„Kritiker: Dachrestaurant verschandelt das Berliner Schloss“

15.03.2016    Berliner Zeitung

Mit Liebe zum Detail wird die Barockfassade des Berliner Schlosses rekonstruiert – doch auf dem Dach geht es historisch weit weniger exakt zu.

Von Ulrich Paul

In etwas mehr als 30 Meter Höhe soll ein Dachrestaurant mit Platz für 200 Gäste entstehen. An diesem Dienstag will die Stiftung zum Bau des Schlosses darüber entscheiden. Was für Besucher eine neue Attraktion zu werden verspricht, stößt bei den beratenden Architekten auf Protest.

„Ich halte es für falsch, ein Dachrestaurant auf dem Berliner Schloss zu errichten“, sagt Peter Kulka, der Architekt des Potsdamer Stadtschlosses. „Kuppel und ein wenig gelungenes Dachrestaurant würden sich gegenseitig in Frage stellen.“

„Jede Menge Angebote für Gastronomie“

Kulka steht mit seiner Kritik nicht allein. Die Architektin Petra Kahlfeldt, die wie Kulka zu den unabhängigen Beratern des Schloss-Projekts gehört, sagt: „Im Humboldt-Forum wird es jede Menge Angebote für Gastronomie geben.“ Beispielsweise in den Erdgeschossen an der Seite zur Spree und im Schlüterhof. „Man wird dort nicht verhungern.“ Das geplante Dachrestaurant halte sie für „extrem störend“, sagt Kahlfeldt. „Wenn man von großer Entfernung die Linden kommend auf das Schloss zuläuft, wird man alles sehen, was auf dem Schlossdach passiert.“

Von der Lustgartenseite her gesehen werde sogar die Kuppel „partiell durch das Dachrestaurant verdeckt“, kritisiert die Architektin. „Es ist wirklich unverständlich: Wir geben uns jede Mühe mit der Fassade und dann soll es solche Aufbauten geben.“ Es würde ihrer Ansicht nach reichen, die Dachterrasse für Besucher zugänglich zu machen. Man müsse dort nicht auch noch Kaffee trinken. „Ein Dachrestaurant, womöglich mit großen Sonnenschirmen, würde letztlich zu einer Banalisierung des Bauwerks führen“, warnt Kahlfeldt.

Der Sprecher der Schloss-Stiftung, Bernhard Wolter, weist die Kritik zurück. „Wir sind von dem Dachrestaurant überzeugt“, sagt er. „Für die Berliner und die Besucher der Stadt wird das ein Gewinn sein.“ Mit Sicherheit werde das Restaurant „der Publikumsrenner“ werden. „Das Humboldt-Forum ist eben nicht das alte Schloss, es ist ein Neubau“, hält Wolter den Kritikern entgegen. „Das wird durch das Dachrestaurant sichtbar, genauso wie durch die Ostfassade, die in moderner Architektur gestaltet wird.“ Wolter: „Es ist absurd, dass diejenigen, die früher gegen den Wiederaufbau des Schlosses waren, das Gebäude nun in Reinform haben wollen.“

Kurios: Noch bevor die Stiftung zum Aufbau des Berliner Schlosses einen Beschluss über das Dachrestaurants gefasst hat, hat der Bundestags-Haushaltsausschuss im November vergangenen Jahres die Mittel in Höhe von fünf Millionen Euro zugesagt. Das Gremium hat damit das offizielle Budget für den Schlossbau von 590 Millionen Euro auf 595 Millionen Euro erhöht – und zugleich eine wichtige Vorentscheidung getroffen. Denn nachdem die Pläne für das Dachrestaurant öffentlichkeitswirksam verkündet wurden, wirken die Kritiker nun wie Spielverderber einer sympathischen Idee.

Senatsbaudirektorin Lüscher sieht Dilemma

Ob die Pläne für das Dachrestaurant vom Stiftungsrat gestoppt werden, ist fraglich. Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die dem Gremium angehört, sagt zwar, sie „teile die Bedenken“ des Architekturbeirats, dem Kulka und Kahlfeldt angehören. Es sei jedoch „ein Dilemma“. Denn sie könne auch verstehen, „dass ein Dachrestaurant aus Nutzersicht sehr attraktiv“ sei.

Im Haushaltsausschuss des Bundestags stößt der Vorgang auf Verwunderung. „Mich irritiert, dass Union und SPD Steuermittel für das Dachrestaurant bewilligt haben, obwohl die Stiftung dazu bis heute keinen offiziellen Standpunkt beschlossen hat“, sagt die Ausschuss-Vorsitzende Gesine Lötzsch (Die Linke). Offensichtlich gebe es „erhebliche fachliche Bedenken gegen die Dachterrasse“. Lötzsch fordert, dass „die Verantwortlichen diese Bedenken ernst nehmen.“

 

Eröffnung im Jahr 2019

Das Projekt: Das Berliner Schloss (Humboldt-Forum) wird ein Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung. Hauptnutzer wird die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Sie will auf 23.000 Quadratmetern die Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst präsentieren. Das Land Berlin will auf 4 000 Quadratmetern eine Ausstellung zur Stadtgeschichte zeigen. Auf weiteren 1 000 Quadratmetern präsentiert sich die Humboldt-Uni. 2019 soll das Schloss eröffnet werden.
Der Bauherr: Die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum fungiert als Bauherr des Projekts. Von den 595 Millionen Euro Baukosten trägt der Bund 483 Millionen, Berlin 32 Millionen. 80 Millionen für die Rekonstruktion der Fassaden will der Förderverein Berliner Schloss aus Spenden aufbringen. Extras im Wert von 25,5 Millionen sollen ebenfalls aus Spenden bezahlt werden. An diesem Dienstag will der Stiftungsrat über die Nachfolge des ehemaligen Vorstandsmitglieds Manfred Rettig entscheiden.

 

 

Quelle: Berliner Zeitung, 15.03.2016

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert