Schlossbauherr Manfred Rettig im Interview: „Ich wollte ein Zeichen setzen“

 

Manfred Rettig, oberster Manager der Schlossbaustelle, spricht über seine Ausstiegsgründe. Er fordert Kostendisziplin von den Nutzern und wünscht sich mehr Werbung fürs Humboldt-Forum.

Von Christiane Petz und Ralf Schönball

 

Herr Rettig, Sie verlassen das Schloss, bevor es eröffnet ist, und bringen sich um die Krönung Ihrer Laufbahn. Warum nur?

Das ist doch nicht die Krönung meiner Laufbahn, das war der Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin, den ich gemanagt habe und bei dem umgerechnet rund 500 Millionen Euro eingespart werden konnten. Das Schlossprojekt hat mich insofern begeistert, als mich die inhaltliche Frage überzeugte. Außerdem waren für mich die Entscheidungen vom Stiftungsrat im Dezember wichtig, dass wir keine Veränderungen an dem Gebäude mehr haben werden. Auch die Gründung der Gesellschaft, die die Gemeinnützigkeit des Humboldt-Forums sicherstellt, ist jetzt vollzogen. Schließlich habe ich seit März 2015 einen Pensionsanspruch und man hat mir keine Spendenquittung gegeben für das, was ich deshalb seither zu wenig verdiene. Ich werde also im Februar einen sauberen Schreibtisch hinterlassen, meinen Resturlaub nehmen und meinen Sohn in Trinidad besuchen.

Sie gelten als Garant des reibungslosen Ablaufs auf der Schlossbaustelle. Hat jemand versucht, Sie umzustimmen?

Der Chef des Stiftungsrats, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbauministerium Florian Pronold, hat sehr deutlich gesagt, er würde das bedauern. Für viele war es aber überraschend. Obwohl ich zuvor Andeutungen gemacht hatte – insofern konnte jeder wissen, worauf er sich einzustellen hat. Am letzten Arbeitstag im Dezember habe ich als letzte Tat dann Bundesbauministerin Barbara Hendricks angeschrieben und um Versetzung in den Ruhestand zum 1. März gebeten. Aber ich gehe nicht unvorbereitet. Ich habe jetzt die Kuratoriumsmitglieder angesprochen und meine Gründe deutlich gemacht. Ich habe den Kontakt zum Förderverein aufgenommen und meine Mitarbeiter informiert.

Sie haben immer gesagt, Bauverzögerungen oder -verteuerungen sind mit Ihnen nicht zu machen. Jetzt ist die Gründungsintendanz unter Leitung von Neil MacGregor installiert, Ihr Abschied klingt da nach Reißleine.

Ich möchte schon ein Zeichen setzen. Man kann sich fürs zuverlässige Bauen auf den Kopf stellen, aber wenn die Disziplin bei den Nutzern nicht da ist, fährt so ein Projekt vor die Wand. Mit meinem Abgang wird das deutlich auf den Punkt gebracht. Jedem muss klar sein, dass Grenzen gesetzt sind, wenn man das Projekt nicht gefährden will. Das gilt besonders für die Flächen des Landes Berlin, für die wir noch nicht mal einen Masterplan haben. Der kommt frühestens Mitte des Jahres. Das Team um den Berliner Chefkurator Paul Spies wird sich aber mit den vorhandenen Räumlichkeiten abfinden müssen und nicht noch kräftig umplanen können.

Befürchten Sie das denn?

Ja, und deshalb habe ich das Thema bis zum Regierenden Bürgermeister getragen. Wenn die Warnungen nicht beherzigt werden, dann ist deutlich, wer es zu verantworten hat. Das möchte ich deutlich machen. Das gilt nicht nur aus meiner Sicht als derjenige Mensch, der das Bauprojekt betreut, sondern auch als Maßstab für Großbauprojekte in Deutschland. Wenn es zum Fiasko kommt, werden immer die Bauleute gescholten. Aber in 80 Prozent aller Fälle liegt es daran, dass die Nutzer nachträgliche Änderungen verlangt haben – zu einem viel zu späten Zeitpunkt. Da muss ich gar nicht auf den BER oder die Staatsoper verweisen, bei der Elbphilharmonie in Hamburg verhält es sich genau so. Die Interessen der Nutzer mögen berechtigt sein, aber es geht um die Gesamtverantwortung für ein Großprojekt. Die Folgen solcher Entscheidungen für Änderungen werden unterschätzt. Hier Disziplin sicherzustellen und das Signal ins Ausland zu senden, dass wir in Deutschland ordentlich bauen können, das ist mir sehr wichtig.

Weil der Imageschaden schon da ist?

Und weil verkannt wird, dass Bauen auch zur Kultur gehört, wie es der schöne Begriff Baukultur besagt. Es geht nicht nur um die Gestaltung der Hülle und des Inneren eines Gebäudes. Der Baumeister stand immer auch dafür, dass das Bauwerk zuverlässig fertiggestellt wird. Es ist ein ganzheitlicher Prozess.

Beim Humboldt-Forum wurde erst die Hülle festgelegt, das Schloss, dann wurde die Ausführung des Humboldt-Forums bis ins Detail durchgeplant. Aber erst jetzt wird die inhaltliche, kuratorische Auseinandersetzung um die Präsentation der außereuropäischen Sammlungen und um das Projekt „Welt.Stadt.Berlin“ geführt. Die falsche Reihenfolge?

