13.11.2015 Berliner Zeitung
Das Land Berlin sträubt sich noch. Nun übt der Bund indirekt Druck aus – und zwar mit Geld. Zehn Millionen Euro hat der Bundestags-Haushaltsausschuss für die Neugestaltung des Schloss-Umfeldes bewilligt. Nicht nur der Neptunbrunnen soll umziehen.
Von Ulrich Paul
So einfach geht es nicht. Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) hat distanziert auf den Beschluss des Bundestags-Haushaltsausschusses reagiert, die Mittel für eine Rückkehr des Neptunbrunnens vor das Berliner Schloss bereit zu stellen. „Wir begrüßen jedes finanzielle Engagement des Bundes in Berlin“, sagte Geisel am Freitag. „Allerdings befinden wir uns mitten in einer stadtweiten Debatte über die Zukunft des Rathausforums.“
Die Stadtdebatte „Alte Mitte – Neue Liebe“, die sich mit der Gestaltung des Bereichs zwischen Fernsehturm und Spree beschäftige, sei ausdrücklich ergebnisoffen. „Solange dieser bürgerschaftliche Prozess nicht abgeschlossen ist, steht eine Versetzung des Neptunbrunnens nicht zur Diskussion“, so der Senator. „Das verbietet der Respekt vor dem politischen Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger Berlins, den Dialog offen zu führen.“ Berliner Stadtentwicklung werde in Berlin gemacht und nicht im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages.
Eine „autonome Entscheidung“
Der Bundestags-Haushaltsausschuss hatte zuvor die Mittel für eine Verlegung des Neptunbrunnens vor das neue Berliner Schloss bewilligt. Wie der parlamentarische Staatssekretär im Bundesbauministerium, Florian Pronold (SPD), am Freitagmorgen bei einem Rundgang auf der Schloss-Baustelle sagte, stehen insgesamt rund zehn Millionen Euro zur Verfügung, die zugleich für die Neugestaltung des Umfeldes verwendet werden sollen.
Das Problem: Eine Verlegung des Neptunbrunnens vom bisherigen Standort vor dem Roten Rathaus zum Schlossplatz ist bisher nicht vorgesehen. Unterstützer einer Gestaltung des Schloss-Umfeldes nach dem historischen Vorbild setzen sich seit Langem für eine Rückkehr des Brunnens an seinen alten Platz ein. Er stand früher am Schlossplatz auf Höhe der Breiten Straße. Mit der Bereitstellung der Mittel übt der Haushaltsausschuss ungewöhnlichen Druck zugunsten der Verlegung des Brunnens aus. Staatssekretär Pronold versicherte jedoch, der Bundestag greife nicht in die „autonome Entscheidung“ des Landes Berlin ein. Er habe nur entschieden, die Mittel bereit zu stellen.
Halbherziges Stückwerk
Der stadtentwicklungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stefan Evers bezeichnete die Entscheidung des Haushaltsausschusses als ein „wichtiges und absolut richtiges Zeichen“. Es sei „ein starkes Signal der Großen Koalition im Bund an die zögerliche Berliner Stadtentwicklungsverwaltung“, wofür er sehr dankbar sei. „Die Rekonstruktion des Herzstücks des historischen Berlin darf beim Wiederaufbau des Schlosses nicht auf halbem Wege stehen bleiben“, sagte Evers. Ein Schlossplatz ohne den Neptunbrunnen bliebe auf ewig nur halbherziges Stückwerk.
„Es ist traurig, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages dafür ein besseres Verständnis hat, als die zuständige Senatsverwaltung“, sagte Evers. „Nun haben wir die einmalige Gelegenheit, dem zukünftigen Schlossplatz eine würdige Mitte zu geben“, sagte Evers. „Ich erwarte, dass Berlin auf das großzügige Angebot des Bundes eingeht und die Stadtentwicklungsverwaltung sofort mit den Planungen für eine Rückführung des Neptunbrunnens an seinen historischen Standort beginnt.“ Für das Jahr 2016 habe der Bundestag 800.000 Euro für die notwendigen Vorbereitungen bereitgestellt. „Ich hoffe, die SPD steht der Verlagerung des Brunnens nicht weiter im Weg“, so Evers.
Die Linke äußerte sich ablehnend. „Dass der Bund im nächsten Haushalt Geld fürs Schlossumfeld vorsieht, ist begrüßenswert und angesichts der kulturpolitischen Bedeutung der Humboldt-Stiftung auch folgerichtig“, sagte die Abgeordnete Katrin Lompscher. „Dass Berlin allerdings mit diesen Mitteln offenbar zum Umzug des Neptunbrunnens“ gezwungen werden soll, sei „nicht akzeptabel“. Der Neptunbrunnen habe derzeit im Kontext zur Fernsehturm-Kugel nicht nur eine prominente Aufstellung, der Vorstoß komme zudem zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Denn die öffentliche Debatte zur Historischen Mitte finde erst am 28. November ihren Abschluss.
Bei dem Verfahren wird über die künftige Gestaltung diskutiert. „Der Senat ist gut beraten, den Bürgerwillen ernst zu nehmen und sich hier nicht erpressen zu lassen“, sagte Lompscher. „Die Mittel des Bundes ließen sich in diesen Zeiten auch für Wichtigeres ausgeben, aber wenn im Bereich Humboldt-Forum, dann zum Beispiel für den fußgängerfreundlichen Umbau der Straße zum Lustgarten“.
Neben den Geldern für den Neptunbrunnen stellt der Haushaltsausschuss weitere fünf Millionen Euro für den Bau eines Dachgartenrestaurants auf dem Schloss bereit. Das Restaurant soll auf der Nordwestecke des Daches mit Blick auf den Lustgarten und die Straße Unter den Linden entstehen. Geplant ist eine Stahlkonstruktion, die auf 400 Quadratmetern Platz für 200 Besucher bietet. Das Schloss (Humboldt-Forum) entstehen nach Plänen des Architekten Franco Stella. Es soll 2019 eröffnen. Die Kosten für den Bau belaufen sich auf 590 Millionen Euro. Davon trägt der Bund 478 Millionen, das Land Berlin übernimmt 32 Millionen Euro.
80 Millionen Euro für die Rekonstruktion der Barock-Fassaden will der Förderverein Berliner Schloss über Spenden beisteuern. Zu den 590 Millionen Euro kommen 25,5 Millionen Euro für sogenannte bauliche Optionen, wie der vollständigen Rekonstruktion der Kuppel sowie der Innenportale II, III und IV und der Portaldurchgänge hinzu. Diesen Betrag will der Förderverein ebenfalls aus Spenden aufbringen, womit er insgesamt 105,5 Millionen Euro sammeln möchte. Inklusive Sachspenden wurden bisher mehr als 50 Millionen Euro gesammelt. Mit den nun bewilligten fünf Millionen Euro für das Dachrestaurant kostet das Schloss-Projekt insgesamt rund 620 Millionen Euro.
Quelle: Berliner Zeitung, 13.11.2015