„Die Südsee zieht ins Schloss“

02.12.2015    Berliner Morgenpost

Ende einer Ära: Die Dahlemer Museen schließen Anfang Januar. 32 Millionen Euro kostet der Umzug ins Humboldt-Forum.

Von Gabriela Walde

Wer die Dahlemer Museen an der Lansstraße dieser Tage betritt, steht vor lauter mit gewebten Tüchern abgedeckten Tischen. Ein verlassener Flohmarkt sieht nicht anders aus. Der Markt der Kontinente öffnet nur am Wochenende, und so wirkt alles recht trostlos. In der Garderobe hängen, wenn es hochkommt, vielleicht 30 Mäntel und Kinderanoraks an den Haken. Die Juniorabteilung ist auch zu. Unübersehbar, der Abschied liegt wie Mehltau über dem in die Jahre gekommenen Gebäude. In der Krise aber stecken die Dahlemer Museen schon länger.

Um die 20.000 Objekte werden an den Schlossplatz ziehen

Am 11. Januar ist Schluss, dann schließen das Ethnologische und das Asiatische Museum ihre großen Abteilungen wie die Südsee mit den elf Originalbooten und den Häusern, die Dauerausstellung Indianer Nordamerikas mit ihren Ahnenpfählen und Zentralasien mit der gewaltigen Kulthöhle und den Wandmalereien. Genau jene Sektionen, die populär sind, wenn man diese Häuser überhaupt noch besucht.

Der Umzug ins Humboldt-Forum steht an: Um die 20.000 Objekte müssen fertig gemacht werden für den Transfer nach Mitte. 2019 soll – wenn baulich alles funktioniert – das Humboldt-Forum eröffnen. Das „macht man nicht in einer Nacht“, wie Generaldirektor Michael Eissenhauer die Vorbereitungen in Dahlem erklärt. Ein logistischer Aufwand. Viele der Objekte sind seit 45 Jahren nicht bewegt worden, keiner der aktuellen Mitarbeiter weiß, wie schwierige Exponate damals angebracht wurden, die Halterungen sind instabil, wie bei einigen aztekischen Tonfiguren und Masken. Und was letztlich bei der Demontage an Schäden zu Tage tritt, könnte, ähnlich wie bei einem Altbau, „eine Überraschung“ werden, vermutet Eissenhauer. Ein Jahr später, Anfang Januar 2017, schließen die beiden Häuser dann komplett für das Publikum.

Die Kosten für den Umzug sind gewaltig: Vorbereitung und Durchführung sind mit 32 Millionen Euro für die nächsten Jahre veranschlagt, so Eissenhauer. Zwei Millionen sind für die ersten Maßnahmen freigestellt.

Sechs der riesengroßen Pazifikboote werden im Schloss wieder aufgestellt und hoffentlich eine Attraktion. Zerlegen, entstauben, untersuchen, dokumentieren, restaurieren, verpacken und lagern – diese einzelnen Arbeitsschritte folgen bis zum Abtransport. Nicht zu vergessen, das Boot aus Tonga braucht ein neues Segel, und ja, die Häuser bekommen frische Palmenblätter auf die Dächer, die werden extra eingeflogen aus den Herkunftsländern. Für all dieses braucht es Restauratoren, 15 arbeiten in Dahlem. Im Humboldt-Forum wird in der Fassade extra eine Öffnung vorgehalten, damit einige der großen Exponate per Kran ihren Weg ins Schloss finden. 2018 soll das geschehen, den Zeitplan muss man in Dahlem halten, sonst käme es zu Bauverzögerungen.

Viele der Exponate, vor allem jene aus organischen Materalien wie Fell, Federn oder etwa Holz, müssen dekontaminiert werden, also Schädlinge und Chemikalien entfernt werden. Diese einzelnen Arbeitsschritte benötigen viel Platz, und deshalb müssten ganze Abteilung geschlossen werden, erzählt Viola König, Chefin des Ethnologischen Museums. Eine Teilschließung, um eben Ausstellungsteile fürs Publikum offenzuhalten, würde nichts bringen.

Ein alternatives Ausstellungsprogramm wird es übrigens nicht geben. „Das ist eine extreme Phase“, sagt König. Der Arbeitsaufwand sei erheblich, die Kräfte seien allesamt gebunden. Die Frage ist ohnehin, wer sollte noch nach Dahlem kommen, da jetzt schon die Besucher an den Fingern zu zählen sind? Es ist ohnehin nur ein Abschied auf Zeit, die Highlights der Sammlungen werden ja im Humboldt-Forum, in hoffentlich moderner Präsentation, wieder zu sehen sein.

Ein Plan für die Nachnutzung Dahlems steht noch aus

Michael Eissenhauer vermeidet es, von Schließung zu sprechen, im ersten Stock sei noch die Ostasiatische Sammlung mit dem Teehaus Ai Weiweis geöffnet. Und schließlich hält das Museum der Europäischen Kulturen als drittes Haus die Stellung. Der Vergleich hinkt, das Haus hat nichts mit den Schätzen der außereuropäischen Kulturen zu tun und sucht noch sein Profil. Die Institution hat durchaus Modellcharakter, möchte „Europa in Berlin“ darstellen und arbeitet vorzugsweise mit vielen ausländischen Communitys, die versuchen, „ihre persönliche Migration“ darzustellen. 50.000 Besucher zählt das Haus im Jahr, so Direktorin Elisabeth Tietmeyer. „Wir haben ein gutes Stammpublikum, viele Zehlendorfer kommen.“ Auch die Zukunft dieses Museums hängt in der Schwebe, langfristig ist an eine Umsiedlung ans Kulturforum gedacht, neben dem Kunstgewerbemuseum. Doch erst einmal muss das Museum des 20. Jahrhunderts gebaut sein.

Auch ein Plan für eine Nachnutzung Dahlems steht noch aus. Gespräche laufen, so nennt es Eissenhauer. Klar ist, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz will das Gebäude langfristig aufgeben. Erst einmal aber braucht man das Haus als Depot, solange das Zentraldepot in Friedrichshagen nicht zur Verfügung steht, weil die Finanzierung fehlt.

 

Quelle: Berliner Morgenpost, 02.12.2015

 

 

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