„Richard Schröder 80“

23.12.2023 – Frankfurter Allgemein Zeitung

 

Richard Schröder 80

Er gehört zu den Köpfen des Landes, die große Wirkung entfalteten, ohne je ein hohes politisches Amt zu haben. Als fünftes von sieben Kindern eines frommen Apothekers aus Sachsen hatte Richard Schröder mit den DDR-Institutionen nichts am Hut. Dank kirchlicher Ausbildungsstätten wurde er Theologe, lehrte – nach einer Pfarrstelle im Harz – Philosophie am Berliner Sprachenkonvikt und am Katechetischen Oberseminar Naumburg. Im Zuge der Friedlichen Revolution 1989 engagierte er sich in der Sozialdemokratischen Partei in der DDR, nach der Volkskammerwahl im März 1990 wurde er SPDFraktionsvorsitzender. Doch die Politik war nicht ganz seine Welt. Schröder übernahm einen Lehrstuhl für Philosophie und Theologie an der Humboldt-Universität, wo er bis 2009 lehrte. Immer wieder äußerte er sich zu aktuellen Fragen, wandte sich etwa 2015 gegen die Migrationspolitik der Kanzlerin Angela Merkel. Sein wichtigstes Thema war und ist der Umgang mit der DDR-Vergangenheit. Schröder kritisierte die Opfermentalität der Ost- und die Oberlehrerattitüde der Westdeutschen, warnte vor moralischem Rigorismus, ohne einer Stasi-Amnestie das Wort zu reden. Die Wiedervereinigung bezeichnete er als Glücksfall. Er selbst, der am zweiten Weihnachtsfeiertag seinen 80. Geburtstag feiert, ist für die politische Debatte dieses Landes ein solcher.    mwe.

 

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.12.2023

 

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