Die drei wiederherzustellenden Außenflügel haben nach dem Stella-Entwurf ja nicht nur außen sondern auch innen die Barockfassade, nicht nur im Schlüterhof sondern auch im Eosanderhof. Letzterer wird nun mit dem Raum des ehem. Mittelbaues für den modernen Innen-Bau verwandt. In den drei Außenflügeln (West, Süd, Nord) könnten dann viele der ehemaligen Räume samt Treppenhäuser eingebaut werden; die endgültige Rekonstruktion der Ausstattung kann ruhig auf später verschoben werden, aber möglich gemacht werden, das muß sie. Nach allen Verlautbarungen des Fördervereins soll genau dieses angestrebt werden. Auf seiner Internetseite ist das alles nachzulesen.
    Es ist also falsch, immer nur von der „vorgehängten“ Fassade zu reden. Es könnten wirklich viele Teile und Räume des Schlosses wiederkommen. Die Fassade fände ihre Fortsetzung im Inneren. Wichtig ist nur, daß man jetzt beim Bau diese Zukunft nicht im wahrsten Sinne des Wortes verstellt.
    Zur Frage, warum überhaupt Barock: Dies ist doch gewiß hier schon hunderttausendmal erörtert und beantwortet worden. Der Schloßplatz ist von drei Seiten von historischer bzw. wiederaufgebauter Bausubstanz umgeben: Barock, Klassizismus, Neo-Renaissance usw. Ein moderner Bau hätte gepaßt wie die Faust aufs Auge. Fast alles wurde wieder hergestellt: Zeughaus, Kronprinzenpalais, Altes Museum, Dom, Kommantenhaus, Marstall; das Barock-Schloß bildet in diesem Ensemble den Mittelpunkt.

  2. Was immer schließlich gebaut wird, ich will doch sehr hoffen, dass die Fassade und die Räume dahinter irgendwann eine Einheit bilden! Am liebsten wäre es mir allerdings, wenn sie das von Anfang an täten.
    Über die Frage, inwieweit Altes Museum, Dom, Zeughaus, Oper und Kommandantur sich als bleibende architektonische Leitbilder eignen oder als wie gut gelungen ihre verschiedenen Restaurierungen, Um- und Wiederaufbauten vor, während und nach dem Krieg zu betrachten sind, lässt sich bestimmt lange streiten. Mir fällt aber etwas ganz anderes auf: Das Berliner Stadtschloss war ja früher ganz und gar von Neubauten umgeben! Moderne Neubauten! (Jedenfalls waren sie das, als sie gebaut wurden.) Oder glaubt jemand, ein Mann wie Schinkel hätte nicht den Anspruch gehabt, modern zu bauen? Altes Museum, Schlossbrücke, Bauakademie – wenn jemand den „Look“ um das alte Stadtschloss geprägt hat, dann war das Herr Schinkel! Sollte sich ein Neubau nicht vielleicht eher an ihm orientieren?
    Nein. Jedenfalls nicht zwingend. Denn aus der banalen Feststellung, dass ein altes Gebäude früher von nicht-heutigen Gebäuden umgeben war, kann doch nicht ernsthaft gefolgert werden, dass für einen Neubau an selber Stelle auf jeden Fall unzeitgenössisch geplant werden muss! Nach dieser Logik dürfte nicht mal auf der grünen Wiese was Modernes gebaut werden (sofern sie historisch ist).
    „Historisch“ und „modern“ sind keine Stilbegriffe! Und es sind auch keine Gegensätze! Historisch ist das, was in einem geschichtlichen Kontext betrachtet wird. Und das gilt selbstverständlich auch für künstlerische Erzeugnisse unserer eigenen Gegenwart! Auch für Architektur.
    Ich sehe also immer noch keine Notwendigkeit für die Aufstellung von Barock-Fassaden um das „Humboldt-Forum“. Dann vielleicht doch lieber die Argumentationsschiene mit der nationalen Identität und dem Barock als kleinsten gemeinsamen Nenner …

  3. @Grumbkow

    …… Das Berliner Stadtschloss war ja früher ganz und gar von Neubauten umgeben! Moderne Neubauten! (Jedenfalls waren sie das, als sie gebaut wurden.) Oder glaubt jemand, ein Mann wie Schinkel hätte nicht den Anspruch gehabt, modern zu bauen?…….

    Das ist nicht falsch, aber auch nicht richtig.

    Schinkels Architektur hat eher die Antike zum Vorbild (bis auf wenige Ausnahmen), als die heutige Moderne. Wie schon die Römer sich dieser Architektursprache bedienten, so wurde auch im Klassizismus die Antike wieder zum Vorbild genommen.
    Also könnte man fast sagen, dass Schinkels Klassizismus von der Ausstrahlung ca. 2000 Jahre älter ist, als das barocke Stadtschloß.

    Es gibt klassizistische Gebäude, die so wie sie gebaut wurden genau so gut im antiken Rom stehen könnten. Die gleichen Kapitelle, die gleichen Säulen, Fassaden….

    Das ist genau der Unterschied zur modernen Architektur, die keinen Baustil mehr zum Vorbild nimmt, da alles glatt und schmucklos ist. Moderne Bauwerke wirken genau aus diesem Grund immer als Fremdkörper in einem historischen Ensemble.

