Humboldt-Forum – Anmerkungen zur Vorstellung des Inhaltskonzepts
Am Mittwoch 12. Juni 2013 fanden zu beiden Seiten des Berliner Lustgartens zwei wichtige Termine für Deutschlands herausragendstes Kulturprojekt statt. Voll im Blickpunkt der Öffentlichkeit: die Grundsteinlegung am Vormittag. Anwesend der Bundespräsident, zwei Bundesminister, der Regierende Bürgermeister, viel Prominenz und mehrere Hundert geladene Gäste. Festlich mit javanesischem Gong und feierlichen Hammerschlägen wurde die kupferne Kapsel in den Grundstein gelegt. Dieser offizielle Baubeginn, groß und deutlich in der Tagespresse angekündigt, bekam in den folgenden Tagen ein beachtliches Medienecho.
Obwohl während des Festakts deutlich vom kommenden Weltkulturort gesprochen wurde, geriet die Veranstaltung in auffallend vielen Headlines und in der öffentlichen Wahrnehmung zum Start für die Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses. Ganz verkehrt war das sicherlich nicht, aber es zeigt das Dilemma, in dem sich das Projekt von Anfang an befindet.
Am Nachmittag dann, eher unauffällig und leicht vornehm, der Pressetermin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Vorstellung der inhaltlichen Konzeptarbeit in der Rotunde des Alten Museums. Dieser von Karl Friedrich Schinkel in den Jahren nach 1822 entworfene klassizistische Kuppelraum mit unübersehbaren Pantheon-Anklängen passte hervorragend zum gewählten Anlass. Denn das kommende Humboldtforum hat hier einige seiner historischen Wurzeln.
Nun besitzt eine Grundsteinlegung bei allem Festlichen vorwiegend symbolische Bedeutung. Neben vielen guten Wünschen erfährt man dabei nicht viel. Da war die vornehme Zurückhaltung bei der späteren Präsentation des Inhaltskonzepts, das ja das Wesentliche, die geistige Substanz der Einrichtung erläutert, doch verwunderlich. Hier zeigt sich nämlich, warum die Republik bereit ist, so viel gutes Steuergeld auszugeben, (www.preussischer-kulturbesitz.de).
Die „Doppelgesichtigkeit“ des Projekts (Andreas Kilb in der FAZ) macht es anscheinend schwer, seine Bestimmung und zukünftige Nutzung unmissverständlich herauszustellen. Aber genau dafür, für ein vitales und auf die Gegenwart focussiertes Weltkultur-Forum, werden die circa 600 Millionen Euro aufgebracht. Das inhaltliche Programm bestimmt den Namen der Einrichtung und ist die Legitimation für die vom Bundestag bewilligten Mittel. Das Gebäude mit seinen barocken Fassaden, so prächtig es auch sein mag und so wichtig es als Abschluss der Allee Unter den Linden auch ist, bildet lediglich die Hülle. Gebaut wird kein Schloss, kein Museum, sondern ein neuartiges Kulturforum.
Dieser Spagat wird wohl bleiben und, weiß man, wer in dieses Projekt alles einbezogen ist, versteht man die Schwierigkeit, eine stringente Öffentlichkeitsarbeit für ein klar konturiertes Vorhaben auf den Weg zu bringen.
2010 wurde der Schweizer Martin Heller mit der Ausarbeitung des Inhaltskonzepts vom Staatsministerium für Kultur und Medien beauftragt, ihm zur Seite ein ehrenamtlicher achtköpfiger Beraterkreis. Neben dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst beteiligen sich Humboldt- Universität und Zentral- und Landesbibliothek Berlin an den Ausstellungen und dem geplanten Programm.
Das alles gilt es, nun unter einen Hut zu bringen. Wer bei diesen Voraussetzungen jetzt ein klares, gut verständliches Inhaltskonzept mit Biss, mit Ecken und Kanten erwartet hatte, der wurde wie befürchtet enttäuscht.
Heller nähert sich seinem Ziel behutsam und umsichtig. Der deutliche Dank an die vielen Personen und Institutionen für die hervorragende Zusammenarbeit hat etwas von Rücksichtnahme und Diplomatie. Da will einer, da wollen alle die gute Stimmung im Vorfeld nicht verderben. Einmal tauchen im Textentwurf bei der Beschreibung des Auditoriums zwar die Worte Unangepasstheit und Streitlust auf, aber das hört sich hier wie eine Pflichtübung an.
