Täglich 1500 Euro für das Schloss

Täglich 1500 Euro für das Schloss

Freitag, 5. August 2011 02:50  – Von Andrea Kolpatzik

Oft ist es nur eine Frage der Perspektive. Extraterrestrisches Objekt, futuristische Mülltonne oder Schandfleck. Unstrittig ist: Die Humboldt-Box mitten auf dem Schlossplatz provoziert und polarisiert. Dennoch sind seit der Eröffnung am 30. Juni 60 000 Besucher in den grauen Würfel geströmt.

Das macht 1500 pro Tag.

Dorothea Vogel gefällt das, schließlich geht es ihrer Firma um den Wut-Bürger. Gemeinsam mit Gerd Henrich führt sie die Geschäfte von Megaposter. Für rund sieben Millionen Euro ließ die Firma die Box errichten, bis 2019 werden sich die Kosten wohl auf 15 Millionen Euro belaufen. „An der Box geht keiner vorbei, ohne sich zu positionieren“, freut sich Dorothea Vogel. Ihre Erfahrung: Wer sich empört oder an der Box stört, der schaut sie sich auch von innen an. Zwei Euro kostet der Eintritt, ab dem 15. August erhöht er sich auf vier Euro. Das Konzept von Megaposter ist aufgegangen.

Die Humboldt-Box setzt auf den Dialog mit den Bürgern. Mit Erfolg. Nutznießer ist der Förderverein Berliner Schloss, der ebenso wie das Ethnologische Museum, das Museum für Asiatische Künste, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt-Universität und die Zentral- und Landesbibliothek Berlin kostenlos auf einer der drei Etagen der Humboldt-Box logiert. Die Aussteller sollen auch das künftige Humboldtforum im Schloss gemeinsam nutzen. Rund 1000 bis 1500 Euro pro Tag nimmt der Förderverein nach eigenen Angaben ein. „Wir sind sehr, sehr zufrieden“, sagt Förderverein-Mitarbeiter Marc Schnurbus.

80 Millionen Euro müssen her

80 Millionen Euro benötigt der Verein, um den Mehraufwand wie Steinmetzarbeiten und die Kuppel des Schlosses finanzieren zu können. 22 Millionen Euro haben sie schon – also gut ein Viertel der erforderlichen Summe. 15 Millionen Euro kommen dabei aus direkten Spenden. Die übrigen sieben Millionen Euro sind an vertragliche Bedingungen gebunden und werden etwa bei der Grundsteinlegung des Schlosses fällig. Diese ist für 2013 geplant. Den Kernbau des Schlosses finanziert der Bund mit 478 Millionen Euro, das Land die geplante Zentral- und Landesbibliothek im Humboldtforum mit 32 Millionen Euro.

„Mein Mann ist geborener Berliner. Er sagt immer: Auf den Schlossplatz gehört das Schloss“, sagt Christtraud Krappweiß. Die 75-Jährige hat gerade 50 Euro gespendet und einen roten Ziegelstein erhalten. Den bekommt nun ihr 80 Jahre alter Ehemann. Ab zehn Euro gibt es ein Spendenzertifikat, ab 50 Euro einen Ziegelstein. Mit dem Geld hat der Spender nicht nur symbolisch einen Stein des künftigen Schlosses gekauft. Im Internet, auf der Homepage des Fördervereins, kann sich der Käufer seine Steine anzeigen lassen.

Auch Stifterbriefe bietet der Förderverein an: Bronze gibt es für eine Spende von 1000 Euro, Platin für eine Summe von 50 000 Euro. Neulich hat Fördervereins-Mitarbeiter Schnurbus Bronze erworben, der Wiederaufbau des Schlosses ist ihm wichtig: „In 50 Jahren zwinkere ich vielleicht meinen Enkeln durch die Steine zu. Diesen Gedanken finde ich schön“.

Und der Palast der Republik?