  4. Das kann ich leider auch nicht so stehenlassen. Schinkels Bauten (wie auch die Bauten der meisten seiner Zeitgenossen) waren neu in Form und Funktion. Er griff, wie Sie beschrieben haben alte Formensprachen auf, doch brachte er sie immer in neue Zusammenhänge. Er kopierte nicht, sondern benutzte nur die „Farbpalette“/ einzelnen Formensprachen.

    Beim zu bauenden Humboldtforum ist dies leider nicht der Fall. Hier werden ganze Fassaden kopiert, nicht nur die Formensprache angewandt!
    Die zukünftige Nutzung hat keinerlei Auswirkung auf die Fassaden. Schinkel vermochte dies besser zu machen, siehe Altes Museum (zu seiner Zeit ein topmoderner Bau mit einer innovativen Verbindung von Innen und Aussen). Seine Räume waren direkt auf die Nutzung, ja auf einzelne Ausstellungsobjekte ausgerichtet.

    Der „Schloss“-Fassadenverein möchte am liebsten alte Raumfolgen bauen. Raumfolgen die für die neue Nutzung nicht angemessen sind.

  5. Das neue Schloß wird selbst ein Museum sein, und zwar in Teilen (nicht vollständig) die Erinnerung an ein Schloß – auch im Inneren -, wie es einmal war. Beispielsweise in Mannheim: Das Barockschloß wurde durch die Bomben fast bis auf die Grundmauern zerstört. Es wurde wieder aufgebaut, hat aber im Innern ein völlig andere Nutzung. In Darmstadt baute man das Schloß auch wieder auf, sämtliche Bauten Barock und Renaissance, aber nur ein Gebäudetrakt dient auch im Innern der Erinnerung an das frühere Residenzschloß. Es wurden Räume an alter Stelle wie früher ausgebaut und mit ausgelagerten Originaleinrichtungen ausgestattet. Der Rest des Schlosses ist heute Universität. Es gibt sicher noch unzählige Beispiele mehr, die aber alle eins gemeinsam haben: die Leute freuen sich, daß das Stadtbild, wie es vor der Zerstörung war, wieder hergestellt wurde.
    Es ist äußerst polemisch, den Förderverein als „Schloßfassaden-Verein“ abzuqualifizieren, denn wenn es so kommt, wie er auf seinen Internetseiten wie auch in vielen Verlautbarungen verkündet, dann werden wichtige Räume (Weißer Saal, Paradekammern, Treppenhäuser usw.) mit teilweise noch vorhandener Originaleinrichtung wiederhergestellt. Das ist doch wohl mehr als nur Fassade. Es ist die Wiederkehr eines kleinen Teil Schlosses, im Äußeren fast die vollständige Wiederkehr.
    Ich freue mich drauf (als Nicht-Berliner) – seit 15 Jahren.

  6. @Richard k
    Bloße Nachahmung wird selten als Kennzeichen für bedeutende Kunst angesehen. (Außer vielleicht in der Ikonenmalerei.) Bedeutend wird die Leistung eines Künstlers, wenn es ihm gelingt, die Traditionen, denen er sich verpflichtet zeigt, seiner jeweiligen Gegenwart gemäß umzudeuten. Das gilt für die Herren Schlüter und Schinkel genauso wie für Herrn Stella und alle anderen. Sogar für die Architekten des 20. Jahrhunderts. Schinkels Bauakademie ist nicht deshalb ein Highlight der Kunstgeschichte, weil sie auch hätte im Alten Rom stehen können, sondern weil sie wegweisend war – und auch so empfunden wurde – für die Architektur der Zukunft! Dieselbe Wirkung würde ich mir für das Gebäude wünschen, das in einigen Jahren auf dem Schlossplatz stehen wird. Leider kommt mir gelegentlich der Verdacht, dass wirkliche Baukunst gar nicht gewünscht ist. Sondern doch Ikonenmalerei.

  7. @Berlinfreund
    Jede Rekonstruktion eines vollständig oder weitgehend zerstörten Gebäudes muss ihre eigene Notwendigkeit haben. Aus der Wiederherstellung anderer Gebäude an anderen Orten, zu anderen Zeiten, unter anderen Umständen lässt sich diese Notwendigkeit nicht ableiten!
    Der Hinweis auf Mannheim und Darmstadt ist trotzdem interessant. Beide Schlösser waren nach den Zerstörungen des Krieges nicht komplett vom Erdboden verschwunden. Ihre Teilrekonstruktion wurde unmittelbar nach Kriegsende beschlossen und in Angriff genommen. Im Fall von Mannheim ist nachzulesen, das ausschlaggebende Argument für einen Neubau mit barocker Fassade sei die geplante Unterbringung städtischer Behörden gewesen (Bezirksbauamt, Finanzamt, Landgericht). Das war wenigstens die richtige Reihenfolge! Man braucht Raum für die Behörden, man baut ein Haus! In Darmstadt galt es, die Räume für die Reste der Sammlung des Darmstädter Schlossmuseums wiederherzustellen. Auch hier gab die Funktion den Ausschlag für den Wiederaufbau. Nicht umgekehrt!
    Die Chance dazu hätte Berlin ja gehabt. Wäre interessant gewesen, wenn man sich schon Mitte der 90er Jahre gefragt hätte, welche Funktion eine Neubebauung eigentlich haben sollte. Hat man aber nicht. So muss es sich das „Humboldt-Forum“ auch weiterhin gefallen lassen, als bildungsbürgerliches Feigenblatt einer notdürftig getarnten, naiv-ängstlichen Zeitreise-Phantasie angesehen zu werden.

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