„Was das Humboldt-Forum braucht, um ein Erfolg zu werden“

17.03.2016  Berliner Zeitung

Ein Kommentar von Nikolaus Bernau

Neue Männer schaffen offenbar auch neue Institutionsnamen: Aus der Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum wurde jüngst das Humboldt-Forum im Berliner Schloss. Denn endlich haben nun die faktisch vier Gründungsintendanten des Humboldt-Forums ihre Arbeit aufgenommen: Neil MacGregor, bisher Direktor des Londoner British Museum, Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Kunsthistoriker Horst Bredekamp für die Humboldt-Universität und der neue Direktor des Berliner Stadtmuseums, Paul Spies.

Endlich rückt der Inhalt in den Vordergrund

Für Parzinger ist der neue Name des Projekts ein Signal: Endlich rückt der Inhalt in den Vordergrund, nachdem es bisher vorrangig um den Nachbau der barocken Schlossfassaden ging.

Man könnte jetzt sprachkritisch monieren: Ein Berliner Schloss, in das das Humboldt-Forum einziehen könnte, gibt es nicht mehr – es wurde 1950 vandalisch von der SED zerstört. Aber sei’s drum. Wir haben nur noch dreieinhalb Jahre bis zur geplanten Eröffnung des Museums- und Kulturzentrums. September 2019 ist derzeit das Stichdatum. Dabei sind weder die neuen Verwaltungsstrukturen etabliert, noch wurden die auf 34 Millionen Euro geschätzten Umzugskosten vom Bundestag zugesagt. Es ist auch nicht klar, wer künftig den Betriebsetat bezahlen wird oder wie hoch dieser sein kann – Parzinger sprach von 40 bis 50 Millionen Euro jährlich! Welche Einnahmen muss das Humboldt-Forum selbst erwirtschaften? Wird es auch deswegen eine eigenständige Säule in der Preußen-Stiftung – oder was sonst?

Klar ist, dass die Ausstellungen bessere Räume benötigten, auch mehr Platz. Was soll also die nur den Wissenschaftlern dienende ethnologische Bibliothek im Schloss, zumal diese meistens in Dahlem forschen werden? Unklar ist auch, wie das Humboldt-Forum sich mit aktuellen Fragen beschäftigen soll, wie die von Parzinger angekündigte Teilhabe der „Herkunftsnationen“ an der Ausstellung ihrer Traditionen konkret geregelt wird. Wer bestimmt am Ende, ob eine Geisterfigur gezeigt werden darf oder nicht?

Die Museumsmitarbeiter bestellen schon die Vitrinen und schreiben die ersten Saaltexte. Dabei fehlt, wie Paul Spies monierte – er kommt von außen, darf sich solche Offenheit noch erlauben – immer noch ein Gesamtkonzept für das Haus. Auf freien Eintritt hoffen nicht einmal Kulturoptimisten. Aber bisher sollen die Besucher für jede Ausstellung je ein Ticket ziehen. Sieht so ein integriertes Forum aus?

Parzinger, MacGregor und Bredekamp beschwören Leibniz’ Schriften und Alexander von Humboldts Buch „Der Kosmos“ als Gründungsurkunden des Humboldt-Forums. Humboldt war Naturwissenschaftler. Welche Rolle also werden Ökologie und Evolution, Kultur und Natur spielen? Einige Texte und von ihm getrocknete Blumen, die Parzinger jetzt aus dem Botanischen Museum holen will, können wohl kaum genügen. Solcher Historismus und das inzwischen übersteigerte Berliner Selbstbewusstsein – „wichtigstes Kulturprojekt Europas“ – stehen dem Humboldt-Forum zunehmend im Weg.

Die Welt hat kein Zentrum, sondern viele Zentren

Ist Berlins Wissenschaftstradition seit Leibniz wirklich so einzigartig, können wirklich nicht einmal Paris oder London mithalten? Leibniz oder Alexander von Humboldt jedenfalls wären liebend gerne in Paris geblieben, wenn man sie nur gelassen hätte – weil dort Rationalität und Aufklärung blühten. London zeigt mit dem British Museum und dem Victoria & Albert Museum umfassende Weltbilder, die von der Berliner Museumsinsel und dem Humboldt-Forum erst einmal erreicht werden müssen. In Berlin hingegen musste die Staatsbibliothek der Preußen-Stiftung ihren Universalitätsanspruch kürzlich aufgeben.

All dies anzuerkennen, heißt nicht, die Bedeutung Berlins zu unterschätzen, sondern klarzumachen: Die Welt hat kein Zentrum, sondern viele Zentren. Wir brauchen mehr Realismus, mehr kritische Nachfrage, offenere Zeitpläne, sehr viel mehr Geld. Viel zu sehr verlassen sich die Berliner Planer auf die wirklich einzigartigen historischen Sammlungen. Sie ignorieren etwa, dass aus internationaler Sicht schon die Grundidee des Humboldt-Forums als ein Ort nur für „außereuropäische“ Kulturen schlichtweg reaktionär-eurozentrisch ist.

Die Geschichten Amerikas nach 1492, die Afrikas, Asiens, Ozeaniens sind schließlich ohne den Einfluss von Europas Kulturen undenkbar, unzeigbar. Das Museum für Europäische Kulturen muss also mit umziehen ins Humboldt-Forum. Nur dann kann es wirklich einzigartig werden. Und vielleicht noch einen neuen Namen erhalten: Welt-Schloss.

 

Quelle: Berliner Zeitung, 17.03.2016

 

 

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