Humboldt-Box
Keine Schlangen, aber großes Interesse
Lange Schlangen hatten sich vor dem „Klops“, dem „hässlichen Klotz“, wie die Humboldt-Box bereits vor ihrer Eröffnung abschätzig genannt wurde, am Donnerstag nicht gebildet. Der Besucherstrom aber riss nicht ab.
Das Interesse war durchaus groß. Vor allem Touristen aus Deutschland und dem Ausland hatten gezielt die sechseckige, fast 30 Meter hohe Box gegenüber der Museumsinsel angesteuert, um sich über den ab 2014 geplanten Wiederaufbau des Berliner Schlosses und das Humboldt-Forum zu informieren. Andere waren zufällig dort gelandet, weil der Regen sie dorthin trieb oder die ausgefallene Architektur sie neugierig gemacht hatte. Dass die Drehkreuze am Eingang nicht funktionierten, fiel dabei kaum auf.
Vor allem das riesige Modell der Berliner Mitte um 1900, das die Lage des 1950 abgerissenen Schlosses gut zeigt, zog die Besucher an. Der Förderverein „Berliner Schloss“, der in der ersten Etage des sechsstöckigen Baus jetzt über das Schlossprojekt informiert, hatte es von seinem ehemaligen Sitz am Hausvogteiplatz mitgebracht. Allerdings musste das Brandenburger Tor abgesägt werden, weil der Platz es nicht zuließ. Doch in Kürze soll es auf die Wand als Foto projiziert werden. Besucherin Margret Kotzner (69) aus Köpenick und ihr Enkel Richard Bergmann (13) fanden das Stadtmodell beide „einfach top“.
Ausblick über Berlins Mitte
Die Diskussion über die Architektur der Humboldt-Box interessierte am Donnerstag die wenigsten. Im Gegenteil, gerade wegen ihrer Auffälligkeit würde sie Besucher anziehen. Charles Maasdorp (27) und seine Freundin Aliza Sanderson (24) aus Australien hatte der Bau gereizt. Schon am Mittwoch hatten sie davor gestanden. Da die Box aber noch für die Öffentlichkeit geschlossen war, kehrten sie am Donnerstag zurück – und genossen wie auch Jessica (16) und ihr Vater Keith Walsh aus Derby in Großbritannien vor allem die Aussicht von der offenen Terrasse des Cafés im obersten Stock. Von dort oben, aus fast 30 Metern Höhe, hat man einen fantastischen Blick auf den Berliner Dom, das Rote Rathaus, den Fernsehturm und die Ausgrabungen der Schlossfundamente. Auch wenn die Ausstellung geschlossen ist, kann das Café genutzt werden. Zu einem „Berlin is the greatest City in the World“ ließen sich die beiden Australier dann auch hinreißen.
Auch Wilhelm von Boddien war hingerissen von dem Besucherinteresse am ersten Eröffnungstag. Auch wenn alles noch nicht so am Schnürchen lief, wie er sich das vorgestellt hatte. Doch Boddien ist ein Optimist. Wenn es um die Wiederaufbau des Berliner Schlosses geht, kann den Schlossverfechter, Geschäftführer des Fördervereins „Berliner Schloss“ und unermüdlichen Spendensammler nichts schrecken. Auch das Problem nicht, von dem Boddien ausgerechnet am ersten Publikumstag der neuen Humboldt-Box überrascht wurde. Was war passiert?
Boddiens „Förderverein Berliner Schloss“ informiert in der der ersten Etage der Infobox über das Schloss-Projekt und sammelt Spenden. Doch die Spendenbox, die der Verein in Form eines Parkscheinautomat hatte aufstellen lassen, hatte dort, wo eigentlich die Scheine eingezogen werden, nur ein Loch. Scheine, welcher Größe auch immer, konnten weder reingeschoben noch eingesogen werden. Allein der Schlitz für Münzen funktionierte. Spendenwillige Besucher in der neuen Humboldt-Box wurden am Donnerstag damit von den dringend benötigten Großspenden abgehalten.
Boddiens Förderverein hat sich das Ziel gesteckt, 80 Millionen Euro für die historischen Schlossfassaden zu sammeln. Seit Beginn der Spendenaktion im Jahr 1992 sind jedoch erst 22 Millionen Euro zusammengekommen. Doch Boddien ließ sich am Donnerstag nicht die gute Laune und Freude über die lang erwartete Eröffnung der Humboldt-Box nehmen.
Nach mehrmaligen Anrufen bei der Herstellerfirma der Spendenbox in Amerika erfuhr er schließlich den Grund für die Panne und war selbst erstaunt. Der Schlitz für die Scheine wird in Japan gebaut. Doch die Firma hatte ihre Produktion wegen des verheerenden Tsunamis einstellen müssen und nicht mehr nach Amerika liefern können. „Dass der Tsunami Auswirkungen auf das Berliner Schloss hat, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten“, sagte Boddien. Rasch ließ Boddien ein Vereinsmitglied für 300 Euro bei einer nahegelegenen Bank Ein- und Zwei-Euro-Stücke besorgen. „Wenn jetzt jemand vor der Spendenbox seinen Geldschein nicht los wird, stehen wir bereit und tauschen den Schein gegen Münzen ein.“
Dass für das 590 Millionen Euro teure Schloss-Projekt, für das 2014 Baubeginn sein soll, privates Spendengeld fließen soll, findet Josef-Johann Strasser aus München „toll“. Gemeinsam mit seinem Kollegen aus der Bayerischen Finanzverwaltung, Georg Wassermann, besucht der Beamte aus der Staatskanzlei für drei Tage Berlin. Die Humboldt-Box findet er „großartig“, vor allem das Modell der Berliner Mitte aus der Kaiserzeit. Ob er gespendet hat? Das sagt er nicht. Indessen sind die Mitglieder des Fördervereins unermüdlich dabei, den Besuchern das Projekt oder den Stadtgrundriss zu erklären. Mit vollem Elan und vor allem sehr freundlich, erklären sie jedem, was er wissen möchte.
Bis 2018 bleibt die Infobox stehen
Marc Schnurbus spricht von dem großen nationalen Kulturprojekt, das mit dem Humboldt-Forum und der Präsentation der außereuropäischen Sammlungen zur Völkerverständigung der Kulturen beitragen soll. Anne Collisi (43) und ihre Söhne Constantin (10) und Fabian (12) aus Pankow hören interessiert zu. „Wir sind extra hergekommen, weil die Jungs jetzt Ferien haben“, sagt die Anne Collisi. „Wir haben am Mittwoch in der Zeitung gelesen, dass die Humboldt-Box öffnet und haben uns gesagt, da müssen wir hin. Schließlich muss man die tollen Möglichkeiten der eigenen Stadt nutzen“, sagt die Berlinerin. Mindestens bis zum Jahr 2018, wenn das Humboldt-Forum fertiggestellt sein soll, bleibt die Infobox an der Schlossbaustelle stehen.
Berliner Morgenpost am 1. Juli 2011, Text von Katrin Schoelkopf