Martin Ferber hält den Wiederaufbau des Berliner Schlosses für einen unverzichtbaren Gegenpart zur neueren Architektur der Hauptstadt
Berlins kleine Schwester ist schon viel weiter. Potsdam kann bereits im nächsten Jahr die Fertigstellung des Stadtschlosses feiern – und erhält damit sein altes Gesicht zurück. Berlin braucht deutlich länger. Auch in der Hauptstadt gab es seit dem Mauerfall eine lebhafte Debatte, ob das 1950 auf Veranlassung von Walter Ulbricht gesprengte Stadtschloss der Hohenzollern wieder aufgebaut werden soll. Nach dem Abriss des „Palastes der Republik“ klaffte jahrelang eine Lücke im Herzen der Stadt. Nun wird sie gefüllt.
Morgen wird im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck der Grundstein für das neue alte Schloss gelegt – 2019 soll es fertiggestellt sein. Rund 600 Millionen Euro wird es nach den derzeitigen Planungen kosten, hinzu kommen 80 Millionen für die barocke Fassade, die über Spenden aufgebracht werden müssen.
Mit dem Schloss erhält die geschundene und von den Irrungen und Wirrungen der Zeit gezeichnete Hauptstadt ihre Mitte zurück. Nach einem Bonmot des Publizisten und Verlegers Wolf Jobst Siedler lag das Schloss nicht in Berlin, sondern „Berlin war das Schloss“. Seine städtebauliche Entwicklung ist ohne das monumentale Barockgebäude auf der Spree-Insel nicht vorstellbar, der Prachtboulevard „Unter den Linden“ läuft ins Leere, ihm fehlt das Schloss als würdiger Schlusspunkt, ebenso brauchen Museumsinsel und Berliner Dom dringend ihren architektonischen Gegenpart.
Ein Unbehagen allerdings bleibt. Die Entscheidung für das Barockschloss ist ein kaum zu überbietendes Misstrauensvotum gegen die moderne Architektur, der nicht zugetraut wird, diesen Platz angemessen zu bebauen und ansprechende Lösungen zu finden. Die gesichtslosen und austauschbaren Glas-Beton-Würfel, von denen in Berlin seit der Wende mehr als genug entstanden sind, sind nicht in der Lage, jene städtebauliche Identität zu stiften, nach der sich die Menschen sehnen. Das barocke Schloss hingegen mit seinen Säulen und Pilastern, seinen Höfen und der Kuppel vermittelt ein Gefühl von Geborgenheit und Tradition in schweren Zeiten.
Dresden hat seine Frauenkirche wieder, Wismar seine Georgenkirche, Frankfurt baut seine Altstadt wieder auf, Braunschweig, Potsdam und Berlin erhalten ihre Schlösser zurück. Mit solchen architektonischen Kopien findet auch eine Flucht in die Vergangenheit statt.
Quelle: © Mannheimer Morgen, Dienstag, 11.06.2013
Skulpturen am Schlossplatz in Berlin
Und jetzt geht es noch um den Schlossplatz, nachdem der Wiederaufbau des Stadtschlosses in Berlin ist sehr vielversprechend im Gange ist. Die Argumente der Bedenkenträger (Kaiserromantik, rückwärtsgewandter Geschichtsblick, Disneyland-Barock, unbezahlbarer Aufwand usw.) sind durch die städtebauliche Einbindung, durch die technische und architektonische Qualität des Bauentwurfes, durch die Professionalität und stilgerechte Sorgfalt der Fassadenarbeiten
und durch das kostenneutrale Finanzierungsmodell widerlegt. Auch das positive Interesse der besser informierten Öffentlichkeit nimmt deutlich zu. Der Siegerentwurf des Umfeldes, also des Schlossplatzes erscheint zunächst karg und deshalb stilistisch neutral. Die leere gepflasterte Steinfläche lässt immerhin die Wiederaufstellung der erhaltenen historischen Großplastiken an den alten Standorten zu. Damit könnte raumgestalterische Anschluss an den Lustgarten, die Straße Unter den Linden und deren Bauten wieder hergestellt werden.
Wenn der Neptunbrunnen, die Rossebändiger und das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten,
im Krieg unwiederbringlich zerstört worden wären, hätte man sie sicher nicht neu geschaffen, sondern sich eine moderne Schlossplatzgestaltung entschieden. Das Nebeneinander von altem, Neuem und Restauriertem in Berlin hat schließlich auch zu vielfach interessanten und spannungsreichen Lösungen geführt.
Die Großplastiken sind aber glücklicherweise noch vorhanden und in gut restauriertem Zustand! Da ist es doch geradezu zwingend, das Schloss nicht als isolierten Solitärbau in ein steinern-leeres Umfeld zu stellen, sondern den Bau mit diesen künstlerisch wertvollen Denkmälern wieder an ihren historischen Standorten zu verbinden. Der große Kurfürst passt unmittelbar zum barocken Schloss ebenso wie die von Zar Nikolaus geschenkten Rossebändiger als Hommage an historische
russisch-preußische Beziehungen. Auch der Neptunbrunnen ist an alter Stelle vor dem prächtigen Portal der Südfassade sehr viel wirkungsvoller als inmitten einer zukünftigen modernen Bebauung vor dem Roten Rathaus. Wer also hat im Stadtplanungsamt endlich den Mut, sich eindeutig dafür einzusetzen, dass diese drei Großplastiken wieder gut sichtbar an alter repräsentativer Stelle
aufgestellt werden?
Arn Praetorius 4.7.2013