„Exklusivführung im Berliner Schloss mit Wilhelm von Boddien“

31.10.2022 – WELT

Wilhelm von Boddien kämpfte 30 Jahre lang für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses. 110 Millionen Euro an privaten Spenden sammelten er und seine Mitstreiter für die Rekonstruktion der barocken Fassaden. Am 21. Oktober zeigte der Hamburger Kaufmann Mitgliedern des WELT Clubs das Gebäude.
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Von Rainer Haubrich

Man muss es so pathetisch formulieren: Wilhelm von Boddien ist eine historische Figur in der jüngeren Geschichte Berlins. Als die Mauer fiel und die Debatte um die Gestaltung des Zentrums der Hauptstadt begann, setzte sich der Hamburger Kaufmann ein großes Ziel: das 1950 von den Kommunisten gesprengte Berliner Schloss wieder aufzubauen. Anfangs hielt das kaum jemand für machbar oder finanzierbar, viele hielten es nicht einmal für wünschenswert. Aber gegen alle Widerstände und jede Wahrscheinlichkeit arbeitete Boddien für die Realisierung seines Traumes, organisierte ein Netzwerk an Unterstützern, installierte 1993 eine Schloss-Attrappe mit bemalten Leinwänden – und war am Ende erfolgreich.

Was für eine Lebensgeschichte! Als 19-jähriger Schülerzeitungs-Redakteur aus Reinbek hatte er 1961 den öden Schlossplatz in Ost-Berlin gesehen und seitdem alles über die einstige Hohenzollernresidenz gelesen und gesammelt. Und als 79-Jähriger stand er bei der Eröffnung des fertigen Bauwerks inmitten der barocken Pracht des Schlüterhofes. 110 Millionen Euro an privaten Spenden hatten er und seine Mitstreiter für die Rekonstruktion der barocken Fassaden gesammelt. Bis heute wirbt er Mittel ein, um noch weitere Details des historischen Bauwerks zu rekonstruieren. Dafür bereist er – trotz seiner 80 Jahre und einem überstandenen Schlaganfall – immer noch die Republik und hält Vorträge.

Am 21. Oktober nahm sich Wilhelm von Boddien fast einen ganzen Tag Zeit, um Mitglieder des WELT Clubs durch das neue Schloss zu führen und ihnen von den Glücksmomenten und Tiefpunkten zu erzählen, die er in all den Jahren erlebte und die er jüngst in einem Memoiren-Buch veröffentlicht hat („Abenteuer Berliner Schloss. Erinnerungen eines Idealisten“, Wasmuth & Zohlen).

Die Teilnehmer der Führung waren teils von weit her angereist, und die meisten betraten zum ersten Mal das Gebäude, auch die Berliner. Der Gruppe schilderte Boddien, wie er nach 1989 in alten Archiven Baupläne und Messbildfotos des Schlosses fand, wie er auf Ost-Berliner Deponien und in Kleingärten Fragmente der barocken Schmuckelemente entdeckte, woraus das Architekturbüro Stuhlemmer dann die millimetergenauen Maße der einstigen Fassaden errechnete.

Und er erklärte den WELT-Lesern kenntnisreich und unterhaltsam all die kleinen Abweichungen des historischen Gebäudes, denen beim Wiederaufbau noch eine weitere hinzugefügt wurde: Die Berliner Autohändlerin Heidi Hetzer hatte einen der Löwenköpfe am obersten Gesims gespendet, bestand aber darauf, dass „ihr“ Kopf eine Löwin darstellt, und schlug eigenhändig mit Hammer und Meißel die Mähne ab. So wurde er dann hoch oben am Portal I eingebaut. Wer um dieses Detail weiß, kann es mit bloßem Auge erkennen.

Ein Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes war das Mittagessen mit einem dreigängigen Menü im Restaurant auf der Dachterrasse des Schlosses, direkt neben der imposanten Kuppel. Vorbei an der Schlange der wartenden Besucher war die WELT-Gruppe zum Lastenaufzug geführt worden, der extra für sie zur Verfügung gestellt wurde. Als sich die Türen schlossen, brandete Applaus auf für Wilhelm von Boddien, und ein Leser sprach aus, was wohl viele empfanden: „Da hinterlassen Sie etwas Großes!“

 

Quelle: WELT, 31.10.2022

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