Man wird sehen, wie viel Aktionsfreiheit der von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in zwei Jahren anzuheuernde Intendant des Forums haben und wie er oder sie von den beteiligten Institutionen und Beiräten auf Konsenskurs gehalten werden wird. Die betriebliche Gesamtverantwortung liegt jetzt bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die an einer zu selbstständigen Intendanz, an Unangepasstheit und Streitlust sicherlich kein Interesse haben wird. Die Angst der Museumsleute, dass ihre Sammlungen neben einer gut besuchten, lebendigen und in den Medien stark präsenten Agora zurückfallen könnten, hat sich durchgesetzt. Die Ankündigung, dass die mit Spannung erwartete Agora in der angedachten Form abgeschafft wird, war der Kernsatz zu Beginn der Vorstellung. Jetzt ist das ganze Haus Agora. Das scheint verständlich, aber ob es sich auszahlt, bleibt abzuwarten. Die FAZ dazu: „Es gibt nicht mehr einen Rummelplatz im Parterre und darüber drei Stockwerke Museen und Bibliotheken. Jetzt rummelt das ganze Schloss.“
Das 42-seitige Konzept bemüht sich – häufig mit blumigen Formulierungen und einer auffallend mageren Bebilderung –, das wichtige Vorhaben verständlich zu machen.
Wenn man die vielen Skeptiker und Gegner des Schlossbaus und Humboldt-Forums mitnehmen wollte, hätte man das 600 Millionen-Bauwerk besser in Szene setzen und besser verkaufen müssen. Wie wollen denn Berliner und Deutsche dieses spannende Projekt verstehen und unterstützen, wenn es so unentschlossen, so tastend daherkommt? Mitreißend ist dieses Inhaltskonzept noch nicht. Auch wenn Heller an dem Programm weiterarbeiten wird (sein Vertrag wurde soeben verlängert), haben die Beteiligten die Möglichkeiten und Chancen des ersten Eindrucks nicht genutzt.
Eine Art Impressum, wer da alles mitkonzipiert hat, wie und wo man Martin Heller erreichen kann, fehlt. So war es denn auch nicht verwunderlich, dass die Präsentation im streitbaren Berlin, ohne die Möglichkeit, vor der übersichtlichen Zuhörerschaft Fragen zu stellen, mit einem Dank für Interesse und Teilnahme formlos und unvermittelt endete.
Leitbild und Museumsbezug
An zwei Aspekten des Konzepts fällt auf, dass noch einiges zu klären sein wird. Wer Zweck und Ziel einer publikumsbezogenen Einrichtung nicht in ein Plakat oder eine kurze griffige Aussage bringen kann, wird sich mit dem Metier eines populären Kulturforums mit attraktiver Öffentlichkeitsarbeit schwertun. Eine starke und einprägsame Botschaft ist klar und einfach. Diffuse Aussagen und Vorläufiges hingegen schwächen das Profil.
Das auf einer Seite abgedruckte „mit Absicht knapp gehaltene vorläufige Leitbild“ wird vorsichtig als Orientierung für die weitere Entwicklung der Inhalte angekündigt. Man hält sich (nach der Grundsteinlegung!) viele Optionen offen und kann, sollte die Kritik zu heftig werden, flexibel reagieren. Das erinnert an kluge Politik: sich bloß nicht in einer Sackgasse verfangen. Die insgesamt 30 Zeilen der Leitbild-Seite hätte man leicht auf 15 eindampfen können. Das macht es nicht nur leichter, diesen Orientierungsrahmen nach außen plausibel rüberzubringen, sondern zieht auch im Innenverhältnis die Zügel an. Der Koordinierungsaufwand könnte sich dabei erheblich verringern, ohne die Substanz des Programmangebots zu beeinträchtigen.
Ein wenig Kopfzerbrechen bereitet auch der Umstand, dass die diskutierten Weltthemen sich aus den völkerkundlichen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst ableiten lassen sollen (sogar in der mit einem Kreuz bekrönten Stüler-Kuppel ziehen ostasiatische Kunstgegenstände ein). Das katapultiert die bisher im abseitigen Dahlem stationierten Stücke plötzlich in eine hell erleuchtete Mittellage, die ihnen, trotz hoher Qualität, zuviel abverlangen könnte.
Wir wollen die zukünftige Ordnung der Berliner Kunstschätze hier nicht zum x-ten Mal wieder neu aufwärmen, aber der Dialog der Weltkulturen sollte und wird sich auf die gesamten Kunstschätze der Museumsinsel beziehen. Wenn wir der kulturellen Entwicklung der Menschheit einen Sinn und einen Wert beimessen, dann brauchen wir auch das, was nach Reformation und Renaissance in Europa entstanden ist.