Nein, nein, sagt Marc Schnurbus schnell. Der Palast der Republik, in der DDR anstelle des Preußen-Schlosses errichtet, sei in der Box kein Thema mehr. „Er ist abgerissen. Wir müssen jetzt in die Zukunft blicken“, sagt er. Schnurbus redet viel von Ideen, Kommunikation und Informationen. Man müsse auf die Bürger zu gehen, sie über die Baumaßnahmen informieren und über deren Spezifikation aufklären. Es klingt ein bisschen so, als ob der Bau eines Hauptbahnhofs beworben wird. Stuttgart 21 ist auf der ersten Etage der Box, dem Sitz des Fördervereins Berliner Schloss, angekommen.

Kurzer Stoppelhaarschnitt, kariertes Hemd und blaue Hose: Marc Schnurbus sitzt an einem provisorischen Schreibtisch in einem kleinen Raum. Nur ein paar Meter trennen ihn von der großen Plastiknachbildung des Schlosses, das Herzstück der Ausstellungsfläche. Eine Glastür trennt Schnurbus von den Besuchern. Zwischen Modell und Glastür gut sichtbar ist der gelbe Spendenautomat.

Davor steht Thomas Feuz und steckt einen 20-Euro-Schein in den Schlitz. „Ich finde es gut, was der Förderverein hier macht“, sagt der Schweizer.

Krystyna Greis hat aber auch andere Erfahrungen gemacht, nicht nur Zustimmung kennen gelernt. Sie ist eine der drei ehrenamtlichen Helfer, die an diesem Donnerstagvormittag die Besucher über die Absicht des Fördervereins informieren: Warum soll das Schloss wieder aufgebaut werden? Wie läuft die Rekonstruktion ab? Wie können sich die Besucher beteiligen?

Seit sechs Jahren engagiert sie sich in ihrer Freizeit für den Förderverein. Die Helfer arbeiten im Schichtsystem, von zehn bis 15 Uhr und von 15 bis zum Feierabend. Auch bei Krystyna Greis geht es viel um Kommunikation, Dialog und Information, allerdings sagt sie: „Der Palast der Republik ist noch immer ein Thema“. Es ist noch keine zwölf Uhr, doch schon haben sich fünf Leute bei Greis über den Abriss des Palast der Republik beklagt.

Viele ältere Menschen haben den Gang in die Box gemacht, auch einige wenige Eltern und Großeltern mit ihren Kindern und Enkeln. Die neun Jahre alte Melina Amboß spendet zehn Euro – das Geld steckte ihr vorher Oma Renate Amboß (62) zu. Ein paar Meter weiter beugt sich Marie-Agnes von Stechow über das Modell des Schlosses. Die Großmutter erklärt ihrem sieben Jahre alten Enkel Corvin: „Die Idee ist immer da, aber manchmal muss man sie reanimieren“. Die von der Firma Megaposter beschworenen Wut-Bürger sucht man hier vergebens.

Auf der Suche nach den Wut-Bürgern

In der dritten Etage, da sitzen sie. Lümmeln auf dem blauen Ledersofa, lassen ihre Beine entspannt über dem Boden baumeln. Eine eigenwillige Form des Protests. „Eigentlich finde ich den Wiederaufbau des Schlosses gar nicht mehr verkehrt“, sagt Ursula Smettan.

Die 57-Jährige wohnt in Pankow – im Ost-Teil der Stadt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Inge Peter ist sie in die Humboldt-Box gekommen, um sich ein eigenes Bild von den Wiederaufbauarbeiten zu machen. Früher sei sie eine Gegnerin des geplanten Wiederaufbaus des Schlosses gewesen, denn: „Das viele Geld hätte man doch wesentlich sinnvoller verwenden können.“ Doch mit der zunehmenden Spendenbereitschaft der Besucher der Humboldt-Box bröckelt auch der Protest: Seit klar ist, dass der Förderverein den Mehraufwand der Restauration des Schlosses wohl durch Spenden wird tragen können und Bund und Land nicht zusätzlich belastet werden, freut sich die Buchliebhaberin auf die geplante Bibliothek im Humboldtforum. Zu einer eigenen Spende sind die beiden Freundinnen dann aber doch noch nicht bereit: „Nein, wir müssen ja auch nicht alles mitmachen“, sagt Inge Peter. So weit geht die neu gewonnene Sympathie für den Wiederaufbau des Schlosses dann doch nicht.

Berliner Morgenpost am 5. August 2011

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