08.01.2016 Berliner Zeitung
Die Exponate des Ethnologischen Museums verbringen die nächsten Jahre im Humboldt-Forum. Direktorin Viola König berichtet im Interview über den Umzug und die Zukunft der Sammlungen in Berlin.
Von Nikolaus Bernau
Die Altamerikanistin Viola König ist seit 2001 Direktorin des Berliner Ethnologischen Museums. Am Sonntag schließen die ersten großen Ausstellungen, um den Umzug der Exponate ins Humboldt-Forum vorzubereiten, wo sie frühestens in drei Jahren wieder zu sehen sein werden. Ein Gespräch zum Stand der Dinge.
Warum wird Dahlem jetzt schon geschlossen, das Humboldt-Forum soll doch erst 2019 eröffnen?
Erst einmal: Wir schließen nicht ganz Dahlem. Die Afrika-Ausstellungen und die vorderen zwei Drittel des Saales Mesoamerikanische Archäologie sowie das Museum für Ostasiatische Kunst haben noch bis Januar 2017 geöffnet, das Museum für Europäische Kulturen bleibt auf längere Dauer hier. Aber sicher, wir schließen jetzt die Nord- und Südamerika- und die Pazifikausstellungen. Es ist höchste Zeit. Wir müssen große Objekte wie z. B. die Südseeboote bewegen, die sich seit 45 Jahren an derselben Stelle befinden und von den Restauratoren für den Umzug vorbereitet werden müssen.
Aber 2019 ist doch noch lang hin …
Die Großobjekte müssen schon 2018 ins Humboldt-Forum transportiert werden, weil dann dort die Wände, die zunächst nur für deren Einlass offen bleiben, geschlossen werden müssen. Um die großen Objekte aber zu zerlegen, auszubreiten und zu restaurieren, brauchen wir Platz. Dafür müssen wir alle anderen Exponate, die sich derzeit an dieser Stelle in Vitrinen befinden, ausräumen. Von denen geht allerdings auch ein Teil ins Humboldt-Forum, diese Objekte können wir also bei der Gelegenheit gleich mit anpacken.
Und die anderen Stücke?
Wir zeigen ja wie die meisten Museen weltweit überhaupt nur zwei Prozent unserer Gesamtsammlung, also circa 12 000 Objekte von etwa einer halben Million. Die meisten Dinge bleiben also im Depot. Und die bisher in den Sälen ausgestellten Werke werden erst einmal vor Ort eingepackt und gelagert. Unser überfülltes baufälliges Magazingebäude durfte in den vergangenen Jahren nur mit Sondergenehmigungen betrieben werden und wird jetzt für einige Jahre mit zusätzlichem Brandschutz versehen.
Ins Humboldt-Forum kommen dann die selben Werke oder auch solche aus den Depots?
Beides. Unsere Vorgänger haben ja die Südsee-Abteilung in Relation zur Gesamtsammlung riesig angelegt, auch Mesoamerika ist im Vergleich zur gesamten Amerika-Ausstellung sehr groß. Unsere Amazoniensammlung dagegen wurde noch nie in einer Dauerausstellung gezeigt, nur in einer Sonderausstellung vor mehr als 13 Jahren. Dabei kann man mit ihr interessante Geschichten aus verschiedenen Perspektiven erzählen. Wir sind mit den heutigen Angehörigen dieser Gruppen in engem Austausch.
Hat es angesichts der Platznot Sinn, dass auch noch die nur für Wissenschaftler gedachte Bibliothek ins Humboldt-Forum umziehen soll?
Das war im ursprünglichen Konzept, als wir noch arbeitsteilig gemeinsam mit der Zentral- und Landesbibliothek die „Werkstatt des Wissens“ planen sollten, sinnvoll. Wenn man von Anfang an gewusst hätte, dass Berlin seine Planungen ändern würde, hätte man sich das anders vorstellen können. Jetzt ist unsere Bibliothek im ersten Obergeschoss für viel Geld geplant. Das ist eben das Problem, wenn verschiedene Nutzer beteiligt sind, und jeder jederzeit machen kann, was er will. Dabei habe ich stets darauf hingewiesen, dass für das Ethnologische Museum diese erste, räumlich großzügigere Etage geeigneter gewesen wäre als die beiden oberen Etagen. Das war nach dem alten Konzept aber nicht durchsetzbar.
Der Platz im Humboldt-Forum wird also gleichmäßig nach Kontinenten aufgeteilt oder proportional zur Größe der Sammlungen?
Wir wollen nicht wie bisher vorschreiben, welche Weltgegenden wichtiger sind. Aus historischen Gründen hat Europa ohnehin immer Asien bevorzugt. Im Humboldt-Forum gibt es auf den Flächen des Ethnologischen Museums für jeden Kontinent etwa die gleiche Fläche. Aber wir haben ein flexibles Ausstellungskonzept entwickelt, das es uns ermöglichen soll, einzelne Themenmodule auszutauschen. Kuratoren, interne oder externe, haben Ideen, was man mit den Sammlungen machen kann und viele Objekte die zunächst noch verborgen bleiben, sollen zukünftig ans Licht geholt werden. Wir brauchen also diese Flexibilität.
Sind dafür die Gelder gesichert?
Wir haben seit den 1980ern den Boom der Sonderausstellungen. Diese verschlingen hohe Summen, stehen aber manchmal nur acht Wochen oder wenn es hoch kommt fünf Monate. Da soll man mir doch nicht erzählen, es gäbe kein Geld für neue Präsentationen im Humboldt-Forum. Das macht doch erst seine Lebendigkeit aus. Dennoch bleibt abzuwarten, wie der Betriebsetat aussehen wird.
Im Bereich Asien arbeiten Sie eng zusammen mit den Museen für Asiatische Kunst.
Es ist sehr angenehm, mit dem Direktor des Museums für Asiatische Kunst, Klaas Ruitenbeek, zusammen zu arbeiten, da er Interesse und Fachkenntnisse in der Ethnologie hat. Wir hätten uns die Verknüpfung sicher noch enger gewünscht. Für Indonesien machen wir etwa eine Ausstellung zum Thema Theater und Schauspiel. Das hätte man auf ganz Asien ausweiten können. Aber man kann nicht alles beim ersten Mal realisieren.
Und wie steht es mit den Geldern für die Restaurierung? Michael Eissenhauer, der Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, hat von 30 Millionen Euro gesprochen, die nötig sind, zwei Millionen hat der Bundestag jetzt bewilligt.
Das Geld kommt sukzessive. Niemand will die Eröffnung des Humboldt-Forums verzögern, weil die Objekte noch nicht restauriert sind. Und wir können ja auch nicht einfach so loslegen. Ich war gerade erst in Kanada und dort wurde thematisiert, dass man Wappenpfähle – also Totempfähle – heute auch in Europa nicht mehr einfach so aufstellen kann. Da gibt es bestimmte Rechte der Clans, Nachkommen der ehemaligen Besitzer. Wir sind in Kontakt mit ihnen, und sie können uns sagen, unter welchen Bedingungen man einen solchen Pfahl wieder errichten kann und was zu beachten ist.
Aber die Pfähle wurden im 19. Jahrhundert von Clan-Angehörigen verkauft. Warum haben deren Nachfahren heute Rechte, die zu beachten sind?
Das sind ideelle Anrechte, und sie gehören zu dem Kontext, den die Besucher im Museum ja erfahren wollen. Es geht in diesen Fällen nicht um Rückgabe, sondern vielmehr um Rücksicht. Das ist eine der konkreten Möglichkeiten wie wir mit den Menschen aus den Herkunftsregionen unserer Exponate zusammenarbeiten.
Kein Mensch käme auf die Idee, die heutigen Bewohner von Piacenza zu fragen, wie man die Sixtinische Madonna Raffaels in Dresden ausstellen soll …
Wäre es nicht interessant, so eine Frage zu stellen? Darum ging es letztlich ja auch bei der Debatte um die nach Kontinenten geordnete Grundstrukturierung der Ausstellung im Humboldt-Forum. Geografie ist ungeheuer wichtig für die Selbstdefinition eines Menschen. Jeder Amerikaner kann Ihnen sagen, aus welchem Dorf in Schwaben oder von welcher Insel in Schottland seine Vorfahren auswanderten. Wir sind als Ethnologen da anderen Museen vielleicht sogar voraus, einfach, weil wir uns eben nicht im Rahmen der eigenen Kultur und Tradition bewegen. Es geht um gegenseitigen Respekt vor dem was zu anderen Zeiten und an anderen Orten den Menschen wichtig war oder ist.
Das Gespräch führte Nikolaus Bernau.
Die Ethnologin
Viola König ist Ethnologin und Hochschullehrerin. Sie studierte Ethnologie, Vor- und Frühgeschichte sowie Altamerikanische Sprachen und Kulturen an den Universitäten in Freiburg und Hamburg. Sie führte Feldforschungen in Mexiko, Kanada und Alaska durch.
Seit 1980 ist Viola König im Museumsbereich tätig, zunächst am Hamburgischen Museum für Völkerkunde, dann u. a. am Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln. Von 1992 bis 2000 leitete sie das Übersee-Museum Bremen.
Seit 2004 hat König eine Honorarprofessur am Lateinamerika-Institut der FU Berlin und gibt Seminare in den Fächern Altamerikanistik und Kultur-Anthropologie.
Quelle: Berliner Zeitung, 08.01.2016