„Globalisierung für die Welt“

Von Nikolaus Bernau

Mexikanische Indianer hielten die Schamanen-Gesänge ihrer Vorfahren für verloren – bis Wissenschaftler in alten Sammlungen die Töne fanden. Eine Brücke zwischen den Weltkulturen wurde gebaut, wie sie das Humboldt-Forum bald vielfältig hervorbringen soll. Dafür aber braucht es sehr viel Geld.

Seit drei Wochen wird spekuliert, ob der Brite Neil Mac Gregor als erster Intendant des Berliner Humboldt-Forums gewonnen werden kann. Die Gerüchte laufen sich heiß, man sieht Angela Merkel schon fast, wie sie bei dem berühmten Direktor des British Museum in London antichambriert. Aber was macht ihn außer seiner Eloquenz und seinen Erfolgen als Kulturmanager eigentlich so attraktiv?

Es ist jene Bildungsleidenschaft, die in der angelsächsischen Museumswelt niemals dem elitären Kunst-Ästhetizismus weichen musste, der auf dem Kontinent bis in die ethnologischen und Naturkundemuseen hineinwirkt. Und so arbeiten Museen und Forschung in Großbritannien oder den USA auch weit mehr daran, einer verunsicherten westlichen Bevölkerung zu vermitteln, was Globalisierung über alle Krisen hinaus für kulturelle Chancen bietet. Solche etwa, von denen Barbara Göbel, die Direktorin des Ibero-Amerikanischen Instituts kürzlich erzählte.

Geld für Ausstellungen, Technik, Reisen

Zusammen mit der Ethnolinguistin Margarita Valdovinos und dem im Berliner Ethnologischen Museum aufbewahrten Phonogrammarchiv hat sie seit 2013 einige Wachswalzen untersucht, die um 1900 in der ganzen Welt mit Sprachproben, Legenden und Musik bespielt wurden. Eine einmalige Tönesammlung, in der auch Aufnahmen des Ethnologen Konrad Theodor Preuß zu finden sind. Vor etwa 100 Jahren hat er Ritualgesänge der in Mexiko ansässigen Völker Cora und Huichol dokumentiert.

Sie wurden nun auf CDs gebrannt und mit mexikanischen und indianischen Wissenschaftlern aufgearbeitet. Eine faszinierende Sammlung. Im vergangenen Jahr fuhren Göbel und Valdovinos mit den CDs dann zu den Cora und Huichol – Esoterikern durch ihre Schamanenkulte und bemalten Totenschädel bekannt. Sie brachten die Gesänge der Vorfahren heim. Die Bevölkerung, so Göbel, sei tief berührt gewesen und deren „Ritualexperten“ begeistert über das Hören des Verloren geglaubten.

Genau das muss, wie auch die Direktorin des Ethnologischen Museums, Viola König, immer wieder verlangt, eine der Aufgaben des Humboldt-Forums sein: Brücke zu sein zwischen den Weltkulturen – umso absurder, dass Europa in diesem Weltmuseum nicht vertreten sein soll. Doch vor allem braucht der oder die Intendantin dieses Groß-Projekts Einfluss auf die Sammlungen und sehr viel Geld für Ausstellungen, Technik, Reisen, Wissenschaftler. Aber wird die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als künftiger Hauptbetreiber des Humboldt-Forums diese Machtteilung akzeptieren? Und wird Deutschland dieses Geld bereitstellen? Das sind die Fragen, die wohl auch Neil MacGregor beantwortet haben will.

Quelle: Berliner Zeitung, 02.02.15

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