„Nach Prüfung der Spender meldet Humboldt-Forum Entlastung“

21.11.2022 – Berliner Zeitung

Der Vorwurf, dass einige Großspender der Stiftung Humboldt-Forum rechtsradikal oder antisemitisch sein könnten, soll sich nicht bestätigt haben – oder kaum.

Harry Nutt

Es war eine bittere Lektion für den ohnehin arg in der Kritik stehenden Kulturtanker Humboldt-Forum, als vor gut einem Jahr der umtriebige Architekt und Autor Philipp Oswalt mit neuen, schmerzhaften Enthüllungen reüssierte. Ehrhardt Bödecker, ein ehemaliger Bankier und Großspender des Fördervereins Berliner Schloss, der seine Geldgeber im Durchgang des Eosander-Portals eigens in Gestalt schmuckvoller Medaillons würdigte, hatte sich in seinen letzten Lebensjahren mutmaßlich mit rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen hervorgetan.

Die Bödecker-Tafel wurde daraufhin vorsorglich angehängt, die Familie Bödeckers war um Schadensbegrenzung bemüht. Man habe ihn „als streitbaren Konservativen und Preußen-Enthusiasten mit zahlreichen Verdiensten“ gekannt, schrieben Schwiegertochter Elvira Tasbach und Sohn Andreas Bödecker in einer Stellungnahme und bestätigten, dass Bödecker mitunter in „rechtsextremen Kreisen“ veröffentlicht habe. „Diese Erkenntnis ist schmerzlich und erfüllt uns mit großer Betroffenheit“, so Elvira Tasbach und Andreas Bödecker im November 2021.

Keine weiteren Verdachtsfälle

Die Stiftung Humboldt-Forum versprach eine Prüfung des Falles Bödecker und war auch gewillt, möglichen weiteren Verdachtsfällen nachzugehen. Nun kann die Stiftung Humboldt-Forum (SHF) teilweise Entwarnung geben, nachdem sie die Anwaltskanzlei Raue mit einer vertraulichen Untersuchung jener Spender betraut hatte, die mehr als 100.000 Euro gegeben haben. Dabei kommt die Kanzlei Raue zu dem Schluss, dass bis auf die Spender des Deutschen Stifterverbandes und einen anonymen Spender aus der Schweiz alle Spender dem Förderverein namentlich bekannt sind. Von diesen 113 Spendern werden im Humboldt-Forum 106 auf den Tafeln im Portal II geehrt. Die übrigen wollen ausdrücklich anonym bleiben, aber auch bei diesen, so heißt es in einer Pressemitteilung der SFH, habe die Kanzlei Raue keinen Hinweis auf rechtsradikale oder gar extremistische Aktivitäten gefunden. Der Verdacht, der Förderverein habe von rechtsextremen Personen oder Institutionen Großspenden angenommen, habe sich nicht erhärtet.

Zum Bankier Ehrhardt Bödecker hatte die SHF ein Gutachten beim Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) in Auftrag gegeben. Darin kommt das IfZ zu dem Ergebnis, „dass Bödeckers Positionen nicht wissenschaftlich hergeleitet seien und er auf ein imaginiertes, positiv verklärtes Preußenabbild fixiert“ gewesen sei. Zum Vorwurf des Antisemitismus stellt das Gutachten eine „Ambiguität von deutlichen antisemitischen Klischees einerseits und der Konterkarierung antisemitischer Ressentiments andererseits“ fest.

Nebulös formuliert

Einerseits, andererseits? Das ist zumindest nebulös formuliert und wird auch durch den Versuch der SHF nicht klarer, das Gutachten als Entlastung zu verstehen. „Das Gutachten über Ehrhardt Bödecker“, heißt es in der SHF-Pressemitteilung vom Montag, „kommt allerdings auch zu dem Ergebnis, dass er weder rechtsextremistisch noch in einem rechtsradikalen Sinne antisemitisch gewesen sei.“ Was genau, so fragt man sich, soll damit gesagt sein, wenn es heißt, dass Bödecker in einem rechtsradikalen Sinne nicht antisemitisch gewesen sei? Wird es etwa besser, wenn er in einem anderen Sinne antisemitisch war?

Die SHF fasst die Untersuchungen der Kanzlei Raue sowie das Gutachten des IfZ als Beleg dafür auf, dass der Förderverein Berliner Schloss mit der Annahme der zahlreichen, über die Jahre sich erstreckenden Spenden durch Ehrhardt Bödecker nicht gegen geltende Spendenrichtlinien verstoßen habe. Zugleich teilt die SHF mit, dass die Spendenrichtlinien noch einmal neu gefasst und deutlich konkretisiert worden seien.

 

Quelle: Berliner Zeitung, 21.11.2022

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