Genau das ist meine Kritik. Man fängt einen Bau erst an, wenn man weiß, was genau man bauen will. Vor Beginn der Maßnahmen gibt es die größten Einflussmöglichkeiten auf Kosten und Termine. Danach sind die Ingenieure nur noch Erfüllungsgehilfen der feststehenden Wünsche des Bauherrn. Und deshalb fummelt man in der Bauphase nicht mehr dazwischen. Die Verschiebung einer Wand kann die Veränderungen von zehn Ingenieurleistungen nach sich ziehen.

Haben Sie in den letzten Wochen überhaupt schon mit Gründungsintendant Neil MacGregor gesprochen?

Dazu ist es noch nicht gekommen, aber wir werden in Kürze ein Gespräch haben.

Hat der Satz von Kulturstaatsministerin Grütters, MacGregor müsste nicht aus London kommen, wenn er nichts mehr ändern dürfte, Sie nochmals aufgeschreckt?

Natürlich, da haben bei mir sämtliche Alarmglocken geschrillt. MacGregor hat allerdings ein multifunktionales Gebäude vor sich. Mit den Räumlichkeiten kann man vieles machen und sie kuratorisch gestalten. Das gilt auch für die Berlin-Flächen. Den zuständigen Geschäftsführer Moritz van Dülmen und Kurator Paul Spies habe ich dafür sensibilisieren können, dass das Haus gedanklich fertig ist. Mit der Technik auf der Berliner Etage mit Doppelboden und Elektrotanks kann man Bücherregale ebenso gut beleuchten wie Ausstellungsvitrinen. Was nicht geht, ist Originalexponate hinstellen, die eine bestimmte Raumluft verlangen, jedenfalls nicht ohne Klimaboxen. Alles darüber hinaus sind bauliche Veränderungen, die das Projekt gefährden.

Darüber können Sie nicht mehr wachen.

Doch, weil ich ins Kuratorium der SchlossStiftung gehe. Ich werde mit meiner unbequemen Art die Entwicklungen dort begleiten. Das Kuratorium ist mit namhaften Persönlichkeiten besetzt, die ich alle persönlich kenne. Da kann man sehr wohl den Finger heben, wenn etwas aus den Fugen gerät. Im Übrigen ist das gesamte Gebäude ingenieurmäßig durchgeplant. Was jetzt kommt, ist die Restumsetzung, die Umsetzung nach Plan.

Ein Grund für Ihren Abschied dürften auch die veränderten Machtverhältnisse sein, seit die Gründungsintendanz mit Neil MacGregor, Hermann Parzinger und Horst Bredekamp installiert ist, richtig?

Es gibt eine Verlagerung Richtung Kultur, und ich hoffe, dass dann eine ähnlich intensive Öffentlichkeitsarbeit läuft wie bisher. Ich höre von Tendenzen, wonach die Intendanten jetzt erst mal in Ruhe arbeiten wollen und ein Jahr lang hinter verschlossenen Türen arbeiten. Das halte ich für falsch. Die Menschen bekommen dann kein Gefühl dafür, was im Schloss stattfindet. Sie müssen in den Entstehungsprozess eingebunden werden. Kaum jemand hat mitbekommen, wie viel die Stiftung Preußischer Kulturbesitz neben ihren eigentlichen Tätigkeiten auch für dieses Projekt auf die Beine gestellt hat. Da ist so viel an auch wissenschaftlicher Arbeit gelaufen. Warum vermittelt man das nicht deutlicher?

Der Schlossbau findet inzwischen große öffentliche Zustimmung, beim Humboldt-Forum hapert es noch – wegen dieser mangelnden Öffentlichkeitsarbeit?

Wir haben beim Bauprojekt vor jeder politischen Entscheidung Forum-Veranstaltungen durchgeführt und die Menschen mitgenommen. Jetzt geht es darum, sie bei der inhaltlichen Gestaltung mitzunehmen. Es wäre fatal, das Humboldt-Forum als schwarze Box oder elitäres Haus hinzustellen. Noch einmal: Ich bin von dem Projekt überzeugt, gerade jetzt, wo das Thema durch den Zuzug so vieler Migranten eine noch größere Bedeutung bekommt. Es muss ein lebendiger Ort der Kulturen für Menschen aller Kulturen werden. Auf keinen Fall darf es elitär sein. Da setze ich auf Neil MacGregor, der mit seiner Deutschland-Ausstellung im British Museum bewiesen hatte, dass er Themen auch für normale Bürger verständlich aufbereiten kann.

Wird das Humboldt-Forum 2019 planmäßig eröffnen können?

Davon bin ich fest überzeugt. Ob auch der letzte Bereich dann schon eröffnet ist, wird man sehen. Auch was die Stadtgestaltung im Umfeld betrifft, gibt es noch offene Fragen. Etwa ob die Baustelle für die U5 verschwunden sein wird, die jetzt die Schlossfreiheit verstellt. Die Humboldt-Box wird erst 2019 abgerissen. Der Betrieb wird wohl erst 2020 in vollem Umfang aufgenommen werden können.

 

Quelle: Der Tagesspiegel, 14.01.2016

 

 

 

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