„Umzug ins Humboldtforum – Den Schaden hat das Publikum“

04.12.2015   Frankfurter Allgemeine

Während die Exponate der Dahlemer Museen ins Humboldtforum umziehen, werden sie ein Jahr lang zur Hälfte und drei Jahre lang vollständig von der Bildfläche verschwinden. Die Geschichte einer gigantischen Fehlplanung.

Von Andreas Gilb

Berlin ist die Stadt der Fehlplanungen. Der totgeborene Flughafen in Schönefeld ist dafür das dramatischste Beispiel, die mahlstromartig Euro-Millionen verschlingende Sanierung der Staatsoper das für die Kultur schmerzlichste. Nur beim Humboldtforum, dem Leuchtturmprojekt des Bundes im Herzen der Hauptstadt, ist derzeit alles im Lot. Der Rohbau aus Waschbeton steht, der Innenausbau schreitet voran, die Backsteinverkleidung der rekonstruierten Schlossfassade wird langsam sichtbar. Auf die Eröffnung des Museumsmosaiks – Weltkulturen plus Preußen plus DDR plus „Welt. Stadt. Berlin“ – hinter den Barockportalen Anfang 2020 darf man sich freuen. So lange jedenfalls, wie man nicht allzu genau hinschaut.

In sechs Wochen beginnen am westlichen Ende der Stadt die Vorbereitungen der Dahlemer Museen für den Umzug in Humboldts Kulturschloss. Was das bedeutet, wurde am Dienstag in Dahlem bei einer Pressekonferenz erläutert. Am 11.Januar 2016 werden jeweils die Hälfte des Asiatischen und des Ethnologischen Museums geschlossen, darunter der legendäre Pazifik-Saal mit seinen Südseebooten und Stammeshäusern, die Nordamerika- und ein Teil der Mittelamerika-Säle sowie fast die gesamte indische und innerasiatische Abteilung mit den Objekten der hellenistischen Gandhara-Kultur und den Wandmalereien aus der Oase Turfan. Ein Jahr später schließen dann auch die übrigen Teile der beiden Museen, nur das Museum Europäischer Kulturen im Altbau, das nicht ins Humboldtforum kommt, bleibt weiter geöffnet. Dies sei, so erklärten die zuständigen Museumsdirektoren Viola König und Klaas Ruitenbeek, bei einem Umzug dieser Größenordnung unvermeidlich.

Wirklich? Dass zwei der größten Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin nicht etwa nur ihre Exponate stufenweise abziehen und umzugsfertig machen, sondern ein Jahr lang zur Hälfte und drei Jahre lang vollständig von der Bildfläche verschwinden, hat weniger mit Sachzwängen als mit Planungsfehlern zu tun. Die Dahlemer Museen besitzen nämlich kein Depot, in dem sie ihre Schätze zwischenlagern können. Die Magazine der Ethnologen sind seit Jahren baufällig, und das geplante Großmagazin in Friedrichshagen am Ostrand der Stadt bleibt mangels Finanzierung bis auf weiteres eine Karteileiche. Deshalb müssen die Museen ihren eigenen Raumbestand kannibalisieren, sprich: ihre Säle in Depots und Restaurierungswerkstätten für ihre Objekte verwandeln. Den Schaden hat das Publikum.
Eine vernünftige Konsequenz aus dieser Situation wäre nun, die Dahlemer Museen nach der Eröffnung des Humboldtforums gleich ganz zu Depots für die asiatischen und ethnologischen Sammlungen umzuwidmen und die Friedrichshagener Planungen fallenzulassen. Hier aber bekommt man es mit einem ideologischen Problem zu tun. Denn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz will sich von dem Argument nicht verabschieden, mit dem sie der Politik das Konzept des Humboldt-Schlosses einst schmackhaft gemacht hat: dass die Dahlemer Bauten einsturzgefährdet seien und deshalb zugunsten eines zentraleren Standorts aufgegeben werden müssten. Dabei wurden die von Ernst Bornemann und Wils Ebert entworfenen Gebäude erst vor fünfzehn Jahren saniert, und die Preußenstiftung selbst beweist mit ihrer Umzugs-Improvisation, dass sie ihre Räume als Magazine nutzen kann.
Eine zweites ideologisches Tabu liegt über dem offensichtlichen Schwachpunkt der Konzeption des Humboldtforums, den Plänen für das erste Stockwerk, das zwischen den Museen in den Obergeschossen und der Event-Ebene im Erdgeschoss vermitteln soll. Hier wollte der Berliner Senat einmal eine Außenstelle der Zentral- und Landesbibliothek unterbringen. Die Preußenstiftung zog nach, indem sie ihren Gebäudetrakt mit einer ethnologischen Fachbücherei belegte. Inzwischen hat sich Berlin eines Besseren besonnen und will lieber seine eigene Geschichte in den Hallen des Schlosses ausstellen. Aber in den Köpfen der Museumsplaner, zumal in der eigens gegründeten „Stabsstelle Humboldt-Forum“, regt sich kein neuer Gedanke.
Dabei liegt die Alternative zur Fachbibliothek auf der Hand. Nur drei Fünftel der Dahlemer Exponate sollen im Humboldtforum zu sehen sein, allein in der Südsee-Sektion wandern fünf von elf Booten ins Depot. Im ersten Obergeschoss hätten die Museen die Chance, einen Teil der fehlenden Bestände in Schaumagazinen zu zeigen. Auch die Verbindung zu den Ausstellungssälen der Humboldt-Universität wäre auf diese Weise hergestellt. Das Fehlen von Klimaanlagen darf dabei kein Hindernis für die Neuplanung sein. Das Humboldtforum ist ein politisches Projekt, und es liegt an der Politik, falsche Konzepte zu korrigieren, notfalls um den Preis einer Bauverzögerung.

Die lähmende Stille in der Schlossdebatte hat sicher auch damit zu tun, dass der Motor der Gründungsintendanz, den Monika Grütters in das Projekt eingebaut hat, noch immer nicht angesprungen ist. Inzwischen wartet die Mehrzahl der Beteiligten nur darauf, dass Neil MacGregor, der Wundermann aus London, im Januar endlich nach Berlin kommt, um sein Amt anzutreten. Womit auch immer er anfängt, wohin auch immer sein Weg ihn führt: Er geht einen schweren Gang.

 

Quelle: Frankfurter Allgemeine, 04.12.2015

 

 

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