„Wer will schon ein Stadtschloss lieben, geschweige denn sein?“

21.03.2016   BerlinOnline

Wer will schon ein Stadtschloss lieben, geschweige denn sein? Das Berliner Kunstkollektiv copy & waste schickt sein Publikum im Ballhaus Ost auf Geisterjagd

Von Laura Daub

Am Donnerstag, den 24. März, wird das Ballhaus Ost zum gespenstischen Performance-Themenpark rund ums Stadtschloss. Was nach Show, Spaß und Spielplatz klingt, ist es auch – hat aber durchaus auch nachdenkliche Dimensionen und verspricht ungewohnte Perspektiven auf die Stadt, ihre Räume und den eigenen Platz darin.

Was hat das derzeit rekonstruierte preußische Stadtschloss in Mitte mit dem Ghostbusters-Boss Dr. Peter Venkman, dem italienischen Philosophen Giorgio Agamben und der Musik von Falco, Michael Jackson und Whitney Houston zu tun? Was haben die Berliner selbst überhaupt mit dem Stadtschloss zu tun? Diesen Fragen widmet sich das Performancekollektiv copy & waste mit dem im März und April 2016 an insgesamt neun Abenden zu besuchenden Themenpark „Schlossbusters“ im Ballhaus Ost.

„Ich glaube, das Stadtschloss, das wir jetzt gebaut haben, funktioniert selbst wie eine Stadt, durch die man durchwandern kann.“, sagt Jörg Albrecht, Schriftsteller und Texthirn von copy & waste im Interview mit BerlinOnline . „Das ist das erste Mal, dass wir das so radikal gemacht haben, dass der Zuschauer alles selbst durchwandert und nicht nur da sitzt und in Gedanken mitläuft, sondern mitten drin ist.“

Tarotset zum Mitnehmen

copy & waste laden das Publikum mit „Schlossbusters“ zu einer Begegnung mit allen möglichen Figuren ein, die mit dem Stadtschloss zu tun hatten oder zu tun haben könnten: Friedrich der II., Königin Luise, Alexander und Wilhelm von Humboldt, Karl Liebknecht, Albert Speer, der III. Parteitag der SED, Erich Honecker, der Marshmallow Man, Aswost der Asbestgeist, der Förderverein Berliner Schloss e.V. und selbstverständlich das Gesicht Bill Murrays, der in den beiden Original – Ghostbusters-Filmen aus den 80er Jahren Dr. Peter Venkman spielt. Das Publikum kann sich darüber hinaus bei einer Bio-Schlamm-Massage entspannen, sich im Geisterschießen versuchen und beim Spendenmarathon für die Schlossfassaden mitlaufen.

Die Figuren kann man sich bei einem Besuch der Performance auch kaufen und mitnehmen, ebenso wie ein detailliert gestaltetes „Schlossbusters“-Tarotset.

Was auf den ersten Blick nach einem psychedelischen Stadt-Traum klingt, lädt durchaus auch zum kritischen Hinterfragen ein und ergründet Dimensionen einer komplexen Macht- und Identitätspolitik, die mit dem Schloss in Berlin verfolgt wird.

„Da identifiziere ich mich schon fast eher mit dem Flughafen, der nie fertig wird, als mit dem Schloss, das da in vier Jahren so hochgezogen wird.“
Damit stellen sich eine Reihe weiterer Fragen – warum zum Beispiel von „Weiterbauen“ gesprochen wird, obwohl das Schloss zwischendurch ganz ausgelöscht wurde. Albrecht diagnostiziert im Interview :

„Man will etwas, das für das „gute Deutschland“ – abzüglich Hitler – steht. Das hat mit der Stadt natürlich gar nichts zu tun. Das war auch unser Ansatzpunkt, zu fragen: „Wozu brauchen wir denn diese Identitätspolitik?“ Warum sollen Leute mich irgendwann darauf ansprechen, wie toll das Schloss ist. Da identifiziere ich mich schon fast eher mit dem Flughafen, der nie fertig wird, als mit dem Schloss, das da in vier Jahren so hochgezogen wird. Ein Vorgang, für den man vorher fünfhundert Jahre gebraucht hat.“

