Der Bauherr über den Stand der Arbeiten am Berliner Schloss
Von Isabell Jürgens
Ein Horror für jeden Bauherren sind Änderungen an der Planung, während das Gebäude bereits im Bau ist. Für Manfred Rettig, Vorstandsmitglied der Stiftung Berliner Schloss und damit Chef auf der Baustelle für den größten und teuersten Kulturneubau in der Bundesrepublik gilt das in ganz besonderer Weise. Das Prestigeprojekt, für das der Haushaltsausschuss des Bundestages eine Kostenobergrenze von 590 Millionen Euro festgesetzt hat, will Rettig unbedingt ohne Zeitverzögerungen und Kostenexplosionen fertigstellen.
Die Welt:
Sie haben erst 27 der erforderlichen 80 Millionen Euro für die historische Schlossfassade zusammen. Droht ein Betonschloss?
Manfred Rettig:
Der Bericht, auf den Sie anspielen, wurde Anfang Dezember im Haushaltsausschuss des Bundestags beraten. Die darin von der Schlossstiftung aufgeführten Zahlen sind vier Wochen alt. Inzwischen haben wir schon wieder vier Millionen Euro an Spendenmitteln eingenommen. Ein Betonschloss wird es nicht geben. Mit dem Ende der Frostperiode werden wir im kommenden Frühjahr mit den Arbeiten an der historischen Fassade beginnen. Derzeit arbeiten fünf Firmen an den Fassadenelementen, die Lager sind voll.
Es klafft aber immer noch eine Finanzierungslücke von knapp 50 Millionen Euro…
Das Entscheidende ist doch, wie sich das Spendenaufkommen entwickelt hat. 2011 haben wir für das ganze Jahr zwei Millionen Euro Spendenzugänge verzeichnet, 2012 waren es schon 5,2 Millionen und im vergangenen Jahr, in dem wir auch den Grundstein gelegt haben, kamen schon 9,1 Millionen zusammen. 2014 werden es rund 15 Millionen sein. Es ist ganz deutlich, dass das Schloss, je sichtbarer es im Stadtbild wird, immer mehr Interesse in der Bevölkerung findet.
Und was, wenn der Spendenfluss wieder versiegt?
Es ist unsere Aufgabe als Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum dafür zu sorgen, dass das nicht geschieht. Und glauben Sie mir, wir sind da sehr rührig. Gestern zum Beispiel habe ich mit einer Gruppe deutscher Unternehmer die Baustelle besichtigt. Die Resonanz war überwältigend. Und wir stellen das Projekt ja nicht nur den großen potenziellen Geldgebern vor. Wir werden das Richtfest am 12. Juni 2015 als Anlass nehmen, wieder ein ganzes Wochenende der offenen Baustelle zu veranstalten, mit zahlreichen Events, die Vorfreude auf die künftigen Inhalte des Humboldtforums wecken werden. Viele Bürger waren ja zunächst zurückhaltend, weil das Projekt lange nur als reines Vorhaben existierte, vom Bau aber selbst nichts zu sehen war. Inzwischen steht der Rohbau unübersehbar in seiner ganzen Größe mitten in Berlin. Die Sorge, dass das Projekt in irgendeiner Schublade verschwinden wird, hat sich damit wohl erübrigt.
Auch ohne Umplanungen haben Sie in Ihrem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages Probleme mit der Haustechnik eingeräumt. Was genau funktioniert nicht?
Die Haustechnik macht 40 Prozent des gesamten Bauvolumens aus, so ein Projekt wie das Humboldt-Forum mit seinen vielen Ausstellungs- und Veranstaltungsbereichen verfügt über eine extrem komplexe Technikanlage. So ist der gesamte Keller voll mit Technik für das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss. Unter dem Dach ist die Technik, die das 2. und dritte Stockwerk versorgt. Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass hier sauber geplant wird. Mit den Leistungen der von uns beauftragten Ingenieurbüros bin ich teilweise noch nicht richtig zufrieden.
Bedeutet das jetzt Kostenexplosion und Zeitverzug?
Nein, denn wir haben rechtzeitig reagiert, bevor da irgendetwas falsch eingebaut wird. Es hat sich als gut und richtig erwiesen, dass einer der ersten Mitarbeiter, den wir eingestellt haben, aus dem TGA-Bereich (Technische Gebäudeausrüstung, Anm.d.R.) kommt und der zweite ein Controller ist. Diese beiden sind meine Augen und Ohren auf der Baustelle, die mich täglich informieren, ob es irgendwo Schwierigkeiten gibt.
Nicht nur durch die Schloss-Aktivitäten gleicht Berlins historische Mitte derzeit einer unübersichtlichen, gigantischen Dauerbaustelle. Mutet man Berlinern und Touristen nicht zu viel zu?
Wir werden Mitte 2019 sämtliche Arbeiten abgeschlossen haben und ich hoffe doch sehr, dass dann auch die Arbeiten an der U-Bahn-Linie 5 in unserer unmittelbaren Nachbarschaft abgeschlossen sein werden. Dann steht hoffentlich auch das Freiheits- und Einheitsdenkmal an der Schloßfreiheit. Da kann man nur an die Verantwortlichen appellieren. Absolut notwendig für die gesamte Gegend wäre auch, dass 2015 ein Wettbewerb für den Wiederaufbau der Schinkelschen Bauakademie stattfindet – wer immer das auch macht. Das in die Jahre gekommene Planengerüst ist doch ein peinlicher Offenbarungseid. Nachdem die Pläne, das Bauwerk durch einen privaten Bauherren errichten zu lassen, an den zu hohen Erwartungen endgültig gescheitert sind, sehe ich das Land Berlin und den Bund in der Pflicht, hier endlich Abhilfe zu schaffen. Das wäre eine ganz wichtige Aufgabe für die Zukunft der Mitte Berlins.
Quelle: Die Welt kompakt, 05.01.15