Sicherlich geht es „uns aufgeklärten Humanisten“ warm runter, wenn wir das Eurozentrische hinter uns lassen. Das hat Größe. Aber ein ganz klein wenig hat dieses Forum wohl auch mit Europa, Deutschland und Berlin zu tun. Es ist richtig, alle gleichberechtigt zu behandeln, die Dinge in den Köpfen neu zu ordnen, aber jeder möge für sich prüfen, ob ein voller Sprung ins Globale nicht von den eigenen, noch nicht verstandenen Wurzeln ablenkt.
Es bleibt also reichlich Diskussionsstoff.
Das Umfeld als dritte Säule
Wer die schwierige Geburt dieser bedeutenden Kultureinrichtung verfolgt hat, musste sich anfangs auf die erbitterten Kämpfe pro und kontra Berliner Stadtschloss konzentrieren und sich danach mit den hochfliegenden Aussichten eines Weltkulturforums vertraut machen. Das ließ wenig Platz für anderes. Neben dem Bauwerk und seiner Bestimmung als Humboldtforum gibt es jedoch eine dritte Säule, die erst allmählich klare Konturen annimmt: das städtische Umfeld.
Machen wir uns nichts vor – das institutionalisierte Großforum wird bei allen erfreulichen Aussichten auf einen vitalen Begegnungsort im Herzen von Berlin Gesetzmäßigkeiten unterliegen, die es trotz der schon erwähnten Unangepasstheit und Streitlust zwingen, Political Correctness nicht außer Acht zu lassen. Die Führung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird rechtzeitig wissen wollen, was in ihrem Forum so alles geplant ist. Dem Staatsminister für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt ist das ebenfalls nicht gleichgültig. Denn bei aller geistigen Verwandtschaft zu den intellektuellen, bürgerlichen Salons der Humboldt-Zeit ist ein staatlich bezuschusster Großsalon keine zivilgesellschaftliche Einrichtung.
Da der Erfolg des Forums vom Besucheraufkommen und seiner Außenwirkung abhängt, kommt mittlerweile die städtebauliche Einbindung immer mehr ins Spiel. Wollen die Konzept-Macher den Erfolg ihres Projekts verstärken, könnte ihnen eine belebte und beliebte Nachbarschaft, die mit dem Humboldt’schen Geist etwas anzufangen weiß, enorm unter die Arme greifen. Gemeint ist insbesondere das Quartier südlich des Schlossplatzes entlang der Breiten Straße bis zum Petriplatz und der Brüderstraße. Aber auch nordöstlich der Spree bis zur Spandauer Straße wäre noch Raum, um mit Kreativität ein vitales Kulturviertel zu schaffen. Gemeinsam mit einer reizvollen Beleuchtung der barocken Fassaden, mit gut gestalteten Außenräumen, in denen zum Beispiel Musik- oder Theateraufführungen stattfinden, könnte der angrenzende öffentliche Raum eine wichtige Mittlerfunktion zwischen Forum und Stadt einnehmen. Ein verkehrsreicher und abends toter Schlossplatz südöstlich des Forums wäre ein Armutszeugnis – nicht nur für Berlin, sondern auch für das Forum und dessen Programm. Wer gern und häufig über Urbanität, Dialog und Vernetzung spricht, sollte das auch zu Ende denken. Insbesondere für den Schlossplatz als belebten, gut gestalteten öffentlichen Raum würde sich das lohnen.
Das Humboldtforum braucht ein bürgerliches Gegenüber, einen Resonanzboden und kritische Begleiter, die die großen Themen aufgreifen und weitertragen – die helfen, dass dem Projekt beim langen Marsch durch die Ebene die Ideen und der große Schwung nicht abhanden kommen. Darüber werden die Programm-Macher sich mit den Berliner Stadtplanern austauschen müssen. Hermann Parzinger und Martin Heller können sich nicht mit einer auf das Gebäude beschränkten Insellösung zufriedengeben (und wir alle nicht mit einem zu braven Forumsbetrieb). Wer die Grenzen des Museums überwinden bzw. sprengen will, sollte auch die Grenzen des Gebäudes durchlässig machen, (von sprengen wollen wir hier lieber nicht reden).
Schlussendlich bleibt dem Konzept zu wünschen, dass es im Zuge der weiteren Ausarbeitung noch konkreter und griffiger wird, dass alle Beteiligten sich auf ein stringentes Erscheinungsbild einigen und dass sich das Land Berlin und seine Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Hinblick auf die „dritte Säule“ intensiver mit Inhalt und Absicht dieses Forums auseinandersetzen – weil es ein Projekt ist, das es verdient, überzeugend und anregend in Stadt und Gesellschaft eingebunden zu werden.
Humboldt Lab Dahlem, Projekt „Springer – Purnakumbha“, Probebühne 1, Foto:
Jens Ziehe, 2013