von Andreas Kilb
Neil MacGregor wird Intendant des Humboldtforums – vielleicht. Er wäre die beste und auch die naheliegendste Wahl, doch wird das Humboldtforum nach seiner Pfeife tanzen?
Vor vier Wochen hielt Neil MacGregor im Senatssaal der Humboldt-Universität einen Vortrag über die große Deutschland-Ausstellung im British Museum, das er seit zwölf Jahren leitet. Er war eloquent und präzise, wie immer, wenn er öffentlich redet, und er hatte sein Publikum sofort im Griff. MacGregor ist vielleicht der bekannteste, auf jeden Fall aber der erfolgreichste Museumsmann, den es derzeit in Europa gibt.
Er hat nicht nur mit seinen Ausstellungen, sondern auch mit Begleitpublikationen wie der „Geschichte der Welt in hundert Objekten“ Maßstäbe gesetzt, und er bringt sein Haus immer wieder in die Schlagzeilen, wie zuletzt mit der Leihgabe eines Flussgotts vom Parthenon-Fries an die St.Petersburger Eremitage. Und nun soll dieser Mann, wie die „Sunday Times“ in London berichtet, zum Intendanten des Humboldtforums auf dem Berliner Schlossplatz werden, also die knifflige Aufgabe übernehmen, die erstarrten Verhältnisse im künftigen Flaggschiff der Bundeskulturpolitik zum Tanzen zu bringen.
Zu diesem Zweck hat ihn die Bundeskanzlerin kürzlich empfangen, und in gleicher Sache wirbt die Kulturstaatsministerin Monika Grütters, die das Intendanten-Amt zu besetzen hat, schon seit Wochen um ihn. So weit, so gut: MacGregor ist mit seinen Kontakten und seinem Renommee nicht nur die beste, sondern auch eine naheliegende Wahl für den Posten. Schließlich hat er sich mit seinem Auftritt bei der Grundsteinlegung für das Humboldtforum im Juni 2013 ausdrücklich zu dem Projekt bekannt, und seine Beziehungen zu den Hierarchen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die den Löwenanteil des Gebäudes bestücken wird, sind exzellent.
Die Frage ist nur, warum die Kanzlerin in dieser scheinbar problemlosen Personalie ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen musste. Offensichtlich zögert MacGregor, das Amt zu übernehmen, und er weiß genau, warum. Denn in den Planungen zum ersten Stock des Humboldtforums, der die Vermittlungsarbeit zwischen der Event-Ebene im Parterre und den Dahlemer Museen in den oberen Geschossen leisten soll, steckt immer noch der Wurm. Dort teilen sich das Land Berlin, die Humboldt-Universität und die Preußenstiftung das Terrain, und keiner der drei hat bislang eine überzeugende Idee vorgelegt, was an dieser museumsdidaktischen Gelenkstelle passieren soll.
Berlin will einen Teil seiner Landesbibliothek, die Stiftung ihre ethnologische Fachbücherei und die Humboldt-Uni ihr Tonarchiv dorthin auslagern – lauter Halbheiten, Puzzlestücke, Gemischtwaren. Gerade hier aber fehlt dem künftigen Intendanten, heiße er MacGregor oder nicht, die Gestaltungsmacht, mit dem Krimskrams aufzuräumen. Das kann nur die Kulturstaatsministerin; und auf ihr Eingreifen scheint MacGregor jetzt zu warten. Setzt sie sich durch, könnte der künftige Intendant tatsächlich etwas bewegen. Scheitert sie, bleibt sein Posten ein bloß symbolischer wie so viele in der deutschen Kulturpolitik. Dann kann ihn auch ein kleineres Licht übernehmen.
Quelle: F.A.Z., 09.12.2014