Der 67-Jährige Helmut Baesecke, Ministerialdirigent im Ruhestand, wirbt gern für die Rekonstruktion des Gebäudes – obwohl er damit eigentlich nichts zu tun hat. Immer wieder nimmt er Freunde mit in die Humboldt-Box am Schloßplatz in Mitte.
„Ich finde das Projekt einfach großartig und versuche, auch meine Freunde dafür zu begeistern“, sagt er. Baesecke kennt die Streitigkeiten um den Bau des Schlosses, das den Bund 478 Millionen Euro und das Land Berlin 32 Millionen Euro kosten wird. Viele sehen das Geld woanders besser ausgegeben. „Aber dadurch, dass die Geschichte hier erlebbar gemacht wird, hat sich die Meinung schon geändert“, ist sich Baesecke sicher. 2013 soll der Bau beginnen, den er auch dann weiterhin von der Humboldt-Box aus begleiten will. An diesem Freitag hat er Eva Märtson an seiner Seite. Baesecke zeigt seinem Gast an dem Modell der historischen Mitte Berlins im ersten Stock, warum er es wichtig findet, dass das Schloss in dieses Ensemble zurückkehrt.
Und genau wie zur Außenansicht der Humboldt-Box hat fast jeder, der sich darin die Geschichte des Schlosses, des Palasts der Republik und des geplanten Wiederaufbaus anschaut, auch eine Meinung zu der Rekonstruktion des Schlosses – und die ist nicht immer so uneingeschränkt positiv, wie die von Helmut Baesecke.
„Ich finde, es wird zu viel Geld ausgegeben“, sagt Franziska Pabst. Die 31-Jährige hat ihren Vater Frank mitgenommen. Der Arzt aus Staufen im Breisgau ist gerade zu Besuch bei seiner Tochter in der Hauptstadt. Auch er sieht den geplanten Neubau mit seiner historischen Fassade kritisch: „Der Metropole Berlin würde hier im historischen Kern ein moderner Kontrapunkt gut tun.“ Der 63-Jährige findet das Ensemble rund um den Lustgarten aus Dom, Altem Museum und Zeughaus zu „zuckerbäckerig“. Das Ganze sei nach hinten gewandt. Frank Pabst ist der Beleg dafür, dass auch solch kritische Betrachtungen die Menschen in die Humboldt-Box ziehen. Hier will Pabst den Entwurf der Schlossfassaden sehen und wissen, warum das Bauwerk mit altem Antlitz wieder errichtet werden soll.
Dieses Warum versucht Marc Schnurbus den Besuchern näher zu bringen. Er arbeitet für den Förderverein Berliner Schloss, der Spenden sammelt für die Wiedererrichtung der historischen Fassaden. 80 Millionen werden benötigt, der Spendenzähler im ersten Stock steht derzeit bei 19 Millionen. 3,4 Millionen Euro kamen alleine 2011 an privaten Spenden zusammen. „Alles, was hier steht, bezieht sich auf das Schloss“, beginnt Schnurbus seine Überzeugungsarbeit und flitzt dabei mit dem Laserpointer über das Modell von Mitte um 1900. Zeigt, wie Brandenburger Tor, Lustgarten, Dom und Zeughaus ein Gesamtkonzept bilden. Schnurbus ist sich sicher, Einheimische wie Auswärtige vom Wiederaufbau überzeugen zu können. Er ist mit der Resonanz in der Humboldt-Box ebenso hochzufrieden wie mit der Spendenbereitschaft. 350 000 Euro wurden allein hier schon gesammelt. „Zwischen 1500 und 2000 Euro pro Tag“, rechnet er vor.
Dafür steht neben dem Modell ein Spendenautomat – den am Ende auch Helmut Baesecke füttert. Dann geht Baesecke mit Eva Märtson in den fünften Stock. Einen Kaffee trinken. Wenn er seinen Blick von dort schweifen lässt, fehlt ihm nur noch eins: das Stadtschloss.
Berliner Morgenpost, 25. 02.2012