„Ein Traum wird wahr – das Berliner Stadtschloss“

16.09.2015    P.T. Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft

Mit der charakteristischen Kuppel auf dem Westportal nimmt der Rohbau für das Berliner Schloss – Humboldt Forum nun sichtbar Gestalt an. Der Richtkranz weht bereits. Der Rohbau steht, die Rekonstruktion der historischen Fassaden hat begonnen: Deutschlands prominentestes Kulturbauvorhaben geht im Kosten- und Terminplan erfolgreich in die zweite Halbzeit.

Von Prof. Arnd Joachim Garth

„Nirgens auf dieser Welt macht sich ein Tourist auf den Weg, um ein Bauwerk anzustaunen, das von Sozialdemokraten, Grünen oder Linken errichtet wurde“, schreibt Michael Klonovsky in seinem jüngst erschienenen Aphorismenbändchen. Abriss des feudalen Gutes oder gar Sprengung war der Sozialdemokratie gemeinsame mit den Kommunisten, vereint in der SED, ein hehres Ziel nach dem Krieg. So wurde 1950 die Reste des Stadtschlosses in Schutt und Asche gelegt. Nun schlägt Berlin ein neues Kapitel im Umgang mit seiner Geschichte auf. Die Symbiose aus alter und neuer Architektur lässt auch Kritiker verstummen, denn es ist ein Beitrag, der Historie, Gegenwart und Zukunft auf eine wunderbare Weise verbindet.

So wird das Schloss viel Kunst, Kultur und Wissenschaft beherbergen: die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, die Humboldt Universität, die Stadt Berlin und die Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum. Das Museum des Ortes der Stiftung Berliner Schloss – Humboldtforum, gibt mit einer Präsentation einen Vorgeschmack auf die zukünftige Ausstellung, die unter anderem einen Skulpturensaal und den historischen Schlosskeller einschließt.

Bereits 36 Mio Spenden
Die Spendensammlung für die Mehrkosten der Rekonstruktion der historischen Schlossfassaden nimmt immer weiter Fahrt auf. Die Stiftung hat bislang rund 36 Mio. € an Barspenden überwiegend vom Förderverein Berliner Schloss e. V. erhalten, mit denen sie alle Rechnungen für die Rekonstruktionsarbeiten bezahlt. Ab 250 € Spende kann man einen ganzen Baustein der Schlossfassaden erwerben. Ab 1250 € kann man ein Fassaden-Schmuckelement und ab einem Spendenbetrag in Höhe von 180 € kann bereits ein Portal-Schmuckelement erworben werden. Der Spender kann via Internetportal genau sehen, an welcher Stelle der Stein verbaut ist und er wird namentlich für die Chronik genannt. Für weitere 6 Mio. € verfügt nach Angaben von Herrn von Boddien der Förderverein über feste Spendenzusagen. Hinzu kommen die Sachspenden, die nach Angaben der Wirtschaftsprüfer des Fördervereins nochmals 8 Mio. € wert sind. Insgesamt werden 105 Mio. € an Spenden benötigt einschließlich der Rekonstruktion der Kuppel, der Innenportale und der Portaldurchgänge.

Das Schloss bringt die städtebauliche Situation wieder ins Gleichgewicht
Die Bundesbauministerin Barbara Hendricks äußerte sich zum Richtfest im Juni: “Mit dem fertig gestellten Rohbau ist eine der wichtigsten Etappen zum Bau des Humboldt Forums in der Kubatur des ehemaligen Berliner Schlosses erreicht. Die schiere Dimension dieses Baukörpers verändert schon jetzt unsere Sehgewohnheiten von der Mitte Berlins und bringt die städtebauliche Situation wieder ins Gleichgewicht. Architekt Franco Stella hat die Pläne des Schlossbaumeisters Schlüter variiert und lässt den Barockbau als energieeffizienten Neubau wiedererstehen. Die ersten Sandsteine, von Steinmetzen kunstvoll bearbeitet, schmücken das Sockelgeschoss und werben für weitere Spenden. Die größte Kulturbaumaßnahme des Bundes lädt mit den Gebrüdern Humboldt als Namensgeber zum Dialog der Kulturen der Welt ein. Was mich besonders freut: der Bau liegt im Kosten- und Terminplan.“

Stiftungsvorstand Manfred Rettig zeigt sich zufrieden. „Ich danke allen, die an diesem einzigartigen Projekt – ein Projekt von nationaler Bedeutung – als Initiator, Entscheider, Architekt, Ingenieure und Planer, Partner und Entwickler, Handwerker und Arbeiter mitgewirkt haben. Besonders danke ich den Spendern, die mit ihren finanziellen Unterstützungen den Bürgerwillen für dieses Projekt dokumentieren sowie Wilhelm von Boddien für sein unermüdliches Engagement…“ äußerte Manfred Rettig vor laufenden Kameras.

