Die Humboldt-Box zeigt – Berlin braucht das Schloss

Die Humboldt-Box zeigt – Berlin braucht das Schloss

Die Humboldt-Box ist genau richtig: Sie macht es einem leicht, sich zeitgenössische Architektur abzugewöhnen – hier rettet nur das Schloss.

Die Humboldt-Box ist ein Gebäude, das danach schreit, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden. Sein Daseinsweck ist es, sich überflüssig zu machen. Es steht nur als Platzhalter für Schloss und Humboldt-Forum in Berlins leerer Mitte.

Die Berliner Humboldt-Box
Foto: dapd/DAPD Die Humboldt-Box steht auf dem Schloßplatz in Berlin – ihr Aufenthalt dort ist aber begrenzt.
Foto: dapd/DAPD Das temporäre Bauwerk wurde errichtet, um über die Bauarbeiten rund um das Humboldt-Forum und dessen zukünftige Nutzung zu informieren.
Foto: dpa/DPA Der Ausstellungspavillon wirkt …
Foto: Getty Images/Getty … wie ein gerade gelandetes Raumschiff.
Foto: AFP In seinem Inneren soll es einen Vorgeschmack auf das Humboldt-Forum geben. Hier ist eine Maske des kanadischen Stammes Kwakiutl ausgestellt.
Foto: dapd/DAPD Das Riesenmodell einer Malaria-Mücke gibt es auch zu bestaunen.
Foto: REUTERS Schnuppern können die Gäste an Zitruspflanzen.
Foto: dpa/DPA Doch natürlich ist auch ein Modell des historischen Berliner Stadtschlosses zu sehen.
Foto: AFP Für Besucher gibt es ergonomisch geformte Lesebereiche.
Foto: Getty Images/Getty Die Architektengemeinschaft Torsten Krüger, Christiane Schuberth und Bertram Vandreike …
Foto: Getty Images/Getty … hat den Bau entworfen.
Foto: dpa/DPA Das Gebäude ist fünf Stockwerke hoch, verfügt über ein Dachrestaurant und hat eine Fläche von 3000 Quadratmetern.
Foto: dapd/DAPD Es steht als Platzhalter für das geplante Schloss und das Humboldt-Forum.
Foto: dpa/DPA Der Förderverein Berliner Schloss verspricht sich von der Humboldt-Box zusätzliche Spendeneinnahmen für den Bau des Stadtschlosses und erwartet jährlich 300.000 Besucher.

Die Box, die wie ein eckiges Überraschungsei aus dem Boden wächst, macht es einem leicht, sich zeitgenössische Architektur abzugewöhnen. Damit erfüllt sie genau ihren Zweck.

Die Box wirkt städtebaulich wie eine Impfung

Sie führt noch einmal in greller Weise vor, was man in Berlins Mitte nicht mehr braucht: sogenannte moderne Kontrapunkte, futuristische Provokationen, avantgardistische Selbstermächtigungen. Sie führt das vor durch ihre eigene Gestalt, die architektonisch fast schon wieder genial die Botschaft verdichtet: Ich gehöre nicht an diesen Platz.

Franco Stellas überarbeitete Pläne
Foto: dapd/DAPD Auf mehr als 600 Millionen Euro beziffert der „Bericht zur Kostenberechnung“ mittlerweile das Volumen für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses (hier eine Computersimulation).
Foto: BBR Das Berliner Stadtschloss soll nach den Entwürfen des Architekten Franco Stella aufgebaut werden.
Foto: Franco Stella – FS HUF PG/dapd Die Luftaufnahme zeigt die Museumsinsel (vorn) in Berlin, den Dom (Mitte) und eine eingesetzte Computergrafik des geplanten Berliner Schlosses, dem Humboldt-Forum.
Foto: Franco Stella – FS HUF PG/dapd Eine Seitenansicht.
Foto: Franco Stella – FS HUF PG/dapd Die Grafik zeigt die geplante zentrale Empfangshalle der Agora mit dem Eosanderportal.
Foto: BBR So sieht der neue Entwurf des Erdgeschosses aus.
Foto: BBR Das Budget für die Rekonstruktion des Schlosses wurde vom Bundestag auf 552 Millionen Euro gedeckelt.
Foto: dapd/DAPD Die Treppenhalle im Humboldt-Forum des geplanten Schlosses soll so aussehen.
Foto: BBR Der rekonstruierte Schlüterhof. Er soll auch als prächtiger Rahmen für Open-Air-Konzerte fungieren.
Foto: BBR Die moderne Ost-Fassade geht fließend in die rekonstruierten Barock-Fronten über. Um Geld zu sparen, war die Kuppel zunächst nur als Gerippe angedeutet.
Foto: dapd/DAPD Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) plädiert Ende 2010 dafür, das geplante Berliner Stadtschloss mit einer Kuppel zu ergänzen. Mit ersten Baumaßnahmen könne schon 2013 begonnen werden.
Foto: dapd/DAPD Der Berliner Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) kritisierte die Verschiebung des Projekts.
Foto: picture alliance / dpa/dpa Ab Juni 2011 soll die Humboldt-Box auf dem Schlossplatz in der Nähe des Roten Rathauses (l.) als Informationspavillon für den geplanten Neubau des Berliner Schlosses dienen und nach Fertigstellung abgebaut werden.

Und sie zeigt es durch den weiten Blick über das historische Berlin, den sie von ihren Hochterrassen aus gewährt. Da liegt tief unten der grüne Rasen und kann nichts anderes sagen, als dass da etwas fehle. Die Box schreit also auch nach Wiederherstellung des historischen Stadtraumes.