Keine Angst vor Gespenstern und Wunde(r)n

Steffen Klewar, Regisseur und Schauspieler bei copy & waste, beschreibt den Arbeitsprozess des Kollektivs im Interview als Suchbewegung. „An so etwas „arbeitet“ man nicht. Es entwickelt sich. Auch wenn wir jetzt zum Beispiel sagen, wir machen eine Trilogie, ist es nicht so, dass wir von Beginn an wissen, wo das hingehen soll oder dass wir es unbedingt rund machen wollen. Das ergibt sich aus dem, was einen umtreibt und antreibt. Das entsteht im Prozess des Miteinander-Schreibens.“

Vielleicht ist Identität nichts, das man erzwingen kann. Ein Gespenst, das sich nur zeigt, wenn es nicht hysterisch herbeigerufen, sondern spielerisch angelockt wird. Wie sehr die Identität einer Stadt mit den Menschen, die sich in ihr bewegen, zusammenhängt und wie sehr die Identität eines Menschen an die Orte gebunden ist, die er liebt oder meidet, könnte einer von vielen Gedanken sein, die sich bei einem Besuch bei „Schlossbusters“ einstellen.

Stadtraum als Frage von Mensch und Haus

Letztlich gilt: Alles kann, nichts muss in der Erkundung des Raumes, den copy & waste mit „Schlossbusters“ anbieten. Für Janna Horstmann, Schauspielerin bei Copy & Waste hängt der Abend maßgeblich am Publikum: „Eine Stadt – oder ein Schloss – entsteht erst dann, wenn Menschen drin sind. Für mich wird das alles erst entstehen, wenn die Menschen, die zu uns kommen, den Raum füllen. Wir machen da gar nicht so viel. Es liegt an den Menschen.“

„Ich würde es ganz einfach bei der Ankündigung „Theme Park Performance“ belassen. Wenn man ein bisschen drüber nachdenkt, was „Theme Park“ so für Assoziationen hervorruft, ist man schon auf dem richtigen Weg.“ deutet Klewar an.

Im Zweifel klingt es nach einem großen Theaterspaß, der sich einfach genießen und bei Bedarf tief in die Seele der Stadt blicken lässt, die vielleicht gar nicht so schlimm verwundet ist, wie es die besorgten Förderer des Stadtschlosses beschreiben – oder aber ihre Wunde – und ihre Wunder, ihren Spuk, mehr liebt als das neu erbaute Geister-Stadt-Schloss.

Letzter von drei Teilen

Mit „Schlossbusters“ schließen copy & waste ihre Trilogie „Public Showdown“ ab. Der erste Teil, „Nasty Peace“, lud 2014 auf einen Audiowalk ein, es ging um Privatisierung am Kottbusser Tor. Dort gab es in einem fiktionalen Concept Store die Zeitreise-Performance „KnickKnack – RuckZuck to the Future “, um Gentrifizierung zu erkunden. Beides geschah in Co-Produktion mit dem „English Theatre Berlin“.

Für „Schlossbusters“ haben copy & waste mit dem Ballhaus Ost kooperiert. Gefördert wurde das Kollektiv dabei durch den Regierenden Bürgermeister von Berlin – Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten und durch die Konzeptionsförderung des Fonds Darstellende Künste e.V. aus Mitteln des Bundes.

Karten gibt es über das Ballhaus Ost für die Premiere am 24. März 2016 und weitere Vorstellungen am 25. Und 26. März 2016, 12., 13., 14., 15. Und 16. April 2016.

 

Quelle: BerlinOnline, 21.03.2016

 

 

 

3 Kommentare zu “„Wer will schon ein Stadtschloss lieben, geschweige denn sein?“

  1. In 25 Jahren reissen wir das eh wieder ab….
    Und dann verwenden wir die geschrederte Fassade als dämmaterial für kuhställe…

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