Die Humboldt-Box zeigt – Berlin braucht das Schloss
Die Humboldt-Box ist genau richtig: Sie macht es einem leicht, sich zeitgenössische Architektur abzugewöhnen – hier rettet nur das Schloss.
Die Humboldt-Box ist ein Gebäude, das danach schreit, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden. Sein Daseinsweck ist es, sich überflüssig zu machen. Es steht nur als Platzhalter für Schloss und Humboldt-Forum in Berlins leerer Mitte.
Die Box, die wie ein eckiges Überraschungsei aus dem Boden wächst, macht es einem leicht, sich zeitgenössische Architektur abzugewöhnen. Damit erfüllt sie genau ihren Zweck.
Die Box wirkt städtebaulich wie eine Impfung
Sie führt noch einmal in greller Weise vor, was man in Berlins Mitte nicht mehr braucht: sogenannte moderne Kontrapunkte, futuristische Provokationen, avantgardistische Selbstermächtigungen. Sie führt das vor durch ihre eigene Gestalt, die architektonisch fast schon wieder genial die Botschaft verdichtet: Ich gehöre nicht an diesen Platz.
Und sie zeigt es durch den weiten Blick über das historische Berlin, den sie von ihren Hochterrassen aus gewährt. Da liegt tief unten der grüne Rasen und kann nichts anderes sagen, als dass da etwas fehle. Die Box schreit also auch nach Wiederherstellung des historischen Stadtraumes.
Städtebaulich wirkt sie wie eine Impfung. Sie regt die Bildung von Antikörpern gegen modernistische Versuchungen an. Respekt gebührt den Architekten, dem Büro Krüger Schubert Vandreike, für die außergewöhnliche Selbstverleugnung, die ein Bauwerk zum Abgewöhnen von den Baumeistern verlangt.
Das Innere wird von Feuilletonisten verrissen
So viel zum Äußeren. Im Inneren soll die Box einen Vorgeschmack auf das Humboldt-Forum geben, das ja einmal der Inhalt des Schlosses werden wird. Dieses ungewöhnliche, vorbildlose Projekt einer Verbindung von Museum, Bibliothek, Wissenschaftsvermittlung und öffentlichem Veranstaltungsraum hat ein neues Feuilleton-Genre zum Blühen gebracht: das Niedernörgeln.
Kritiker, die sonst durchaus für den Reiz des Offenen und Unfertigen empfänglich sind, beklagen nun, dass die Forum-Idee noch nicht in jedem Detail konkret sei, und wenn sie der Idee etwas abgewinnen können, dann wissen sie heute schon genau, dass sie in der historischen Architektur von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.
An den Frontverläufen der Feuilleton-Schlachten um das Humboldt-Forum wird die Box ebenso wenig ändern wie vor drei Jahren die Ausstellung „Anders zur Welt kommen“, mit der schon einmal die Humboldt-Partner Staatliche Museen, Universität und Landesbibliothek ihr künftiges Zusammenwirken im Schloss vorstellten.
Die Idee ist im Kern einfach und überzeugend
Die Humboldt-Box soll dem breiten Publikum die Idee näher bringen, im Hohenzollernschloss, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Schatzkammern europäischer Kultur auf der Museumsinsel, die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu präsentieren und so das Zentrum der deutschen Hauptstadt zu einem Ort der Weltkultur zu machen.
Wie immer man es beschreibt, es klingt pathetisch und fordert Spott und Häme geradezu heraus. Das ändert aber nichts daran, dass die Idee in ihrem Kern einfach und überzeugend ist.
Auf drei Stockwerken kann sich der Besucher der Box über das Projekt Humboldt-Forum informieren. Es beginnt mit der Geschichte des Schlosses und der Bedeutung der Gebrüder Humboldt. Dann stellen sich in der „Humboldt-Lounge“ die Landesbibliothek und die Universität vor.
Die Ausstellungsstücke zeigen das Potenzial
Die dritte Etage nehmen das Ethnologische Museum und das Museum für asiatische Kunst ein. Man kann sich anhand einer interaktiven Weltkarte durch die Tonkonserven der musikethnologischen Sammlung hören oder sich vom Enkel des Königs Njoya aus Kamerun, der Kaiser Wilhelm II. einst seinen Thron schenkte, von seinem Großvater erzählen lassen.
Der DDR-Prestigebau Palast der Republik wurde auf einem Teil des Humboldt-Forums errichtet, auf dem zuvor das 1950 gesprengte Stadtschloss der Hohenzollern stand.
In dem 1976 eröffneten Palast der Republik tagte die DDR-Volkskammer, zudem gab es Säle, Restaurants, Cafés und Bowling-Bahnen.
1993 warb der Schlossverfechter Wilhelm von Boddien mit einer Attrappe für einen Neubau des Stadtschlosses.
Von 1998 bis 2003 wurde Asbest im Palast der Republik beseitigt.
2002 votierte der Bundestag für einen Schloss-Neubau.
2003 beschloss der Bundestag den Abriss des Palastes der Republik.
Anfang 2006 begann der Abriss des Gebäudes, der im Dezember 2008 weitgehend beendet war.
Im November 2007 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, dass der Neubau nicht mehr als 552 Millionen Euro kosten darf.
Im November 2008 gewinnt der Italiener Francesco Stella den Architektenwettbewerb zum Bau des Humboldt-Forums.
2009 entbrennt ein juristische Streit um den Vertrag mit Stella, den die Vergabekammer des Bundeskartellamtes dann für ungültig erklärt.
Ende 2009 entscheidet das Düsseldorfer Oberlandesgericht, dass der Vertrag mit Stella zwar ungültig sei, aber nachgebessert werden könne. Damit können Stellas Pläne verwirklicht werden.
Baubeginn soll nach Angaben des Bundesbauministeriums eigentlich im Frühjahr 2011 sein.
Der Wiederaufbau des Schlosses verschiebt sich wegen des Sparkurses der Regierung auf 2014.
Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) plädiert Ende 2010 dafür, das geplante Berliner Stadtschloss mit einer Kuppel zu ergänzen: er rechnet mit einem Baubeginn 2013.
Im Juni 2011 beziffert der „Bericht zur Kostenberechnung“ den finanziellen Mehrbedarf auf 40 bis 60 Millionen Euro.
Über die Relevanz scheinbar abseitiger wissenschaftlicher Forschung mag nachdenken, wer sich die ökologischen Folgen des ausufernden Froschhandels in Westafrika vor Augen führen lässt. Natürlich sind das alles kleine Appetithappen. Aber sie zeigen doch, welch ungeheures und der Öffentlichkeit weithin verborgenes Potenzial in den drei Akteuren steckt, die sich zum Humboldt-Forum zusammentun.
Gebaut wurde die Box von der Unternehmerfamilie Gerd Henrich, Inhaber der Firma Megaposter. Sie ist also Privateigentum, das öffentlich genutzt wird. Man lese das als Zeichen dafür, dass das Humboldt-Forum alles andere als ein Projekt nur des öffentlich besoldeten Kulturestablishments ist.
www.welt-online.de am 30.6.2011, Text von Eckhard Fuhr