Städtebaulich wirkt sie wie eine Impfung. Sie regt die Bildung von Antikörpern gegen modernistische Versuchungen an. Respekt gebührt den Architekten, dem Büro Krüger Schubert Vandreike, für die außergewöhnliche Selbstverleugnung, die ein Bauwerk zum Abgewöhnen von den Baumeistern verlangt.

Das Innere wird von Feuilletonisten verrissen

So viel zum Äußeren. Im Inneren soll die Box einen Vorgeschmack auf das Humboldt-Forum geben, das ja einmal der Inhalt des Schlosses werden wird. Dieses ungewöhnliche, vorbildlose Projekt einer Verbindung von Museum, Bibliothek, Wissenschaftsvermittlung und öffentlichem Veranstaltungsraum hat ein neues Feuilleton-Genre zum Blühen gebracht: das Niedernörgeln.

Kritiker, die sonst durchaus für den Reiz des Offenen und Unfertigen empfänglich sind, beklagen nun, dass die Forum-Idee noch nicht in jedem Detail konkret sei, und wenn sie der Idee etwas abgewinnen können, dann wissen sie heute schon genau, dass sie in der historischen Architektur von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist.

An den Frontverläufen der Feuilleton-Schlachten um das Humboldt-Forum wird die Box ebenso wenig ändern wie vor drei Jahren die Ausstellung „Anders zur Welt kommen“, mit der schon einmal die Humboldt-Partner Staatliche Museen, Universität und Landesbibliothek ihr künftiges Zusammenwirken im Schloss vorstellten.

Die Idee ist im Kern einfach und überzeugend

Die Humboldt-Box soll dem breiten Publikum die Idee näher bringen, im Hohenzollernschloss, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Schatzkammern europäischer Kultur auf der Museumsinsel, die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu präsentieren und so das Zentrum der deutschen Hauptstadt zu einem Ort der Weltkultur zu machen.

Wie immer man es beschreibt, es klingt pathetisch und fordert Spott und Häme geradezu heraus. Das ändert aber nichts daran, dass die Idee in ihrem Kern einfach und überzeugend ist.

Auf drei Stockwerken kann sich der Besucher der Box über das Projekt Humboldt-Forum informieren. Es beginnt mit der Geschichte des Schlosses und der Bedeutung der Gebrüder Humboldt. Dann stellen sich in der „Humboldt-Lounge“ die Landesbibliothek und die Universität vor.

Die Ausstellungsstücke zeigen das Potenzial

Die dritte Etage nehmen das Ethnologische Museum und das Museum für asiatische Kunst ein. Man kann sich anhand einer interaktiven Weltkarte durch die Tonkonserven der musikethnologischen Sammlung hören oder sich vom Enkel des Königs Njoya aus Kamerun, der Kaiser Wilhelm II. einst seinen Thron schenkte, von seinem Großvater erzählen lassen.

Der Weg zum neuen Stadtschloss

Der DDR-Prestigebau Palast der Republik wurde auf einem Teil des Humboldt-Forums errichtet, auf dem zuvor das 1950 gesprengte Stadtschloss der Hohenzollern stand.

In dem 1976 eröffneten Palast der Republik tagte die DDR-Volkskammer, zudem gab es Säle, Restaurants, Cafés und Bowling-Bahnen.

1993 warb der Schlossverfechter Wilhelm von Boddien mit einer Attrappe für einen Neubau des Stadtschlosses.

Von 1998 bis 2003 wurde Asbest im Palast der Republik beseitigt.

2002 votierte der Bundestag für einen Schloss-Neubau.

2003 beschloss der Bundestag den Abriss des Palastes der Republik.

Anfang 2006 begann der Abriss des Gebäudes, der im Dezember 2008 weitgehend beendet war.

Im November 2007 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags, dass der Neubau nicht mehr als 552 Millionen Euro kosten darf.

Im November 2008 gewinnt der Italiener Francesco Stella den Architektenwettbewerb zum Bau des Humboldt-Forums.

2009 entbrennt ein juristische Streit um den Vertrag mit Stella, den die Vergabekammer des Bundeskartellamtes dann für ungültig erklärt.

Ende 2009 entscheidet das Düsseldorfer Oberlandesgericht, dass der Vertrag mit Stella zwar ungültig sei, aber nachgebessert werden könne. Damit können Stellas Pläne verwirklicht werden.

Baubeginn soll nach Angaben des Bundesbauministeriums eigentlich im Frühjahr 2011 sein.

Der Wiederaufbau des Schlosses verschiebt sich wegen des Sparkurses der Regierung auf 2014.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) plädiert Ende 2010 dafür, das geplante Berliner Stadtschloss mit einer Kuppel zu ergänzen: er rechnet mit einem Baubeginn 2013.

Im Juni 2011 beziffert der „Bericht zur Kostenberechnung“ den finanziellen Mehrbedarf auf 40 bis 60 Millionen Euro.

Über die Relevanz scheinbar abseitiger wissenschaftlicher Forschung mag nachdenken, wer sich die ökologischen Folgen des ausufernden Froschhandels in Westafrika vor Augen führen lässt. Natürlich sind das alles kleine Appetithappen. Aber sie zeigen doch, welch ungeheures und der Öffentlichkeit weithin verborgenes Potenzial in den drei Akteuren steckt, die sich zum Humboldt-Forum zusammentun.

Gebaut wurde die Box von der Unternehmerfamilie Gerd Henrich, Inhaber der Firma Megaposter. Sie ist also Privateigentum, das öffentlich genutzt wird. Man lese das als Zeichen dafür, dass das Humboldt-Forum alles andere als ein Projekt nur des öffentlich besoldeten Kulturestablishments ist.

www.welt-online.de am 30.6.2011, Text von Eckhard Fuhr

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