08.06.2015 Die Welt
Der Bau der „Zwing Cölln“ war der Startschuss für die Entwicklung Berlins vom unbedeutenden Weiler zur Metropole. Denn Berlin bekam kein Schloss, sondern rund um das Schloss entwickelte sich Berlin.
Von Matthias Billand
Zunächst gilt es, einen Irrtum auszuräumen: Ein „Stadtschloss“, wie häufig zu lesen ist, hat es in Berlin nie gegeben. Der Begriff Berliner Schloss bezeichnet die landesherrliche Residenz der Markgrafen und Kurfürsten der Mark Brandenburg, der Könige „in“ und von Preußen sowie der Deutschen Kaiser zwischen 1451 bis 1918.
Das Schloss war Gravitationszentrum, um das sich Berlin herum entwickelte wie die Jahresringe eines Baumes um seinen Kern, was den Verleger und Publizisten Wolf Jobst Siedler formulieren ließ: „Das Schloss lag nicht in Berlin, Berlin war das Schloss.“ An dieser Dominante orientierten sich die noch heute existierenden prachtvollen Bauten der Mitte. Doch nicht nur diese. Selbst die Bürgerhäuser und auch die späteren Proletarier-Mietskasernen nahmen in der Gestaltung der Fassaden immer wieder Bezug auf das barocke Vorbild.
Grundstein für die „Zwing Cölln“ genannte Burg im damals noch unbedeutenden Doppelweiler Berlin-Cölln legte im Sommer 1443 Kurfürst Friedrich II. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Burg von den Brandenburger Kurfürsten kontinuierlich aus- und umgebaut, unterbrochen nur durch den Dreißigjährigen Krieg.
Architektur als Machtmittel
Kurfürst Friedrich III. (1688/1701-1713) wollte schließlich seinen Machtanspruch als Friedrich I. König „in“ Preußen hervorheben – und ruinierte mit seiner Prunksucht finanziell die Mark. Er rief den Architekten Andreas Schlüter als Hofbildbauer nach Berlin, der den Renaissancebau mit einer barocken Fassade nach italienischen Vorbildern ummantelte.
Sein Triumph wurde aber noch vor Beendigung durch ein Desaster jäh beendet: Der von ihm entworfene 108 Meter hohe Münzturm neigte sich zur Seite und musste abgetragen werden. Die Sparmaßnahmen von Friedrich Wilhelm I. (1713-1740), dem „Soldatenkönig“, vertrieben einen Großteil der Architekten und Künstler aus Berlin. Die folgenden preußischen Könige bevorzugten andere Schlösser als Wohnorte und nahmen nur wenige Umbauten vor. Erst unter Friedrich Wilhelm IV. (1840-1861) erfolgte mit dem Bau der Schlosskuppel wieder eine bedeutende Veränderung des Schlossäußeren.
Kaiser Wilhelm II. (1888-1918), plante erneute Umbauten und Modernisierungen. Der Erste Weltkrieg und die Revolution beendeten vorzeitig die Arbeiten. In der Weimarer Republik wurde das Schloss zum Niemandsland. Von verschiedensten Institutionen genutzt, wurde es zu einem völlig unpolitischen Bau. Die Nationalsozialisten mieden das Schloss, Hitler soll es nie betreten haben.
Sprengung als Willkürakt
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Bau im Frühjahr 1945 bei einem Bombenangriff schwer beschädigt und brannte fast vollständig aus. Seine Grundsubstanz war dennoch so gut erhalten, sodass schon kurz nach dem Krieg einige Räume für Ausstellungen genutzt werden konnten. Das rettete das Berliner Schloss indes nicht vor einem politischen Willkürakt. SED-Chef Walter Ulbricht befahl 1950 die Sprengung zugunsten eines Aufmarschplatzes. Selbst die Einwände der sowjetischen Besatzungsmacht konnten ihren obersten DDR-Statthalter nicht stoppen.
Erst mehr als 20 Jahre nach der Sprengung versuchte die DDR mit dem Bau des Palastes der Republik die Ödnis auf dem Schlossplatz zu kaschieren. Das Parlaments- und Veranstaltungszentrum wurde 1976 eröffnet. Am 23. August 1990 stimmte dort die erste frei gewählte Volkskammer dem Beitritt zur Bundesrepublik zu. Da das Gebäude wegen Asbestsanierung bis auf den Rohbau abgetragen werden musste, beschloss der Bundestag schließlich den Abriss, der 2008 endete.
Die technisch zwingenden Gründe für den Abriss des Palastes wurden schon früh durch die Debatte um den Wiederaufbau des Schlosses überlagert. Dass die städtebauliche Dominante wieder in die Berliner Mitte zurückkehrt, geht wesentlich auf eine Initiative des Fördervereins Berliner Schloss und seiner Freunde 1993 zurück. Dessen Errichtung einer 1:1-Schloss-Simulation am originalen Standort brachte das Berliner Schloss eindringlich in die Erinnerung zurück. Die Geschichte des Berliner Schlosses kann weitergeschrieben werden.
Quelle: Die Welt, 08.06.2015