„Die Frage des Tages: Hat das Humboldt Forum aus der Kritik gelernT?“

19.07.2022  – rbb kultur

 

Ein preussisches Schloss als Universalmuseum und Kulturforum, als Ort der Welt-Darstellung mit zeitgenössischer Perspektive: Passt das?

Das Humboldt Forum war von Anfang an umstritten. Während demnächst noch zwei tonnenschwere rekonstruierte Bronze-Reliefs in die Schlossfassade eingepasst werden und die noch ausstehende Eröffnung des Ostflügels mit Beständen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst für Mitte September geplant ist, wurden erste Teile des Humboldt Forums bereits vor einem Jahr der Öffentlichkeit übergeben.

Grund genug unseren Kolumnisten Götz Aly zu fragen: Hat das Humboldt Forum aus der Kritik gelernt?

 

rbbKultur: Herr Aly, was sagen Sie? Hat das Humboldt Forum aus der Kritik gelernt?

Götz Aly: Das Humboldt Forum – das sind ja Personen, um die es da geht. Und die neue Kulturstaatsministerin Frau Roth hat sehr richtig gesagt, das Humboldt Forum ist, was die innere Gestaltung betrifft, allenfalls ein Rohbau – das betrifft auch das Konzeptionelle. Da bin ich mit ihr ganz einig.

Ich glaube, es ist zu wenig passiert in diesem Jahr. Die Leute dort haben die Kritik nicht ernst genommen. Es läuft einfach so weiter. Es ist jetzt eröffnet. Die Programme haben wenig öffentliche Wirksamkeit, sie sind zum Teil langweilig und bemüht. Die Kritik am Kolonialcharakter der Ausstellung über die Südsee, über Afrika, aber auch die ostasiatische Kunst hat nicht dazu geführt, dass aktive Änderungen vorgenommen worden sind. Und diese Kritik ist nicht nur eine von irgendwelchen Decolonizern oder von Historikern wie mir, die sich – wie ich in meinem Buch „Das Prachtboot“ – mit dem deutschen Kolonialismus beschäftigt haben, sondern auch eine von Museumsfachleuten, von Ausstellungsfachleuten, die sagen, dass diese Ausstellungen miserabel sind.

Sie sind deswegen so miserabel, weil sie nichts erklären, was dort gezeigt wird. Sie müssen sich vorstellen, in der ostasiatischen Ausstellung haben Sie höchste Porzellankunst, die das, was wir in Meißen haben, weit übertrifft – und daneben irgendwelches Alltagsgeschirr. Das Ganze wird Ihnen als chinesisches Porzellan vorgestellt. Genauso ist es in der Afrika- und in der Südsee-Ausstellung: Da haben Sie wunderbare Plastiken, Masken usw. – und daneben ganz Alltägliches, Langweiliges. Erklärt wird nichts. Das ist so, als würden Sie in eine unerklärte Glaskiste – so ist das ja dort organisiert – einen Riemenschneider und daneben einen Gartenzwerg stellen und sagen würden: das ist mitteleuropäische Plastikkunst der vergangenen Zeit – und nicht mehr. Nichts. Und das ist wirklich kolonialistisch, das ist herablassend, das ist verachtend gegenüber diesen Kulturen. Das hat gar nichts mit Restitution zu tun – es ist auch eine Verächtlichmachung des Publikums, das nichts erklärt bekommt in diesem Museum, das nichts lernen kann, keinen Zugewinn hat.

rbbKultur: Heißt das, wir brauchen neues Personal im Humboldt Forum?

Aly: Ich finde schon. Der Generalintendant des Humboldt Forums, Hartmut Dorgerloh – diese Art von plastifizierter Sprache, in der nichts gesagt wird … Das sind Leute, die könnten mal endlich einen Kurs machen – sagen wir mal bei Robert Habeck -, wie man sich öffentlich ausdrückt und wirklich über Probleme spricht und auch darüber, wie man sie lösen könnte oder vielleicht lösen will. Das ist ein Nicht-Gerede, was da stattfindet. Die Öffentlichkeit wird nicht einbezogen, die Kritiker werden nicht eingeladen.

Ich möchte auch etwas Positives sagen. Einen Punkt finde ich interessant. Ich war im Beraterkreis der Ausstellung „Berlin Global“, die auch im Humboldt Forum gezeigt wird. Ich bin dort ausgetreten, weil ich das Konzept nicht gut fand. Ich habe das damals nicht öffentlich gemacht. Aber ich war vor nicht langer Zeit mit vier meiner Enkel dort – zwei aus Berlin, zwei aus Paris – und die waren begeistert von dieser Ausstellung. Und da muss ich sagen, diese Möglichkeit, dass andere Leute das anders sehen, gerade in dieser Ausstellung „Berlin Global“, hat mir gefallen und das akzeptiere ich auch gerne.

Ansonsten: Es muss an allen Ecken verändert werden. Die Steinwüste drumherum, die fehlenden Brunnen – das merkt man jetzt bei der Hitze … Es muss Leben reinkommen. Das ist eine Aufgabe, die nicht nur die Führung dort hat, sondern die die Stadt eigentlich hat, die der Bund hat. Das Humboldt Forum ist eine Institution – wir haben sie, und wir müssen jetzt etwas daraus machen. Sie steht da.

Das Gespräch mit Götz Aly führte Peter Claus, rbbKultur

 

Quelle: rbb Kultur, 19.07.2022

 

 

4 Kommentare zu “„Die Frage des Tages: Hat das Humboldt Forum aus der Kritik gelernT?“

  1. Berlin Global ist eine linke Propandaschau. Zum Großteil einfach unerträglich. Eine sachlich neutrale Präsentation oder Vermittlung findet in dieser Ausstellung nicht statt. Sie ist ebenso ein Flopp wie die anderen Ausstellungen des Humboldt Forums. Um Tacheles zu reden: Das Humboldt Forum hat im Schloss nichts zu suchen. Es hat bisher dem neuen Schlossbau nur geschadet und wenig bis gar nicht genutzt. Die Kombination von Schloss und Humboldt Forum ist von Anfang an ein zweigleisiges Schwert. Warum man unbedingt dieses Humboldt Forum in der Form haben wollte, statt z. B.: die Gemäldegalerie oder das Kunstgewerbemuseum in das Schloss einziehen zu lassen, ist für mich bis heute nicht nachvollziehbar. Meine Forderung: Mehr Schloss – Humboldt Forum raus!

  2. Sehr gut gesagt und geschrieben, die Verantwortlichen müßen zur Rechenschaft gezogen werden oder mit Menschen ersetzt werden die von Museum, Ausstellung und Geschichte etwas Wissen und Verstehen.

  3. Man hätte vom grünen Wohnzimmer mit Gemälde-Kopien von Raphael, Schinkel, …, und Skulpturen der Königin Elisabeth von Preussen ausgehend den Teesalon im Stil eines antiken Wohnzimmers und den Sternensaal mit den vorhandenen Möbeln ausstatten können. Hier war nicht nur Kultur und Kunst aus Preussen zu sehen, sondern Wandmalereien nach Funden in der ausgegrabenen Villa des Diomedes in Pompeji und Skulpturen nach antiken Vorbildern zu sehen. Im Teesalon wurden zur Zeit König Friedrich Wilhelm IV. Gäste aus aller Welt empfangen. An diesem Ort wünsche ich mir alte Rauminstallationen und Hörstationen mit erklärenden Texten, Dialogen und dem Elisabethen-Walzer von Johann Strauß!!!

    1. Ich kann es auch nicht verstehen. Warum wird mit dem Wiederaufbau der alten Fassade des Schlosses der Geschichte erinnert und im Gebäudeinneren Ausstellungen präsentiert, welche nichts mit der Geschichte des Baues zu tun hat. Man kann doch einen Teil der alten Einrichtung auch wieder in das Schloss hineinbringen. Und sei es als Alternative durch Projizierung mit moderner heutigen 3-D Animation der ehemaligen Räumlichkeiten im.Schloss. Berlin baut das Schloss, bekennt sich jedoch nicht zur alten Geschichte. Vielleicht denkt man noch mal darüber nach.

Schreibe einen Kommentar zu gunneber Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert