„Streit um die Gestaltung des Schlossplatzes“

28.05.2015     Berliner Zeitung

Von Uwe Aulich

Wenn das Schloss mit seiner historischen Fassade wieder aufgebaut ist, möchte der Förderverein Berliner Schloss auch den Neptunbrunnen wieder zurückzustellen. Zudem soll die Lustgartenterrasse wieder aufgebaut werden. Das entspricht nicht den Plänen des Senats.

Für Wilhelm von Boddien ist die Sache logisch: Wenn das Schloss mit seiner historischen Fassade bis 2019 wieder aufgebaut ist, muss auch das Umfeld seinen ursprünglichen Charakter erhalten. Der Chef des Fördervereins Berliner Schloss fordert deshalb, den Neptunbrunnen wieder auf den Schlossplatz zurückzustellen. Zudem soll auf der nördlichen Schlossseite die Lustgartenterrasse wieder aufgebaut werden – mit Balustrade und fünf über 2,70 Meter hohen Standbildern der Oranierfürsten. „Wir wollen der Stadt ein Stück Schönheit zurückgeben“, sagt von Boddien.

Nachträgliche Änderung

Ihm ist bewusst, dass er damit erneut gegen die Senatsplanung opponiert. Und gibt sich optimistisch, dass er den vor gut zwei Jahren gekürten Entwurf zur Gestaltung des Schlossumfeldes jetzt nachträglich in seinem Sinne beeinflussen und ändern kann. Den Senatswettbewerb hatte Anfang 2013 das Berliner Landschaftsarchitektenbüro bbz gewonnen. Demnach soll der Schlossplatz mit kleinen Steinen gepflastert und historische Bezüge durch die Grünplanung hergestellt werden. Statt der Terrasse auf der Lustgartenseite etwa sehen die Planer Stauden vor. Der Neptunbrunnen soll nicht zurückkehren. So ist es auch Wunsch von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher.

Damit werde das mit größter Akribie detailgetreu rekonstruierte Schloss von seiner städtebaulichen Umgebung brutal abgekoppelt, sagt Boddien. Außer alten Fotos hat er königliche Unterstützung aus den Niederlanden: Denn von den Oranierfürsten des 16. und 17. Jahrhunderts gibt es fünf Miniatur-Skulpturen, die sich im Besitz der Stiftung Historische Sammlungen des niederländischen Königshauses befinden. Die 50 Zentimeter hohen Bronzefiguren hatte Kaiser Wilhelm II. 1907 der niederländischen Königin Wilhelmina geschenkt. David Hakkenberg, ein Unternehmer aus Utrecht, hat zwischen Boddien und der Stiftung vermittelt, die Repliken werden nun ein Jahr in der Humboldt-Box, in der jetzt der Eintritt frei ist, gezeigt. „Das Königshaus sagt, dass es schön wäre, wenn die Oranierfürsten wieder in Berlin stehen könnten“, so Hakkenberg.

Eine kulturpolitische Entscheidung

Er hat zudem recherchiert, dass von drei Skulpturen Duplikate existieren: Prinz Friedrich Heinrich steht im Garten von Schloss Het Loo in Apeldoorn (Niederlande), Prinz Willem I. vor der Marktkirche in Wiesbaden und Prinz Willem III. am Kensington Palace in London. Abgüsse kosten 200 000 Euro, sagt Boddien. Eine weitere Figur lagert in einem Depot in Potsdam, die fünfte müsste neu angefertigt werden. Auch die beiden Rossebändiger sind erhalten, sie stehen im Kleistpark.

Für die historische Schlossfassade hat Boddien mehr als 50 Millionen Euro Spenden gesammelt, dieses Jahr gut sechs Millionen. Seine Zusage für das Schloss hat der Verein auf 105 Millionen Euro erhöht, 53 Millionen würden noch fehlen. „Wir sind im Plan, was den Baufortschritt und was die Kosten angeht.“

In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung steht man weiter zum bisherigen Siegerentwurf für das Schlossumfeld. „Er ist zeitgemäß und nimmt die historischen Spuren auf“, sagt Sprecher Martin Pallgen. Aber: Der Entwurf ermögliche explizit die Umsiedlung von Skulpturen wie den Rossebändigern und auch dem Neptunbrunnen, wenn dies gewollt sei. „Das ist am Ende eine kulturpolitische Entscheidung. Der prämierte Entwurf lässt diese Option zu.“ Die Debatte ist eröffnet.

 

Quelle: Berliner Zeitung, 28.05.2015

5 Kommentare zu “„Streit um die Gestaltung des Schlossplatzes“

  1. Die Aussage der
    Senatsbaudirektion, dass der Plan derbbz
    für die Schlossumgebung prämiert wurde, weil er „zeitgemäß“ ist und „historische Bezüge
    aufnimmt“, ist kein überzeugendes Argument, im Gegenteil. Das rekonstruierte Schloss
    ist auch nicht zeitgemäß und doch die einzig konsequente, richtige Lösung. Auch
    der Berliner Dom, das alte Museum, das Kronprinzenpalais, das Zeughaus, die
    Bauakademie, der Marstall, selbst die Kommandantur, der Lustgarten und die
    Schlossbrücke – sie alle sind nicht „zeitgemäß“ aber perfekt aufeinander
    abgestimmt. gerade deshalb bilden sie ein unvergleichlich schönes Ensemble. Und
    nun soll, ausgerechnet als verbindende
    Fläche zwischen diesen kultur­historisch wertvollsten Bauten Berlins, am
    Zielpunkt der Promenade Unter den Linden und als optische Verbindung zum
    Lustgarten ein „zeitgemäß“ kahler,
    steinener Platz mit minimalistischer Ausstattung und zögerlich-feigen Andeutungen
    an „historische Bezüge“(?) gesetzt
    werden? Ein derart bedeutungs­loser, provokanter
    Fremdkörper ist hier völlig fehl am Platz!Zeitgemäße, moderne Raumgestaltung und Architektur kann sich auf der
    riesigen Fläche des Rathausforums zwischen Fernsehturm und Spree mutig und beispielhaft
    entfalten, so wie es an vielen Stellen in Berlin gelungen ist.

  2. Ich mag das Wort zeitgemäß gar nicht mehr hören. Wird es doch häufig als s.g. Totschlagargument benutzt.
    Berlin erhält die einzigartige Chance, eine immense Lücke, geschlagen durch verblendete Kommunisten, zu schließen. Diese sollte die Stadt allumfassend nutzen und den Gesamtzusammenhang zwischen dem Schloß und seinem Umfeld wieder herstellen. Dazu gehört eben die Terasse an der Lustgartenfront mit Oranierfürsten und Rossebändigern und der Neptunbrunnen gegenüber. Ich persönlich würde auch den Platz vor dem Eosanderportal weitestgehen rekonstuieren.
    Ein weiterer Schritt, wenn auch auf absehbarer Zeit wohl ein Traum, wäre die Herrichtung der historisch wertvollen Innenräume. Ich hätte dazu das Vermögen der SED Nachfolgeparteien genutzt, da unter deren Machtanspruch mit der Sprengung des Schlosses ein kultuhistorisches Kapitalverbrechen begangen wurde!

  3. Vermögen  der SED – Nachfolgeparteien – also der Linken. Warum? W E R hat denn den völlig intakten und beim VOLK beliebten Palast der Republick abreissen lassen?  Abriss<->Sprengung Wer kennt nen Unterschied?

  4. Kaffeesachse 

    Lieber Kaffeesachse,
    Auch ich halte den
    polemischen Rückgriff auf die SED-Nachfolgeparteien bzw. die Linken für
    deplatziert. Aber kann es wirklich sein,
    dass Sie den Unterschied der beiden Gebäude-Entfernungen nicht verstanden
    haben?
    W. Ulricht hat aus
    ideologischen Gründen und wegen eines hässlichen, riesigen Aufmarschplatzes mit
    Tribüne eigenmächtig und autoritär entschieden, ein Gebäude zu sprengen, das kulturhistorisch wohl
    das bedeutsamste säkulare Barockgebäude Mitteleuropas war und das in seiner
    Substanz trotz Bombardierung, Artilleriebeschuss und Brand durchaus in der
    Substanz noch stabil und restaurierungsfähig geblieben war . Sein Befehl
    erfolgte gegen den Wiederstand der
    gesamten Kulturwelt einschließlich des damaligen Vertreters der sowjetischen
    Kontrollkommission Alexander Kotikow (!). Dies war ein Verbrechen, da sind sich
    fast alle einig.
    Der deutsche
    Bundestag hat dagegen nach technischer Prüfung der Aspest-Kontaminierung des
    PdR. nach langer Diskussion und Beratung durch viele internationale
    Architektur- und Städtebauexperten mit 2/3 Mehrheit einschließlich der Stimmen
    der PDS entschieden, dass der PdR. abgerissen wird, weil die besondere Art der
    Aspestverseuchung einen Rückbau bis auf die Stahlkonstruktion sowie einen fast
    kompletten Wiederaufbau mit völlig neuer Funktionsfindung erfordert hätte und auch,
    weil er städtebaulich deplatziert zur Umgebung und quer zur Straßenachse stand.
    Auch die folgende Schloss-Entscheidung erfolgte erst nach mehreren umfangreichen
    Wettbewerben, an denen über 1000 Architekten beteiligt waren mit breiter parlamentarischer
    Mehrheit.
    Sehen Sie da wirklich
    keinen Unterschied??

  5. Arn Praetorius Kaffeesachse 
    Danke, Arn Praetorius! Sie haben genau die richtige Erklärung abgegeben!
    Natürlich
    wollte ich mit meiner Äußerung die Diskussion anregen. Aber da geht es
    um Grundsätzliches: Ich mag nicht nachvollziehen, daß niemand für die
    Folgen des „DDR“Unrechtsstaates verantwortlich gemacht wird. Aber an
    dieser Stelle will ich keine unplazierte politische Diskussion beginnen,
    bin dazu aber gern in einem anderen Forum bereit zu.

    Ich
    freue mich, wenn das Stadtschloß auch in seinem historischen Umfeld
    wiederersteht und danke Wilhelm v. Boddien mit seinem Förderverein sehr
    herzlich für das gute Engagement!
    Ebenso sicher bin ich, daß bis zur Vollendung des Bauwerkes auch im politischen Berlin für die vom Förderverein geäußerten Wünsche eine Mehrheit gefunden sein wird!

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