Ein Bauwerk mit glanzvoller Geschichte
Das Berliner Schloss, seit dem 19. Jahrhundert auch Berliner Stadtschloss genannt, war das zentrale Bauwerk in der historischen Mitte Berlins. Das Residenzschloss der Hohenzollern wurde 1442 im Auftrag der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg auf der Spreeinsel in Alt-Cölln erbaut. Das Schloss wurde nach barocken Erweiterungen ab 1702 zur königlich-preußischen und nach der Reichsgründung 1871 zur kaiserlichen Residenz im Deutschen Kaiserreich. Zur Zeit der Weimarer Republik wurde ab 1921 das Schlossmuseum mit den bedeutendsten kunstgewerblichen Sammlungen Berlins eingerichtet und verschiedene Institutionen bezogen Schlossräume, im Schlüterhof fanden Konzerte statt. Das Berliner Stadtschloss gilt Kunsthistorikern mit seinen Fassaden und Räumen als einer der bedeutendsten Barockbauten der Welt. 1950 beschloss der III. Parteitag der SED, das im Zweiten Weltkrieg teilweite ausgebrannte, aber standfeste Gebäude zu beseitigen, um den Marx-Engels-Platz anzulegen. Nur Teile eines Portals wurden 1963 beim Bau des Staatsratsgebäudes der DDR als Eingangsportal verwendet.

Aufbau bedeutet auch Wachstum in den Köpfen
Die Absicht, das Schloss aufzubauen, entfachte eine unsägliche Diskussion und Meinungsmache in der Mainstreampresse jenseits objektiver Berichterstattung. Die politische Debatte mit Ihrem ganzen Auf und Ab und Hin und Her führte letztendlich zum Bundestagsbeschluss 2002, das Schloss wieder entstehen zu lassen. Unbeirrt und von Spenden unterstützt begann das Vorhaben zu reifen. Unter Verwendung rekonstruierter wesentlicher Fassaden- und Gebäudeteile des ehemaligen Berliner Stadtschlosses, einschließlich seiner Kubatur, wird seit der Grundsteinlegung am 12. Juni 2013 an ursprünglicher Stelle der Neubau errichtet. Die Grundlage dafür bildete der Abriss von „Erichs Lampenladen“.

Gebaut wird modern. Das Tragwerk des Gebäudes besteht aus einem Stahlbetonkern. Das Betontragwerk wird im Bereich der historischen Fassaden mit einem bis zu 60 cm starken Ziegelmauerwerk kraftschlüssig ummauert. So entstehen die Aufnahmen für die Sandstein-Fassadenelemente. Der Vorteil dieser Bauweise liegt darin, dass die schweren Sandstein-Fassadenelemente in die Mauer organisch eingelassen werden können und absolut fest mit dem Mauerwerk verbunden sind. Außerdem erfüllt die gut einen Meter dicke Mauer alle Vorschriften der Wärmedämmung und leitet aber auch die Wärme im Mauerwerk so ab, dass es nicht zu Rissbildungen kommen kann.

Das Gebäude wird technisch gesehen ultramodern. Es übererfüllt alle gesetzlichen Ansprüche an ein Niedrigenergiehaus und unterschreitet die aktuellen Vorschriften der EU um 30 %. Nach dem Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses soll der Gebäudekomplex das künftige Humboldtforum beherbergen, dessen Eröffnung am 14. September 2019 geplant ist. Bleiben wir gespannt. Bisher läuft alles präzise nach Plan.

Das Rekonstruieren historischer Stadtkerne kann auch einen solchen gewaltigen Schritt bedeuten. Dresden, Potsdam, Frankfurt am Main sind gute Beispiele dafür, dass nicht nur selbstleugnerisch mit unserer Geschichte umgegangen wird. Das Schloss ist auch Zeugnis gut funktionierender mittelständischer Wirtschaft, die als Spender oder Auftragnehmer den Glanz der Geschichte wieder mit entstehen lässt.

 

Quelle: P.T. Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft, 16.09.2015

3 Kommentare zu “„Ein Traum wird wahr – das Berliner Stadtschloss“

  1. Die These, dass die Sozialdemokratie hier ebenfalls vorn dabei gewesen ist, finde ich persönlich zu „platt“ – bei dieser Argumentation bleibt außen vor, dass der Ursprung kultureller Vernichtung in Deutschland leider bereits auf die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts rückführbar ist – mit letzter Konsequenz in der Bombardierung des Schlosses mündend – und DAS war mitnichten das Werk von Sozialdemokraten.

    S. Batzer

  2. Herzlichen Dank Herr
    Prof. Garth für diesen Artikel , in dem Sie das Projekt engagiert, emotional
    begeistert und über­sichtlich, dabei in den Fakten sachlich und gut informiert beschreiben.
    Es ist ein wirklich faszinierendes Projekt: städtebaulich, architektonisch,
    baugeschichtlich bezogen auf die Zeit und den Stil des preußischen Barock,
    kulturhistorisch, in seiner kosmopolitischen Botschaft und politisch als überzeugendes
    Repräsentationsmittel des modernen Deutschland. Bei allem Respekt für Skeptiker
    und Gegner: klar ist, es geht bei diesem Projekt überhaupt nicht um „rückwärtsgewandte,
    beschönigende Preußennostalgie“, auch nicht um alte Ossi-Wessi-Kontroversen,
    sondern um die späte Wiederherstellung und Rettung eines einmaligen Ensembles. Es wäre jetzt entscheidend wichtig und notwendig,
    wenn noch viel mehr Bürger und insbesondere große Sponsoren den symbolischen
    und ästhetischen Wert dieses Projektes erkennen würden und sich bereitfänden,kräftig in die Spendenkasse einzuzahlen,
    damit dieses Jahrhundertwerk von Wilhelm von Boddien gelingt.

  3. Noch eine Ergänzung: der polemische Seitenhieb gegen SPD, Grüne und Linke von Prof. Barth ist allerdings überflüssig, falsch und ungeschickt. Er dient nicht dem Konsens der Gesellschaft über dieses wichtige Projekt.

Schreibe einen Kommentar zu Batzer Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert